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Staatsopern-Chef outet sich als "Zeitungsfresser"

Heute Redaktion
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Und jetzt, liebe Leser, stellen Sie sich vor, wie charmant es klingt, wenn Staatsopern-Direktor Dominique Meyer seine Wortkreation dann auch noch mit französischem Akzent vorträgt. Was uns der gebürtige Elsässer im Interview sagen will, ist, dass er Zeitungen nur so verschlingt. Und: dass ihn nackte Ballerinas nicht schockieren, wie die Hochkultur zugrunde geht und warum er selbst Opernkarten beim Diskonter kaufen würde. Zumindest, wenns noch welche gäbe...

Und jetzt, liebe Leser, stellen Sie sich vor, wie charmant es klingt, wenn Staatsopern-Direktor Dominique Meyer seine Wortkreation dann auch noch mit französischem Akzent vorträgt. Was uns der gebürtige Elsässer im Interview sagen will, ist, dass er Zeitungen nur so verschlingt. Und: dass ihn nackte Ballerinas nicht schockieren, wie die Hochkultur zugrunde geht und warum er selbst Opernkarten beim Diskonter kaufen würde. Zumindest, wenn’s noch welche gäbe...

Heute: Herr Direktor, klären wir bitte ein für alle Mal die Aussprache Ihres Nachnamens...

Dominique Meyer: "Ich habe schon alles gehört, es ist alles erlaubt. Aber lieber ein österreichisches "Meier" als eine gekünstelte französische Betonung."

Ihr Einstand im Herbst 2010 begann mit einem "Nacktskandal" um Tänzerin Sarkissova. Wie reagierten Sie auf die Fotos?

"Mit einem klärenden Gespräch. Mich schockieren Bilder vom toten Gaddafi, von Francois Mitterrand auf dem Sterbebett. Aber keine nackte Ballerina."

Wer die Lipizzaner in der Hofreitschule sehen will, kann dafür jetzt auch beim Diskonter Tickets kaufen. Eine Idee für die Oper?

"Natürlich wäre das auch für uns denkbar. Mir ist egal, wo Karten gekauft werden. Hauptsache, die Leute kommen. Aber bei einer Auslastung von 99,7 % gäb’s dafür ohnehin kein Kontingent."

Verkommt die Hochkultur so nicht zum Massengaudium?

"Nein, Kultur geht an etwas ganz anderem zugrunde: Sie stellt sich gern auf ein Podest und gibt Menschen das Gefühl, unerreichbar zu sein. So stirbt sie!"

Sie sind durch die Politik zur Kultur gekommen...

"Nein, stimmt nicht. Ich habe den Umweg über die Politik gemacht. Ich war immer schon da."

Finden Sie den Weg möglicherweise auch wieder zurück?

"Ganz sicher nicht."

Als Student standen Sie 30 Stunden für eine "Walküre"-Karte an. Woher diese Leidenschaft?

"Oft ist die Liebe zu einer Sache so stark, dass man nur das Ziel sieht, nicht die Hindernisse."

Lesen Sie jeden Tag Zeitung?

"Ich bin ein echter Zeitungsfresser. Ich gebe aber zu, auf deutsch verstehe ich nicht alles. Außerdem lese ich gerne iPad."

Wie lebendig ist die Printmedienlandschaft in Frankreich?

"Sie ist im Begriff, zu sterben."

Woran liegt das?

"Zeitungen sind viel teurer als hier. Und es herrscht Krieg zwischen Gratis- und Kaufzeitungen. Das ist aber Unsinn, denn wenn Letztere an Lesern verlieren, sind sie selbst daran schuld."

Was halten Sie von ORF III?

"Ich bin ein Fan. Es klingt wie ein Wunder, dass es hier endlich einen Kultursender gibt!"

Mit Ihnen hat auch die Technik im Haus am Ring Einzug gehalten. Die Zukunftsmusik?

"Natürlich, das ist extrem wichtig. Wir wollen uns in Sachen Apps fürs Handy, Live-Übertragungen ins Kino und Web entwickeln. Und bald wird die gesamte Geschichte unserer Oper online nachzulesen sein."

Was amüsiert Sie an Wien?

"Der Gebrauch des Wortes 'Stau': 4 Autos in der Schlange – das nennt ein Pariser 'Paradies'!"

Maria Dorner