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Stadt Wien setzt bei der Waldarbeit auf 2 PS

Heute Redaktion
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Wenn es darum geht, gefällte Holzstämme aus dem Wald zu ziehen, treten die Noriker Max und Nero auf den Plan. Sie sind die umweltfreundliche Alternative zu Traktoren.

Zwei hünenhafte Wallache, einer schwarz und einer blond, stapfen schweren Schrittes durchs Dickicht im Maurer Wald am Rande des 23. Bezirks. Behangen mit Pferdegeschirr ziehen die Noriker Max (9) und Nero (11) gerade einen dicken Baumstamm aus dem Wald. Auf dem mit Gebüsch und Geäst bedeckten Waldboden hinterlässt der Stamm eine Spur, die einige hundert Schritte zur Forststraße führt. Hinter den Pferden geht Hannes, mit den Zügeln weist er lautstark den Weg. Hannes (46) stammt aus Kärnten, und was er macht, war viele Jahrhunderte lang fixer Bestandteil der Forstwirtschaft. Er ist Holzrücker, und heute einer der letzten seiner Zunft.

Auch wenn der Traktor mehr Nutzlast schafft und pro Tag wahrscheinlich auf mehr Kilometer kommt: Um den Wald des 21. Jahrhunderts gesund, licht und möglichst unberührt zu halten, braucht es auch die tradierte Technologie des vergangenen Jahrtausends: Deshalb setzt die Stadt auf ihre "Holzrücker-Pferde", die vor Frühlingsbeginn im Wald unterwegs sind.

"Dass sich hochmoderne Forstwirtschaft und traditionelle Methoden nicht ausschließen, beweist der Forstbetrieb der Stadt Wien eindrucksvoll – neben Hightech-Maschinen, setzt die MA 49 bei ihrer ökologischen Waldbewirtschaftung auch auf Pferde" , so Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ).

Uralte Tradition, die die Umwelt schont

Hannes und seine beiden Noriker sind im Maurer Wald immer gern gesehen. Mehrmals täglich kommen Spaziergeher, Wanderer und Radfahrer vorbei, streicheln die Pferde und geben ihnen auch etwas zu knabbern. Die Wenigsten von ihnen wussten allerdings, was man unter Holzrücken eigentlich versteht, bevor sie auf das Trio gestoßen sind.

Unter Holzrücken versteht man nichts anderes, als den Abtransport gefällter Bäume mit Hilfe von Pferden. Robuste Pferde müssen es sein, damit sie die schwere Fracht über den unebenen, dicht bewachsenen Waldboden ziehen können. Erst mit der Entwicklung moderner Fahrzeuge geriet diese traditionelle Methode langsam in Vergessenheit. Zu stark und effizient war die motorisierte Konkurrenz. In der Forstwirtschaft ist Holzrücken heute deshalb kaum mehr von Bedeutung. Weil es aber äußerst umweltschonend ist, setzt es die Stadt Wien jetzt mancherorts wieder ein und verschafft dem Holzrücken dadurch ein kleines Revival. Holzrücken ist also alles andere als "retro", sondern eine wichtige Ergänzung zur modernen Forstwirtschaft, und Wien zählt hier zu den Vorreitern.

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Waldgebiete der Stadt sind des Norikers "Spielwiese"

Zum Beispiel im Maurer Wald am Rande des 23. Bezirks. Das sechs Hektar große Waldgebiet wird – wie jedes andere in Wien auch - von der MA 49 betreut und gepflegt. Kurz vor Weihnachten hat die Stadt mit dem Fällen einzelner Bäume begonnen. Nicht aber, um etwa Platz für Gebäude zu schaffen, sondern um den Wald zu schonen.

Wiens Wälder müssen vielfältig sein, sagt der Leiter der Forstverwaltung Wienerwald, Hannes Lutterschmied, nicht zu verwechseln mit seinem Namensvetter, dem Holzrücker. Die gezielte Entnahme von einzelnen Bäumen wirkt sich positiv auf die Vielfalt aus, weil andere Bäume mehr Raum zum Wachsen bekommen und damit stärker werden. "Außerdem wird die Waldkrone dadurch lichter und das Sonnenlicht erreicht so den Waldboden besser. Dadurch können junge Bäume, die viel Licht benötigen, schneller wachsen. Es entstehen strukturierte Wälder, wo junge neben alten Bäumen ihren Platz finden und stabiler gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels sind und sich besser gegen eingeschleppte Schädlinge wehren können", erklärt Lutterschmied.

Pferdehufe besser für Waldboden als Traktoren

Dass die Bäume dann mit Hilfe von Pferden weggebracht werden, ist ein weiterer Bonus. Denn der Boden ist für das Baumwachstum die wichtigste Produktionsquelle. Er muss deshalb so schonend als möglich behandelt werden. Und die Hufen der Pferde sind für den Boden weitaus weniger belastend als tonnenschwere, große Traktoren, die den weichen Waldgrund unter ihren Rädern zusammendrücken. Obwohl Max und Nero äußerst stark sind, können auch sie die ganz großen Brocken nicht transportieren. Zudem können sie im Vergleich zu Lkw und Co. nur kurze Distanzen zurücklegen.

Trotzdem werden pro Jahr etwa zehn Prozent des gefällten Holzes von den Pferden von A nach B bewegt. Der Rest wird mittels Maschinen möglichst bodenschonend ins Sägewerk transportiert. Früher hat die Stadt Wien eigene Pferde gehalten. Das war aber wirtschaftlich nicht mehr tragbar, weil die Pferde rund um die Uhr, Tag für Tag, betreut werden müssen und dafür die personellen Ressourcen nicht ausreichten. Deshalb engagiert die Stadt nun Fremdfirmen, die sich auf das Holzrücken spezialisieren und heuer in Wien im Maurer Wald, im Lainzer Tiergarten und im Schwarzenbergpark werken.

Pferde würden Holzrücker werden

Holzrücker-Hannes liebt seinen Job, das merkt man ihm an. Aber auch Max und Nero genießen sichtlich das Herumstapfen im Wald. "Für die Pferde ist das überhaupt nicht belastend", betont er. "Ganz im Gegenteil. Wenn sie nicht genug Bewegung bekommen und nicht angestrengt werden, werden sie unrund".

Die Anweisungen von Holzrücker-Hannes befolgen die beiden Wallache jedenfalls artig. Dass das so einfach von der Hand geht, ist aber gar nicht so selbstverständlich: "Zwei Jahre benötige ich im Schnitt, um ein Pferd für den Einsatz im Wald zu trainieren", sagt der Holzrücker. "Während des Trainings führe ich immer einen Veteranen und einen Neuling nebeneinander, damit das unerfahrene Pferd vom erfahrenen lernt".

Nach einem erfolgreichen Holzrücker-Tag freuen sich die Pferde auf ihr wohlverdientes Mahl. Sechs Kilo Heu verdrückt jeder einzelne pro Tag, damit er auch am nächsten Tag wohlgenährt und stark die nächsten Bäume aus dem Wald ziehen kann. Ende März verabschieden sich Hannes, Max und Nero wieder aus dem Maurer Wald zurück in ihre Heimat nach Kärnten. Im nächsten Winter kommen sie aber bestimmt wieder und freuen sich auf alle, die sie bei der Arbeit besuchen. Wiens Wälder sind sowieso immer einen Abstecher wert, sagt Hannes: "Man muss einfach sehen, wie schön es hier im Maurer Wald ist - für Mensch und für Tier".