Spieletests

"Stray" im Test: Kunstwerk anstatt Katzenjammer

Mehr ist nicht immer besser: "Stray" versetzt uns in den Körper einer Katze, die entspannt eine dystopische Cyberpunk-Welt erkunden darf.

Rene Findenig
"Stray" im Test: Spielt sich entspannt, sieht fantastisch aus und bietet jede Menge Überraschungen.
"Stray" im Test: Spielt sich entspannt, sieht fantastisch aus und bietet jede Menge Überraschungen.
BlueTwelve Studio

Spätestens "Cyberpunk 2047" löste in der Gaming-Branche einen ungeahnten Hype rund um das Science-Fiction-Subgenre aus. Dass aber nicht immer Blockbuster-Action und Bombast-Storys im Vordergrund stehen müssen, beweist uns das neue "Stray" für PlayStation 4, PlayStation 5 und PC nun eindrucksvoll. Im Game der Entwickler von BlueTwelve Studio und dem Publisher Annapurna Interactive schlüpfen Spieler ins Fell einer Katze, die eine seit langer Zeit menschenleere Stadt der Zukunft erkunden darf, in der nur noch Roboter ihr Werk versehen und die zwischen Hightech und Ruinen schwankt.

Das Third-Person-Katzenabenteuerspiel hat auch keine komplexe oder atemberaubende Handlung zu erzählen. Die Protagonisten-Katze stürzt zu Beginn des Spiels in die Tiefen der Metropole ab, in der sich Dunkelheit und Neonlichter den Ball gegenseitig zuspielen. Der Handlungsverlauf ist auch gleich die Missionsaufgabe für die Spieler: Sie sollen im Katzenkörper zurück an die Oberfläche der Stadt gelangen und auf dem Weg dorthin die Winkel und Wege der vergessenen Metropole erkunden. Je nach Erkundungswillen dauert das leider nur recht kurze fünf bis zehn Spielstunden.

Minimalistisches Gameplay, beeindruckende Atmosphäre

Die Spielwelt selbst ist – neben unserer Katze natürlich – eines der Highlights des Games. Halb Slum, halb asiatische Hightech-Stadt, wechseln sich verrostete Blechdächer mit Neon-Reklamen und Graffiti-verzierte Abwassertunnel mit humanoiden Roboterwesen ab. Die Kulisse ist eine ebenso beeindruckende wie bedrückende, denn die menschenleeren Areale zeugen von einer Zeit, als hier noch geschäftiges Treiben herrschte. Das Gameplay selbst zeigt sich zurückhaltend: Mit den wenigen vorhandenen Figuren reden, Areale erkunden, etwas Parcour – das war es zum größten Teil auch schon.

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    Spätestens "Cyberpunk 2047" löste in der Gaming-Branche einen ungeahnten Hype rund um das Science-Fiction-Subgenre aus. Dass aber nicht immer Blockbuster-Action ...
    Spätestens "Cyberpunk 2047" löste in der Gaming-Branche einen ungeahnten Hype rund um das Science-Fiction-Subgenre aus. Dass aber nicht immer Blockbuster-Action ...
    BlueTwelve Studio

    Und dennoch ist die Erfahrung genial. Die Entwickler haben extrem viel Detailreichtum und Herzblut vor allem in die Animationen der Katze gesteckt, die sich flink durch die Gassen bewegen, Mauern erklimmen und auf kleinen Vorsprüngen balancieren kann. Und natürlich kommen auch liebenswerte Spielereien wie das Kuscheln mit und Schlafen neben anderen Katzen, natürlich das Miauen (auch während Cutscenes) und das Umwerfen von Gegenständen hinzu. Auch Anspielungen auf die neun Leben einer Katze oder das Kratzen an Schallplatten, wie es ein DJ beim Scratchen machen würde – gibt es.

    Puzzles und Begegnungen sind eher nettes Beiwerk

    Abseits der vielen Spielereien darf aber die Welt nicht frei erkundet und einfach jeder Pfad abgesucht werden – wo gesprungen, geklettert und balanciert werden soll, gibt das Spiel in den meisten Fällen fix vor. Heißt: Spieler sind hier auch oft eher aktiver Zuschauer als Spieler und reagieren auf die Button-Aufforderungen, die am Bildschirm aufploppen. Langeweile kehrt dennoch nie ein, einerseits genießt man entspannt das herrlich atmosphärische Abenteuer, andererseits löst man mit Miauen und Sprüngen kleinere Rätsel, die nett umgesetzt wurden, aber auch Anfänger nicht allzu sehr fordern werden.

    Wirkliche Kämpfe gibt es in "Stray" nicht, Gefahren allerdings genug. Trifft man auf angriffslustige Wesen mit bösartig leuchtenden Augen, geht es meist darum, sich entweder ungesehen vorbeizuschleichen, sie mit kleinen Hilfsmitteln wie Leuchten zu vertreiben oder sie geschickt aus dem Fell zu schütteln. Wie die Puzzles sind die Begegnungen aber eher Beiwerk als wirklich knifflig, sie können aber sehr wohl zum Bildschirmtod unserer Katze führen. Die hat aber zum Glück nicht nur fair gesetzte Checkpoints zum Neustart, sondern in "Stray" auch mehr als die sprichwörtlichen neun Leben.

    Ein wahres Game-Kunstwerk statt Katzenjammer

    Zwischen den Parcour- und Puzzle-Passagen warten auch noch Interaktionen mit den Roboter-Wesen, die fast bizarr das einstige menschliche Leben in der Stadt nachahmen wollen. "Stray" verspricht beim Erkunden und Interagieren zwar, dass Spieler ein "uraltes Rätsel lösen", die große Enthüllung ist dann aber doch eher ein kleiner Aha-Effekt. Umhauen wird euch das Spiel aber trotzdem, denn die Spielwelt ist einfach dermaßen schön inszeniert und die Katze wahnsinnig kreativ umgesetzt, dass selbst eingefleischte Hunde-Fans ihr Herz für eine Katze entdecken könnten.

    "Stray" ist ein Katzen-Simulator, und das ist weder abwertend noch böse gemeint. Nette, aber simple Puzzles wechseln sich mit Erkundungstouren und Parcour-Einlagen ab, dazwischen döst man in einem Körbchen vor sich hin oder kratzt ein Loch in eine Couch. Das Spiel nimmt die Zocker dabei oft etwas zu sehr an der Hand und lässt sie manchmal zu wenig frei agieren, und dennoch überwältigt die Spielwelt mit ihrer Grafik und Atmosphäre sofort. "Stray" ist ein Spiel-Kunstwerk, abseits von Hektik, Action und Blockbuster-Inszenierung, dafür aber mit ganz viel Detailreichtum, Herzblut und niedlichem Miauen.