Österreich

Streit um Berufsfähigkeit: Frau (51) verklagt die PVA

Heute Redaktion
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Isabella S. will vor Gericht beweisen, dass sie nicht berufsfähig ist.
Isabella S. will vor Gericht beweisen, dass sie nicht berufsfähig ist.
Bild: Denise Auer

Isabella S. kämpft seit Jahren mit den Folgen eines Sturzes. Dann entschied die Pensionsversicherungsanstalt (PVA), dass sie berufsfähig ist. Nun will sie vor Gericht das Gegenteil beweisen.

"Mein Fall ist vielleicht nur einer von vielen. Aber ich werde mich mit meiner Situation nicht einfach so abfinden." Wenn Isabella S. (51) von ihrem bürokratischen Spießrutenlauf der letzten zwei Jahre erzählt, dann ist ihr der Vertrauensverlust in das System deutlich anzuhören.

Es begann mit einem folgenreichen Sturz im Dezember 2015. Erste Diagnose "Haarriss am inneren Keilbein". Dann begann die Farce: Kurz nach dem Zwischenfall wurde die frühere Managerin fristlos gekündigt. "'Oh, du bist ja da. Hab' dich nicht erwartet' – das war die erste Reaktion des Geschäftsinhabers", erzählt die 51-Jährige.

Nachdem sich ihre körperliche Verfassung nicht besserte, beantragte sie im April 2017 zunächst die Berufsunfähigkeitspension. Gewährt wurde ihr von der PVA stattdessen die vorübergehende Berufsunfähigkeit, um die sie erst kämpfen hat müssen, wie S. anmerkt. Begründung: 1. Sie besitzt mehr als 50 Prozent der Arbeitsfähigkeit einer gesunden Person. 2. Für einen Berufsschutz hat sie nicht lange genug gearbeitet. Dieser gilt ohnehin als Grundvoraussetzung für die Berufsunfähigkeitspension.

Gutachten: Eine "Verhöhnung"

Ein Jahr später dann die nächste Hiobsbotschaft. Eine "Wiederbegutachtung" hätte ergeben, dass sie wieder fit für den Arbeitsmarkt ist. S. wusste nicht, wie ein Arzt angesichts ihrer Verfassung je zu dieser Schlussfolgerung hätte kommen können.

Desillusioniert, aber nicht ohne Hoffnung, versuchte sie der Sache auf den Grund zu gehen. Nach Überprüfung aller Unterlagen mit ihrem Anwalt und einem Juristen der Arbeitskammer sollen sich fundamentale Abweichungen ergeben haben: 1. Konnte sie aufgrund vorliegender Befunde unmöglich berufsfähig sein. 2. Wirft die Berechnungsmethode ihres Berufsschutzes berechtigte Fragen auf. Daraufhin verklagte sie die PVA auf eine Fortsetzung der vorübergehenden Berufsunfähigkeit.

Gegenstand der nun für Anfang April angesetzten Verhandlung werden vor allem ein orthopädisches wie ein berufskundliches Gutachten sein, die nach Ansicht von Isabella S. eine "Verhöhnung" ihrer Person darstellen. Während der Berufsschutz auch nach Aussage des AK-Juristen eine vor dem Gericht zu klärende Streitfrage ist, sind die Urteile über ihre körperliche Verfassung widersprüchlich.

Widersprüchliche Beurteilungen

Dem Gutachten des orthopädischen Sachverständigen nach ist "eine Verschlechterung nicht zu erwarten. Leichte bis fallweise mittelschwere Arbeiten sind zumutbar."

Laut Urteilen von anderen (privaten) Ärzten kann das aber nicht der Fall sein. Im Jänner 2019 fasst Prim. Dr. Wolfgang Gerstenberger anhand vorliegender Befunde (MRTs und Röntgen) zusammen: Seit Juni 2018 ergibt sich ein „unverändertes Bild". Aufgrund der „starken Schmerzen" in der linken (Schreib)-Hand ist die Patientin „beruflich nicht einsatzfähig". S. ist mit jenen Befunden bereits beim Sachverständigen gewesen. Dieser hätte die Durchsicht jedoch mit demonstrativem Desinteresse abgelehnt.

Ihr Anwalt, Stefan Lichtenegger, findet es bedauerlich, dass relevante Gutachten, die teilweise seit über zwei Jahren vorliegen nicht in das Schlussurteil des sachverständigen Orthopäden nicht eingegangen sind: "Es ist aber leider nicht unüblich, dass eine eingehende Auseinandersetzung mit Privatgutachten überhaupt unterbleibt, worunter die Wahrheitsfindung in weiterer Folge leidet. Sollte dies hierbei zutreffen, müsste ebenso davon ausgegangen werden, dass der Gerechtigkeit unter Umständen nicht genüge getan wird."

Am Arbeitsmarkt chancenlos

Isabella S. ist bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nachgewiesenermaßen eine Dauerpatientin. Dies ist den Therapieplänen und permanenten Krankmeldungen zu entnehmen. Die Liste ihrer körperlicher Gebrechen ist in der Zwischenzeit lang geworden. Sie pocht nicht darauf, endlich die vorzeige Rente antreten zu dürfen. Sie will beweisen, dass sie zu unrecht auf den Arbeitsmarkt gedrängt wird, wo sie sich als chancenlos sieht:

"Vergangenes Jahr kam ich wegen den Flüssigkeitsansammlungen in meinem linken Fußgelenk auf elf Wochen an Therapiestunden. Ich darf maximal drei Kilometer gehen, aber nicht täglich. Und ich könnte an einem Computer sitzen und arbeiten, aber auf Dauer nur mithilfe von starken Schmerzmitteln wegen der Geschwulst in meinem linken Handgelenk. Würden Sie mich in diesem Zustand einstellen wollen? Besitze ich wirklich mehr als 50 Prozent der Arbeitsfähigkeit einer vollständig gesunden Person?"

Zermürbungstaktik?

Vor wenigen Wochen dachte Isabella S., einen Erfolg erzielt zu haben. Bei der PVA soll man Gesprächsbereitschaft signalisiert haben, doch nun wartet sie seit Wochen auf das "bereinigende Gespräch". Zermürbungstaktik statt außergerichtliche Einigung? Für S. ändert sich dadurch gar nichts: „Wenn man darauf hofft, dass ich mental an dieser Sache zerbreche und aufgebe, dann können die lange warten."

Warten auf die Verhandlung

Bei der PVA verweist man auf das laufende Gerichtsverfahren. Bis dahin hält man sich mit Aussagen bedeckt, betont aber, dass bei der Berechnung des Berufsschutzes nach üblichen Kriterien vorgegangen wurde. Bezüglich der medizinischen Streitfrage, "wird diese ebenfalls im laufenden Gerichtsverfahren zu klären sein."

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