Österreich

Streit um politische Zwerge, Nikotinpflaster und Zwa...

Heute Redaktion
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Jeder gegen jeden und alle gegen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache - so kann man die Elefantenrunde der Spitzenpolitiker am Montagabend zusammenfassen. 90 Minuten lang schenkten sich SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl, Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne), Strache, Manfred Juraczka (ÖVP) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) im TV nichts. Die Themen drehten sich um Asyl, Arbeitsplätze und Wirtschaft, Wohnen und Verkehr sowie die möglichen Koalitionen.

Gleich nach der Begrüßung begann die Diskussionsrunde wenig sympathiegeladen, als es um das Duell Häupl gegen Strache bei der Wien-Wahl ging. "Michael Häupl bleibt Bürgermeister, Heinz-Christian Strache wird sich nach der Wahl mit Nikotinpflaster zupicken und den Erholungsurlaub auf Ibiza buchen", so Vassilakou. Auch Juraczka pflichtete bei, dass es das angebliche Duell mit Strache nicht geben würde.

"Es geht um Veränderung, viele Menschen wollen eine Veränderung. Die Politik ist faul, aufgebläht und korrupt geworden, das treibt Wähler in die Arme von Strache", attestierte Meinl-Reisinger. Strache selbst sieht in der FPÖ die einzige wählbare Option: "Die Parteien stehen nicht für Veränderung, sondern dafür die Macht von Häupl einzuzementieren. Wir haben einen Faymann-Häupl-Kurs. "

"Man kann nicht Gesetze brechen"

Gleich zu Beginn kam Strache beim Asylthema und fehlenden Grenzkontrollen unter Druck: "Es ist unverantwortlich, wenn man keine Passkontrollen macht. Man muss den wirklich verfolgten Menschen helfen, aber man kann nicht Gesetze brechen. Und es kommen sehr viele Wirtschaftsflüchtlinge." Moderator Paul Tesarek konterte, dass Strache dies nicht belegen könne, da ja nicht die Grenze kontrolliert werde.

Straches Argument, dass diese Informationen von den Behörden bei der Aufteilung der Menschen auf die Gemeinden stammen, nahm sich Häupl an: "Erschossen werden oder verhungern, das sind die Flüchtlinge, von denen Sie behaupten, das sind Wirtschaftsmigranten. Die Aufteilung hat noch gar nicht stattgefunden, deswegen können Sie da keine Informationen von den Behörden haben." Erstmals zog auch Häupl ein Taferl in einer TV-Runde - darauf zu sehen der FPÖ-Protest vor einem Flüchtlingsheim in Erdberg mit einem Migrantenkind. "Soviel zum Charakter, Herr Strache". 

"Brauchen keinen Stacheldraht der Schande"

Vassilakou attestierte Strache, "beim Hetzen Erster, beim Helfen Letzter" zu sein, denn er habe sich nie an den Orten gezeigt, an denen den Menschen geholfen wird. Auch arbeite er mit falschen zahlen, 12.000 Flüchtlinge seien derzeit in Wien, der andere Großteil sei auf der Weiterreise nach Deutschland. "Was wir nicht brauchen in Wien, ist der unsägliche Zaun, der Stacheldraht der Schande. Wir brauchen keine politischen Zwerge wie den Herr Orban und den Herrn Strache, die hier einen Zaun aufziehen."

Juraczka wiederum betonte ebenfalls, dass man nicht alle Flüchtlinge aufnehmen könne und kritisierte gleichzeitig, dass die FPÖ vom Tod bedrohte Menschen als Wirtschaftsflüchtlinge abstempelt. In Richtung Vassilakou und Strache: "Wenn Sie, Frau Vassilakou, glauben, alle können bleiben, dann ist das naiv. Und wenn Sie, Herr Strache, Menschen als Erd- und Höhlenmenschen bezeichnen und sagen, ein dreijähriger Bub musste sterben, weil sich der Vater die Zähne richten lassen wollte, dann ist das unerträglich. Deswegen sehe ich Vernunft und Anstand bei Ihnen beiden nicht." Meinl-Reisinger lobte, dass Wien unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen hatte, wies aber auf weitere in Traiskirchen hin.

"Nicht das Märchen wieder, das ist der selbe Unsinn"

Beim Thema Integration lagen die Kandidaten großteils auf gleicher Wellenlänge. Sie bekundeten, dass Deutsch als Sprache forciert werden müsse und Bildung der Schlüssel zur gelungenen Integration sei. Häupl wies auf die österreichischen Gesetze hin, die "über der Bibel und dem Koran" stehen, und bezeichnete die Zwangsehe als "No-Go". Juraczka ortete im Bildungsbereich Versäumnisse von Rot-Grün, die man gutmachen müsse. Vassilakou sprach sich darüber hinaus noch für Verteilung von ausländischen Bürgern auf die Wiener Bezirke statt Ballungsräumen an den Außenbezirken aus.

Für Straches Vorwurf, es würde Kindergärten geben, wo aus Religionsgründen Weihnachtslieder verboten würden, taten Häupl ("Nicht das Märchen schon wieder, das ist der selbe Unsinn wie Ihre Erfindung mit dem Nikolaus-Verbot") und Vassilakou ("Märchenonkel") als Träumerei ab. Strache forderte weiter, dass ausländische Vereine nicht so hohe Zuschüsse bekommen sollen und zeigte sich irritiert vom Antritt einer "Erdogan-Liste" bei der Wien-Wahl. Meinl-Reisinger will bei der Politik 120 Millionen Euro einsparen, das würde 1.000 Euro für die Ausbildung jeden Schülers bedeuten.

"An Ihrer Stelle würde ich ganz leise sein"

Zum verbalen Schlagabtausch kam es beim Thema Arbeit zwischen Strache und Vassilakou. Während Strache rot-grüne Milliardengräber ortete, einen Schutz von Arbeitsplätzen für Österreicher forderte und Rauchverbot sowie Registrierkassenpflicht eine Abfuhr erteilte, empfahl Vassilakou dem FPÖ-Chef, bei den Schulden in Hinsicht auf den Hypo-Skandal: "An Ihrer Stelle würde ich ganz leise sein." Strache solle vielmehr erklären, warum er heimische Unternehmen, die Flüchtlinge unterstützen, mit Boykottaufrufen zu schädigen.

Bei Wirtschaft und Verkehr wiederum verlagerte sich das Wortgefecht auf Meinl-Reisinger und Häupl. Meinl-Reisinger habe einen Videojournalisten kennengelernt, der sich ein zweites Standbeim ("mit Kasnudln") aufbauen wolle, aber sich durch den "roten Filz" keine Mitarbeiter leisten könne- Häupls Antwort, man werde sich um den jungen Mann kümmern, bestätigte Meinl-Reisingers Vorwurf der "Freunderlwirtschaft" nur. Häupl: "Dann schicken Sie ihn halt nicht zu mir. Soll ich helfen oder nicht? Ihre Geschichte ist hilfsbedürftig."

"Jeder weiß, wie man ORF-Chefreporter wird"

Wenig Neues brachte das Thema Verkehr, bei dem Juraczka immer wieder die "Sekkiererei" der Autofahrer kritisierte, Häupl und Vassilakou mit Ausbauplänen des Öffi-Netzes punkten wollten und Meinl-Reisinger ein "korruptes, mafiöses System" ortete, weil die Regierung Millionen für Werbung für Verkehrsmaßnahmen wie die Mariahilfer Straße ausgeben würde. Sie selbst werde von Medien "bedroht", da sie das Werbebudget der NEOS halbieren wolle. "Wenn es so korrupt ist, dann gehen Sie zum Staatsanwalt", so Häupl.

Untergriffig wurde schließlich Strache, als Tesarek ihn damit konfrontierte, bei der Mariahilfer Straße ein gleich düsteres Bild wie bei der Flüchtlingsthematik zu zeichnen. "Ich bitte Sie, ihren Zynismus zurückzuhalten. Jeder weiß, wie man ORF-Chefreporter wird." Schließlich erklärte er, er verstehe zwar die Ausweitung der Radwege, aber nicht den "Verkehrsinfarkt durch Spaßdemos". Diese sollten besser in der Prater Hauptallee als am Ring stattfinden.

"Bin gegen die Zwangsehe, auch mit der FPÖ"

In punkto Koalitionsmöglichkeiten ließen sich die Spitzenkandidaten alle Möglichkeiten offen. Häupl schloss wieder eine Zusammenarbeit mit der FPÖ aus: "Ich halte das nicht für ein undemokratisches Ausgrenzen. Ich bin gegen die Zwangsehe. Dann werde ich auch keine Zwangsehe mit der FPÖ eingehen." Für Strache entscheide der Wähler über das, was nach der Wahl passiere, reden wolle er mit allen. Juraczka ließ offen, ob er Strache zum Bürgermeister machen werde, sehe aber "kein Mehrheit in dieser Stadt".

Für Meinl-Reisinger gibt es heute noch eine schwarz-blaue Regierung aufzuarbeiten, weswegen die FPÖ als Partner wegfalle. Auch Rot-Grün sei keine Alternative, denn hier gehe es nur um Machterhalt. Vassilakou wiederum wolle den erfolgreichen Weg mit der SPÖ weitergehen. Und was hatten die zwei große Konkurrenten abschließend zu sagen? Strache: "Ich habe hier wieder erlebt, dass alle Angst vor Strache, auch eine gelebte Aggressivität zeigen." Manchmal sei das, wie von Vassilakou, auch "eine Form der Zuneigung". Häupl: "Ich habe weder Furcht vor Ihnen, Herr Strache, noch eine besondere Zuneigung. Die Stadt Wien ist ein Gesamtkunstwerk und wir wollen sie als weltoffene Stadt erhalten."

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