Wien

Studie sieht für Wien Mängel bei Ärzten und  der Pflege

Zum 2. Mal erhob eine umfangreiche Studie das Wiener Gesundheitssystem. Dieses sei zwar gut aufgestellt, dennoch brauche es gezielte Investitionen.

Louis Kraft
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Zum zweiten Mal erhob der Wiener Gesundheitsinfrastrukturreports 2020 die Stärken und Schwächen des Wiener Gesundheitswesens. Die Studie bestätigt, dass Wien gut aufgestellt ist, macht aber auch auf Schwächen in der Pflege oder bei den niedergelassenen Ärzten aufmerksam. Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres fordert nun gezielte Investitionen.
Zum zweiten Mal erhob der Wiener Gesundheitsinfrastrukturreports 2020 die Stärken und Schwächen des Wiener Gesundheitswesens. Die Studie bestätigt, dass Wien gut aufgestellt ist, macht aber auch auf Schwächen in der Pflege oder bei den niedergelassenen Ärzten aufmerksam. Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres fordert nun gezielte Investitionen.
Bild: picturedesk.com

Wie ist es in und nach Corona-Zeiten um das Wiener Gesundheitswesen bestellt ist, wurde nach der Premiere im Oktober 2019 nun zum zweiten Mal erhoben. Im Rahmen der umfangreiche Untersuchung wurde das Gesundheitssystem sowohl aus der Perspektive der Patienten, der Ärzteschaft sowie der Politik und der Wirtschaft beleuchtet. Heute, Dienstag, präsentierten der Präsident der Österreichischen und Wiener Ärztekammer, Thomas Szekeres, Bernhard Felderer, wissenschaftlicher Begleiter der Studie und ehemaliger Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS) und Studienautor David Ungar-Klein die Ergebnisse des Wiener Gesundheitsinfrastrukturreports 2020. 

Wiens Gesundheitswesen an sich gut, aber mit Mängel

Für Szekeres zeigte die, seit dem Vorjahr alles bestimmende Corona-Krise, dass "unser Gesundheitssystem grundsätzlich sehr gut aufgestellt ist". Neben den Stärken seien aber auch die Schwächen der Wiener Gesundheitsinfrastruktur sehr deutlich hervorgetreten. Diese gelte es nun zu beheben, denn "gerade in Krisenzeiten sind ein starkes Gesundheitswesen und eine verlässliche, moderne Gesundheitsinfrastruktur unverzichtbar", so Szekeres. Er forderte dafür mehr Investitionen sowie ein Ende der Diskussion um mögliche Einsparungen.

Wiens Ärzte und Patienten sind zufrieden mit der Performance des Wiener Gesundheitswesens: Die klare Mehrheit sagt, es habe sich sehr oder eher gut in der Krise bewährt.
Wiens Ärzte und Patienten sind zufrieden mit der Performance des Wiener Gesundheitswesens: Die klare Mehrheit sagt, es habe sich sehr oder eher gut in der Krise bewährt.
Screenshot Wiener Gesundheitsinfrastrukturreport 2020

Das sehen auch die befragten Wiener Ärzte und Patienten ähnlich. Für 28 Prozent der Ärzte haben sich Wiens Gesundheitssystem sehr gut in der Coronakrise bewährt, 55 Prozent schätzen das als "eher gut" ein. Dagegen bewerten nur 15 Prozent der Mediziner die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens als negativ. Bei den Patienten ist es ähnlich: Hier sagen 26 Prozent Wien habe sich sehr gut, weitere 49 Prozent eher gut in der Covid-Krise bewährt.

Wien fehlen niedergelassene Ärzte und Personal im Spital 

Im Zuge der Corona-Krise habe sich jedoch auch Handlungsbedarf in allen Bereichen, von der Pflege über den niedergelassenen Sektor bis hin zur Spitalsinfrastruktur, offenbart. "Neben mehr Investitionen in die Gesundheitsinfrastruktur benötigt Wien 300 niedergelassene Kassenärztinnen und -ärzte mehr sowie eine Aufstockung des Personalstands in den Wiener Spitälern", fasst Szekeres zusammen. Und verweist auf die Stadt Wien und den Wiener Gesundheitsverbund, die diesbezüglich schon erste Schritte gesetzt hätten. Von den geforderten 250 Stellen sei bereits die Hälfte besetzt.

Einen dringenden Nachholbedarf sehen auch Wiens Ärzte: Im Rahmen der Befragung nannten über 60 Prozent die Bereiche "Not-Infrastruktur für Pandemien", "Verbesserungen im niedergelassenen Bereich" und "Ausbau der medizinischen Digitalisierung" als besonders wichtig. 

Trotz der allgemeinen Zufriedenheit, sehe die Patienten auch dringenden Handlungsbedarf. Vor allem im Bereich der Pflege sei noch viel zu tun.
Trotz der allgemeinen Zufriedenheit, sehe die Patienten auch dringenden Handlungsbedarf. Vor allem im Bereich der Pflege sei noch viel zu tun.
Screenshot Wiener Gesundheitsinfrastrukturreport 2020

Bei den Patienten stehen jedoch die Themen "Verbesserungen in der Pflege" (65%), "Ausbau der medizinischen Digitalisierung" (52%) sowie "Verbesserungen im Spitalsbereich" (51%) ganz oben auf der Liste. Dicht gefolgt vom Wunsch für mehr niedergelassene Ärzte (48%). 

Patienten fordern von Politik mehr Spitalsärzte, Ärzte mehr mobile Pflege

Eng damit verbunden sind auch die direkten Forderungen an die Politik. Denn auch wenn die klare Mehrheit (74 Prozent der Ärzte und 67 Prozent der Patienten) das Wiener Gesundheitswesen im europäischen Vergleich als besser beurteilen, sehen sie auch vieles, was noch zu tun ist. So fordern 78 Prozent der Patienten die Politik auf, die Anzahl der Spitalsärzte zu erhöhen. Ebenso viele wollen den Ausbau der mobilen Pflegeinfrastruktur (dafür votieren auch 94 Prozent der Ärzte), 74 Prozent treten für eine ausreichende Budgetierung des Gesundheitssektors für Pandemien ein (bei den Ärzten sind 87 Prozent dafür).

Studie bestätigt Notwendigkeit von Investitionen

Für Studienautor David Ungar-Klein ist klar: "Die Covid-19-Krise hat den Stellen wert einer gut ausgebauten, hochwertigen Spitalsinfrastruktur und die Notwendigkeit entsprechender Investitionen in zusätzliches Personal deutlich gemacht". Die empirischen Studien hätten die große Übereinstimmung zwischen Ärzten und Patienten in der Einschätzung der Probleme und Herausforderungen für die Wiener Gesundheitsinfrastruktur aufgezeigt. So fordern 64 Prozent der Patienten sowie 70 Prozent der Ärzte mehr Investitionen in die Wiener Gesundheitsinfrastruktur.

Ein großes Thema beim Zustand der Gesundheitsinfrastruktur sei laut Studie auch weiterhin eine partielle Ineffizienz im Wiener Gesundheitswesen. Sowohl 2018 als auch 2020 wurden jeweils von einem Drittel der Ärzteschaft sowie der Patientinnen und Patienten mangelnde Abstimmung und dadurch entstehende Ineffizienz im Wiener Gesundheitssystem bemängelt. "Ineffizienzen im Wiener Gesundheitswesen schaden dem Gesundheitsstandort Wien und binden Mittel, die besser in die Versorgung der Patientinnen und Patienten investiert werden sollten", so Ungar-Klein.

Politik soll bei Verbesserungen auf Ärzte hören

Die Studie brachte auch ein vielleicht überraschendes Detailergebnis: Demnach vertrauen die Patienten den Ärzten nicht nur in medizinischer Hinsicht, sondern auch mit Blick auf die notwendigen Investitionen in die Gesundheitsinfrastruktur. Zwei Drittel fordern, dass die Ärzteschaft federführend entscheiden soll, wohin Investitionen fließen sollen. Nur 13 Prozent wollen, dass Politiker über Investitionen in die Gesundheitsinfrastruktur entscheiden. "Das zeigt, dass Themen wie Qualitätssicherung in Spitälern und Ordinationen keinesfalls in die Hände der Politik und der Bürokratie gelegt werden sollten, sondern weiter unmittelbar von der Ärzteschaft aus gesteuert werden müssen", betont Szekeres.

"Massiv überfüllte Ambulanzen" bleiben Problem

In seiner volkswirtschaftlichen Analyse kommt Bernhard Felderer zu dem Schluss, dass Wien zwar "im Prinzip ein gutes Gesundheitssystem" habe, aber dennoch Mängel bestehen – sowohl in der Art der Finanzierung als auch in der Qualität der Eingriffe beziehungsweise der medizinischen Hilfe.

Ein nach wie vor ungelöstes Problem sieht er in den "massiv überfüllten Spitalsambulanzen": Aus volkswirtschaftlicher Sicht sei es gerade mit Blick auf die Krisenfestigkeit des Systems geboten, die Effizienzpotenziale des Gesundheitswesens zu heben, um die medizinische Versorgung einer alternden Gesellschaft bewältigen zu können. "Die Zukunft der Gesundheit erfordert mehr politische Ambition und die Mobilisierung aller verantwortlichen Akteure, um für Versorgungssicherheit und Effizienz zu sorgen", so Felderer.

Der gesamte Wiener Gesundheitsinfrastrukturreport 2020 ist ab sofort online abrufbar. 

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