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Südafrika ortet wegen Delta "verheerende Welle"

Während man sich hierzulande über niedrige Fallzahlen freut, lässt die Delta-Variante des Coronavirus die Fallzahlen in Südafrika rapide steigen.

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Dritte Covid-19-Welle in Südafrika: Die Spitäler stoßen bereits an ihre Kapazitätsgrenzen.
Dritte Covid-19-Welle in Südafrika: Die Spitäler stoßen bereits an ihre Kapazitätsgrenzen.
Reuters

Im Mai 2021 wurde die Delta-Variante des Coronavirus erstmals in Südafrika entdeckt. Kaum zwei Monate später ist sie dort der vorherrschende Virustyp. Mehr als die Hälfte der Neuinfektionen sind auf sie zurückzuführen. Und davon gibt es derzeit täglich so viele wie noch nie zuvor in der Pandemie. Am 3. Juli meldete das NICD, das Nationale Institut für übertragbare Krankheiten 26.485 Fälle innerhalb 24 Stunden – ein trauriger Rekord.

Seither sinken die Zahlen dank der vom südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa Ende Juni verschärften Maßnahmen wieder, allerdings bleiben sie zuletzt mit 12.513 auf einem hohen Niveau. Entsprechend mahnend äußert sich der Staatschef: "Wir haben zwei entscheidende Wellen überwunden, aber jetzt haben wir einen neuen Hügel zu erklimmen, eine große Herausforderung, ein massives Wiederaufflammen der Infektionen." Er sieht sein Land "im Griff einer verheerenden Welle". Tatsächlich kommen die Spitäler bereits an ihre Kapazitätsgrenzen und Operationen müssen verschoben werden, wie die dpa schreibt.

Katastrophale Lage im Epizentrum

Am schlimmsten von der dritten Welle betroffen ist erneut Gauteng, die bevölkerungsreichste und wirtschaftlich produktivste Provinz des Landes. Hier befinden sich die Hauptstadt Pretoria und die größte Stadt Südafrikas: Johannesburg. Insgesamt starben in Südafrika offiziell rund 66.500 Menschen im Zusammenhang mit dem Virus. Die Dunkelziffer aber wird deutlich höher eingeschätzt. Aufgrund der Übersterblichkeit liegt sie bei etwa 176.000, so das South African Medical Research Council.

Die aktuelle Lage in Gauteng bezeichnen einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als "katastrophal", heißt es bei Riffreporter.de (kostenpflichtiger Inhalt). Es herrsche "Chaos". Das Online-Magazin zitiert den Forscher Ridhwaan Suliman vom Forschungsinstitut "Council for Scientic and Industrial Research". Laut diesem müsse einer von vier Covid-19-Patienten intensivmedizinisch behandelt werden.

Kaum ein Prozent vollständig geimpft

Laut Experten ist die Situation auf das Zusammenkommen mehrerer Faktoren zurückzuführen. Da wäre die Delta-Mutante, die ansteckender ist als alle bisherigen Varianten. So konnte sie vielerorts die im Mai noch vorherrschende Beta-Variante B.1.351 verdrängen. Laut Zdf.de wurde Delta bei der Sequenzierung von Virusgenomen zuletzt in 97 Prozent der Proben nachgewiesen.

Hinzu kommt, dass Delta auf eine weitgehend ungeimpfte Bevölkerung trifft. Grund dafür ist die stockende Impfkampagne. Von den rund 58.5 Millionen Südafrikanern sind erst 0,81 Prozent bereits vollständig geimpft. 5,7 Prozent der Menschen in Südafrika hat zumindest eine Dosis erhalten. Damit hat die Mutante ein leichtes Spiel. Denn nur doppelt Geimpfte sind gut gegen sie geschützt.

Begünstigt wurde die Ausbreitung von Delta auch durch das Wetter: In der südlichen Hemisphäre ist zurzeit Winter. Eine weitere Ursache für den sprunghaften Anstieg der Fallzahlen nennt TheGuardian.com: Die Behörden in Südafrika hätten zu spät auf das Eintreffen der zuerst in Indien nachgewiesenen Variante reagiert: "Sie waren nicht in der Lage, ihre Ausbreitung einzudämmen. Erst nach einer massiven Infektionswelle, die das wirtschaftliche Zentrum des Landes heimsuchte, wurden neue Beschränkungen erlassen."

Halbherziger Lockdown

In der Tat wurden die Maßnahmen erst Ende Juni verschärft. Seither gilt wieder die zweithöchste Corona-Alarmstufe vier: Zusammenkünfte sind drinnen wie draußen untersagt. Eine Ausnahme gilt für Beerdigungen. Der Verkauf von Alkohol ist verboten. Restaurants dürfen Speisen nur noch zum Mitnehmen anbieten oder liefern. Die nächtliche Ausgangssperre wurde um eine Stunde verlängert. Offen sind dagegen weiterhin Industrie und Einzelhandel, wie die "Deutsche Welle" berichtet, "denn das Land kann sich einen harten Lockdown wirtschaftlich nicht leisten". Ob das reicht, um die dritte Welle in Südafrika in den Griff zu bekommen, sei fraglich.

Der amtierende Gesundheitsminister Mmamoloko Kubayi-Ngubane kündigte unterdessen an, dass die Auslieferung der Impfstoffe in den kommenden Wochen beschleunigt werde. Über 50-Jährige sowie Polizisten, Lehrer und Soldaten sollen priorisiert werden.

"Verhindern, dass aus Notfall eine Tragödie wird"
Die Delta-Variante lässt die Fallzahlen in ganz Afrika nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation nach oben schnellen. Tempo und Ausmaß der dritten Welle auf dem Kontinent seien mit nichts vergleichbar, "das wir vorher gesehen haben", sagte Matshidiso Moeti, WHO-Regionaldirektorin für Afrika. Allein zwischen Montag und Sonntag wurden auf dem Kontinent laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP täglich mehr als 36.000 Neuinfektionen nachgewiesen. Zum Vergleich: Mitte Mai waren auf dem gesamten Kontinent täglich nur 8.000 Neuinfektionen nachgewiesen worden. Die ungezügelte Ausbreitung ansteckenderer Varianten treibe die Bedrohung für Afrika auf eine ganz neue Ebene, erklärte Moeti. "Mehr Übertragung bedeutet gravierendere Erkrankungen und mehr Tote, also müssen alle jetzt handeln und Präventionsmaßnahmen verstärken, um zu verhindern, dass aus einem Notfall eine Tragödie wird."
Acht Impfstoffe stehen auf der Notfallzulassungs-Liste der WHO, aber die Lieferungen nach Afrika sind praktisch versiegt, so Guardian.com. "Solange die Lieferschwierigkeiten andauern, kann der Austausch von Dosen helfen, die Lücke zu schließen. Wir sind dankbar für die Zusagen unserer internationalen Partner, aber wir brauchen dringend Maßnahmen für die Zuteilung der Mittel. Afrika darf nicht in der bisher schlimmsten Welle stecken bleiben", so Moeti.
Bislang sind nur 15 Millionen Menschen – 1,2 Prozent der afrikanischen Bevölkerung – auf dem Kontinent vollständig geimpft.

Weitere Mutationen des Virus verhindern

Das Vorantreiben der Impfkampagne soll nicht nur helfen, die täglichen Neuinfektionen zu senken, sondern auch, dem Virus jede Möglichkeit zu nehmen, weiter zu mutieren, zitiert Zdf.de Richard Lessells vom Kwazulu-Natal Zentrum für Forschung, Innovation und Sequenzierung in Durban: "Wir wissen nicht, wie die nächste Variante aussehen wird und welche Eigenschaften sie haben wird. Es scheint, als seien wir immer noch bereit, es darauf ankommen zu lassen und noch etwas Ernsteres zu riskieren als diese Variante." Diese sei bereits "extrem gefährlich".

Dennoch kann Lessells der aktuellen Entwicklung etwas Positives abgewinnen: Die Delta-Mutante habe die Beta verdrängt, die vor allem wegen ihrer Escape-Mutationen gefürchtet war, die es dem Virus erleichtern, der Immunabwehr des Menschen zu entkommen und die Schutzwirkung deutlich zu reduzieren. "Das ist bei der Delta-Variante anders." Zwar reduziert sie den Impfschutz ebenfalls, wie erste Studien und Erfahrungen aus Israel zeigen. Aber nicht so stark wie die Beta-Mutante.

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