Österreich

Syrerin Rania (20) filmte ihre Flucht nach Wien

Dieses Video bewegt: Rania Mustafa Ali (20) filmte mit ihrer Kamera ihre Flucht aus den Ruinen von Kobane nach Österreich.

Heute Redaktion
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Von Schleppern betrogen, im Mittelmeer beinahe ertrunken, mit Tränengas und Schlägen an der mazedonischen Grenze attackiert, in einem AUA-Flugzeug gelandet: Was Rania Mustafa Ali auf ihrer Flucht erlebt hat, hat sie in einem Video dokumentiert. Die Szenen erschüttern und rütteln wach. Es ist ein Schicksal, das Hunderte Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa trifft.

Veröffentlicht wurden die Aufnahmen durch die britische Tageszeitung "The Guardian". Am Beginn des Videos schildert die 20-Jährige, wie sie aus Raqqa, der ehemaligen Hochburg der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS), in das völlig zerstörte Kobane floh. Die Szenen zeigen eine Ruinenstadt: "Ist es das, was der Islam ist? Bomben und Morde?", fragt sich Rania im Angesicht der Taten der Dschihadisten. Und: "Ich denke mir immer, dass das für den Rest der Welt ein Kriegsgebiet ist. Für uns ist es unser zuhause."

Zahnbürste und "Game of Thrones"

Sie fasst den Beschluss: "Ich muss nach Europa gelangen, bevor die Regelungen für Flüchtlinge geändert werden. Auch wenn das Meer furchterregend ist, das Leben hier ist furchterregender." Rania packt Kleidung und Handtücher, "Game of Thrones"-DVDs, ein paar Bücher, Zahnbürste und Notizblöcke sowie Fotos ihrer Mutter ein. Dann macht sie sich auf den Weg über die türkische Grenze. Rund 250 Euro zahlt sich Schleppern dafür – und landet in anlurfa (auch Urfa genannt) im Südosten der Türkei. Kurdisch will sie auf der Straße nicht sprechen, da dies "Probleme bereiten" könne.

Mit weiteren syrischen Flüchtlingen setzt sie ihre Flucht fort. Ihr Gepäck versucht Rania mit Plastiksäcken wasserdicht zu machen, denn sie will die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer wagen. Rania hat Angst, sie ist ihr ins Gesicht geschrieben. Die nächste Szene zeigt Rania auf einem Boot, das 15 Menschen halten kann. 52 befinden sich darauf, Männer, Frauen, kleine weinende Kinder. Die Schlepper haben die Menschen betrogen, das Boot beginnt zu sinken. Das Glück der Flüchtenden: Ein Schiff in der Nähe nimmt die Menschen auf.

"Menschen sterben hier"

Rania landet auf Lesbos, besorgt sich ein Fährenticket nach Athen und bezahlt 50 Euro pro Kopf für ein Busticket, um an die mazedonische Grenze zu kommen. Das Ticket bekommt sie nie, denn ein solches gibt es nicht, auch die Verkäufer haben sie betrogen. Über Umwege gelangt Rania doch zur Grenze. Sie weiß, dass sie geschlossen ist, aber in ihrer aussichtslosen Lage ist ihr das egal. Im Grenzgebiet findet sie ein Zeltlager im Schlamm vor, sie ist in Idomeni gelandet. "Menschen sterben hier", so Rania.

Zu Fuß macht sich Rania auf, um die Grenze dennoch zu überqueren. Im Flüchtlingslager geht das Gerücht um, dass Flüchtlinge abgeholt und in die Türkei abgeschoben werden. In der Gruppe sind Rollstuhlfahrer, die über den matschigen Boden gezerrt werden, Kinder, Beeinträchtigte und Schwache müssen über Flüsse getragen werden. Über die Grenze kommen sie, dahinter werden sie von der Polizei empfangen. Die Szenen zeigen, wie die Flüchtenden in Panik umdrehen, in den vorderen Reihen sollen Polizisten auf die Menschen einschlagen.

Wunder am Flughafen

Die Gruppe wird zurück auf die griechische Seite gedrängt. In der Nacht drängen die Menschen an den Grenzzaun, skandieren "Wir sterben hier!". Stunden vergehen, dann fliegen Tränengas-Granaten und Steine auf die Flüchtlingsgruppe, man sieht einen Mann mit blutenden Wunden, ein anderer ist zusammengebrochen. Tage vergehen, doch die Grenze bleibt zu, der geplante Weg über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien ist versperrt.

Im Mai 2016 können sich Rania und ihr Begleiter 7.000 Euro borgen. Helfer erklären ihnen, dass sie sich wie Touristen verhalten sollen, verhelfen ihnen zu gefälschten bulgarischen Pässen. Sie machen sich zurück auf den Weg nach Athen, um 15 Uhr soll ein Flugzeug nach Wien starten. Was Rania selbst bezweifelt, tritt jedoch ein: Ohne Probleme kann sie die Sicherheitskontrolle des Flughafens passieren.

Mit der AUA nach Wien

Die letzten Szenen zeigen Rania, wie sie durch eine Fluggastbrücke geht, erstmals kann sie lachen und wirkt erleichtert. Eine Flugbegleiterin begrüßt sie freundlich an Bord der Maschine – an der Außenhülle prangt das Logo der Austrian Airlines. Nach der Landung in Wien werden Rania und ihr Begleiter Ayman von der Polizei gefasst. Sie suchen um Asyl an. Ob sich ihr Traum von einer Zukunft in Österreich erfüllt, ist zumindest aus dem Video unklar.

"Heute" hat nachgeforscht: Ranias Asylantrag wurde mittlerweile positiv entschieden. Die 20-Jährige erhielt in Österreich "Asyl auf Zeit", was ein vorerst befristetes Aufenthaltsrecht auf drei Jahre bedeutet. Liegen nach diesen drei Jahren keine Voraussetzungen für die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens vor, bekommt Rania ein unbefristetes Aufenthaltsrecht.