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Krassnitzer: "Tattoo? Nein, aber ich hatte ein Flins...

Heute Redaktion
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Bild: ORF

"Die Faust" wird heftig geballt, der neue Austro-"Tatort" (14.1., 20.15 Uhr, ORF 2) überrascht mit viel Thrill, wenig Beiwerk – und bedeutungsschweren Tattoos. Der Talk:

Tätowierte, verstümmelte Leichen werden öffentlich spektakulär zur Schau gestellt – vermeintliche Ritualmorde, die letztlich doch politisch motiviert scheinen. "Die Faust" ist ganz harter Tobak – aber wie viel davon verträgt ein "Tatort" eigentlich? Wir haben bei Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer alias Ermittlerduo Bibi Fellner und Moritz Eisner nachgefragt.

"Die Faust" – darum geht's

Eine gewöhnliche Wohnungsbesichtigung nimmt eine überraschende Wendung: Die Maklerin stößt auf eine von Kerzen umgebene, ans Kreuz genagelte Männerleiche. Was zunächst wie ein Ritualmord aussieht, stellt die Wiener „Tatort"-Kommissare Moritz Eisner und Bibi Fellner vor ein Rätsel, denn der Täter hat alles unternommen, um die Identität des Opfers zu verschleiern. Als sich dann auch noch zwei Frauen melden, die beide beweisen können, den Toten gekannt zu haben, besteht kein Zweifel mehr: Das kann kein Zufallsopfer gewesen sein, und die auffällige Tätowierung könnte mehr bedeuten, als man auf den ersten Blick ahnt. Eine weitere Leiche scheint das Werk desselben Täters zu sein. Wieder ist der Tatort durch Hunderte DNA-Spuren verunreinigt und wieder ist das Opfer ein Phantom, denn Name und Ausweis sind gefälscht. Eisner und Fellner wird klar: Um festzustellen, wer hinter den Morden steckt, müssen sie zuerst die Identität der Opfer klären – ein Weg, der die beiden Kommissare in die Vergangenheit führt. Neben Krassnitzer und Neuhauser spielen in weiteren Rollen dieses 2017 in Wien gedrehten ORF-Krimis "Die Faust" u. a. auch diesmal wieder Hubert Kramar und Thomas Stipsits sowie Dominik Maringer, Sebastian Wimmer, Günter Franzmeier, Larissa Fuchs, Mišel Maticevic, Faris Rahoma, Erika Mottl, Ernst Konarek und Paul Matic. Für das Drehbuch zeichnet Mischa Zickler verantwortlich.

Noch mehr Austro-"Tatort": Während 2018 wieder drei neue Austro-"Tatorte" gedreht werden, steht neben "Die Faust" aber auch noch ein weiterer rot-weiß-roter Krimi auf dem On-Air-Dienstplan von Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser: Barbara Eders "Her mit der Marie" (AT: "Irgendwann ...") ist voraussichtlich im Herbst in ORF 2 zu sehen.

Interview über Körperkunst, Experimente und Mut

"Heute": Die Geschichte ist sehr deftig und im Endeffekt sehr politisch. Wie viel harten Tobak verträgt ein „Tatort" eigentlich, um noch gut zu unterhalten?

Neuhauser: Wenn es nicht um den Selbstzweck geht, um eine reißerische Story, dann sehr viel. Man muss mit diesen Themen halt sparsam umgehen. Was zeigt man, wie viel Blut soll fließen? Wir leben in einer eigenartigen Zeit und Welt. Und es ist schon die Aufgabe des Tatorts, solche Dinge anzusprechen.

Krassnitzer: Das ist auch eine Frage der Interpretation. Es gab schon extreme Ausreißer. Wir hanteln uns immer an so einer Grenze entlang. Aber du kannst beim Tatort keine seichte Geschichte erzählen.

"Heute": Kommen die Figuren Moritz und Bibi und ihre persönlichen Beg- und Talfahrten diesmal zu kurz?

Neuhauser: Ich vermisse diesbezüglich nichts. Man muss abwägen, welche Geschichte dringlicher ist. Auch wir als Figuren dienen der Story, und die verlangt in diesem Fall nach mehr Stille.

Krassnitzer: Ich habe eigentlich auch das Gefühl, dass Moritz und Bibi sehr präsent sind. Der Nebenstrang mit der Bewerbungsgeschichte (Bibi lässt sich in diesem Zusammenhang zum Satz "Er erfüllt alle Kriterien von einer Polizeikarriere: Keine Ahnung, keine Skrupel, keine Titten!" hinreißen, Anm.) ist sehr dicht. Aber es gibt eben Geschichten, die mehr Raum brauchen. Und wenn wir diese Geschichte erzählen und es auch von Ihnen so rezipiert wird, machen wir ja alles richtig. Das ist das Um und Auf eines Krimis.

"Heute": Herr Krassnitzer, sie lobten den ORF für „Mut zu heiklen Geschichten". Was meinen Sie da genau?

Krassnitzer: Mut bedeutet nicht Übermut. Es geht darum, zu erkennen, wann etwas richtig ist und wann nicht. Natürlich hatten wir auch schon Spinnereien, die wir dann wieder verworfen haben, weil sie einfach nicht glaubhaft waren oder schon fünf Mal erzählt wurde. Es bedarf eines gesunden Regulativs. Und des Muts, nicht ins Konventionelle abzurutschen.

"Heute": Es wird im Moment sehr gerne experimentiert. 2017 lief ein mit Laien besetzer "Tatort", 2018 folgt einer in Echtzeit, also ganz ohne Schnitt. Fühlen Sie sich davon unterhalten?

Neuhauser: Wenn es der Geschichte dient, sind die Möglichkeiten vielfältig, da schließe ich nichts aus. Wenn der Film die Dynamik braucht, kann es super sein. Ein Experiment, das nur den technischen Trick in die Medien bringen soll, macht keinen Sinn.

Krassnitzer: Manchmal stehen da simple Marketingüberlegungen im Vordergrund. Man könnte ja auffallen. Und wenn man drei Mal grandios damit scheitert, das hält das Genre schon aus. Das Medium TV ist ja dazu gemacht. Aber: Es gab bei der ARD letztes Jahr darüber schon sehr ernsthafte Diskussionen, wie das reguliert wird.

"Heute": Konkret: Ist für den Austro-Tatort ein Experiment geplant?

Krassnitzer: Nein, wir brauchen das nicht. Wir haben eine klare Linie. Wir wollen eine spannende Story erzählen. Den Wunsch, etwas von hinten nach vorne zu erzählen oder auf Schnitt zu verzichten, haben wir nicht. Damit wird das Rad ja auch nicht neu erfunden, ein Fassbinder hat sowas ja längst gemacht. Ich bin gespannt, ob's gelingt – nur den Wirbel im Vorfeld finde ich nicht gut. Am Ende brüllen dann entweder alle auf oder sie schreien „Sensation"!

"Heute": Mussten Sie schon einmal um eine Verlängerung zittern?

Neuhauser: Diese Branche ist sehr launisch. Man weiß nie, wem was wann einfällt. Im Moment sind wir ganz erfolgreich, sich deshalb zurückzulehnen, ist in diesem Beruf aber in jedem Fall kontraproduktiv

Krassnitzer: Wir haben Glück, es geht uns gut, die Frage stellt sich nicht. Aber: Wenn's abstürzen würde, gäbe es in der Branche eine ganz schnelle Entscheidung.

"Heute": Bibis Abgründe, die Alkoholsucht, liegen offen. Kennen Sie auch die von Moritz?

Krassnitzer: Er versteckt sie sehr gut. Aber sie sind da. Denn mit einem, der einer im Laufe der Jahre seine Dienstwaffe gezückt mehrfach Menschen getötet hat, passiert etwas. Dafür ist der Mensch nicht gemacht, das kennt man von Menschen im Krieg. Auch, wenn sie jahrelang schweigen, irgendwann muss das raus.



"Heute": Wie groß ist der Respekt vor echten Kriminalbeamten?


Krassnitzer: Sehr groß. Da sind so viele aufrechte und tolle Menschen mit außerordentlicher emotionaler Belastung. Und dafür kriegen sie ziemlich wenig Resonanz und oft auch Gehalt. Da brauchst du eine Seelenhygiene, sonst hältst du das nicht aus. Das bringt dich ans Limit. Und das ist die Wirklichkeit.



"Heute": Tattoos spielen in "Die Faust" eine wesentliche Rolle. Haben Sie welche?


Neuhauser: Nein. Aber mein Sohn macht so etwas sehr gerne und es kommt immer wieder was dazu. Ich habe erst kürzlich wieder sehr gestaunt.

Krassnitzer: Meinen Körper mit Kunstwerken zu schmücken, ist mir nie eingefallen. Aber mit 16 bekam ich ein Flinserl ins linke Ohr. Das Loch ist mittlerweile zugewachsen.

"Heute": Die Frage muss auch diesmal sein: Bleibt's weiter bei der Freundschaft wischen Moritz und Bibi?

Neuhauser: Bibi wird Moritz nicht heiraten. Darüber haben wir uns unterhalten, es bleibt dabei. Es ist möglich, eine gute Freundschaft zu haben, es muss nicht Liebe sein. Und necken tun sie sich ja eh immer.

Regisseur Christopher Schier: „Format ist Institution"

Mit seinem "Tatort"-Debüt "Wehrlos" erreichte Christopher Schier im vergangenen Frühjahr ein Riesenpublikum (ORF-Premiere: 23. April 2017 mit durchschnittlich 965.000 Zuseherinnen und Zusehern). Schier über seinen neuesten Austrokrimi: "Einen ,Tatort' zu drehen ist etwas ganz Besonderes, ein Geschenk. Dieses Format ist eine ,Institution' und es ist schön, einen Teil dazu beitragen zu dürfen. ,Die Faust' war mein zweiter österreichischer ,Tatort' und es hat sich – vereinfacht gesagt – wie Nach-Hause-Kommen angefühlt. Harald und Adele machen es einem Regisseur leicht, sich wohlzufühlen, und dadurch entsteht am Set eine tolle positive Energie. Natürlich ist es aber immer wieder eine Herausforderung, das geschriebene Wort in Bilder zu übersetzen, eine filmische Welt zu erschaffen und so die Geschichte zum Leben zu erwecken. Mir war es diesmal besonders wichtig, den doch recht düsteren Inhalt von ,Die Faust' atmosphärisch einzufangen. Ich kann mich nur bei meinem sensationellen Team bedanken."



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