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Teuerung – mit diesem Gehalt bist du armutsgefährdet

Der Ukraine-Krieg treibt die Preise in vielen Bereichen in die Höhe. 1,5 Millionen Menschen in Österreich gelten mittlerweile als armutsgefährdet.

Stefanie Riegler
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Für Menschen, die ohnehin armutsgefährdet sind, haben die Preissteigerungen dramatische Folgen.
Für Menschen, die ohnehin armutsgefährdet sind, haben die Preissteigerungen dramatische Folgen.
Getty Images/iStockphoto

Der Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie haben weitreichende wirtschaftliche Folgen für die Menschen in Österreich. Die Inflation liegt mittlerweile bei acht Prozent. Neben Strom, Gas und Mieten sind auch Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs empfindlich teurer geworden. Ein Drittel muss sich beim Einkauf deutlich einschränken, wie eine Studie der JKU unlängst herausfand, "Heute" berichtete.

Ein Drittel muss sich beim Einkauf einschränken

Mittlerweile gelten 1.519.000 Menschen der österreichischen Bevölkerung als armutsgefährdet. Konkret bedeutet das: Das Haushaltseinkommen dieser Personen liegt unter der sogenannten Armutsschwelle. Besonders betroffen sind laut Armutskonferenz Kinder, Frauen im Alter, AlleinerzieherInnen, Langzeitarbeitslose und Menschen ohne Staatsbürgerschaft.

Die Armutskonferenz ist ein Netzwerk von sozialen Organisationen, sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen mit dem Ziel, Armut zu bekämpfen. Zu den 44 Mitgliedern zählen u.a. die Caritas, die Diakonie, die Volkshilfe oder auch das Österreichische Rote Kreuz.

Grenze liegt bei 1.371 Euro im Monat 

Aktuell beträgt die Armutsgefährdungsschwelle (60 Prozent des Medianeinkommens) 1.371 Euro monatlich für einen Ein-Personen-Haushalt (12 Mal im Jahr). Vor zwei Jahren lag dieser Wert noch bei 1.286 Euro. Für Alleinerziehende mit einem Kind beträgt die Schwelle 1.783 Euro und für zwei Erwachsene in einem Haushalt 2.057 Euro. Eine vierköpfige Familie (zwei Erwachsene + zwei Kinder) gilt mit einem Einkommen von 2.880 Euro im Monat als armutsgefährdet.

Die oben genannten Daten stammen allerdings aus dem Jahr 2021. Die Zahlen für heuer werden erst ermittelt, somit sind die Auswirkungen des Ukraine-Krieges und die Inflation noch gar nicht einberechnet.

Weitere Faktoren berücksichtigen

"Als Einkommensarmutsgrenze werden in Österreich, wie in jedem Land der EU, jeweils 60 Prozent des mittleren Pro-Kopf-Haushaltseinkommens definiert. Diese Summe ist als Zwölftel des Jahreseinkommens zu verstehen, wobei 'Einkommen' wiederum das Netto-Einkommen meint. Es geht um das tatsächlich verfügbare Einkommen, inklusive aller Sozialleistungen nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsabgaben", erklärt Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie und Mitbegründer der Armutskonferenz gegenüber "Heute".

Martin Schenk ist Sozialexperte der Diakonie und Mitbegründer der Armutskonferenz
Martin Schenk ist Sozialexperte der Diakonie und Mitbegründer der Armutskonferenz
HANS PUNZ / APA / picturedesk.com

Dabei handelt es sich aber nur um einen Richtwert, um Armutsgefährdung zu definieren. Neben dem Einkommen müsse man auch die Lebenslage der Menschen berücksichtigen. So spielen laut Schenk noch weitere Indikatoren wie soziale und materielle Ausgrenzung oder Deprivation eine Rolle: "2,4 Prozent der österreichischen Bevölkerung (208.000 Menschen) sind 'erheblich materiell depriviert', darunter fallen Haushalte, die so ein geringes Einkommen haben, dass wesentliche Güter nicht leistbar sind, wie etwa eine Waschmaschine oder ein Handy." 

"Armut bedeutet immer einen Mangel an Möglichkeiten"

Auch Menschen, die aus finanziellen Gründen auf den Kaffee oder das Kino mit Freunden verzichten müssen oder nicht auf Urlaub fahren können, zählen dazu. "Armut bedeutet immer einen Mangel an Möglichkeiten. Wer von Armut betroffen ist, hat ein geringes Einkommen, schlechte Bildungschancen, ist häufiger krank und kann am gesellschaftlichen Leben nur eingeschränkt teilnehmen", so Schenk.

Fast ein Viertel aller Armuts- und Ausgrenzungsgefährdeten sind laut den Daten der Armutskonferenz Kinder (368.000 im Alter von 0-17 Jahren). Auch Alleinerziehende und Menschen mit Mindestpension und Langzeitarbeitslose sind massiv betroffen. "Es haben ja die wenigsten 1.300 Euro zur Verfügung. Die Sozialhilfe beträgt 900 Euro. Viele liegen darunter, was statistisch 'Armutslücke' genannt wird", erklärt der Sozialexperte weiter.

Für Menschen, die ohnehin armutsgefährdet sind, haben die Preissteigerungen dramatische Folgen. Wie aus Daten der Statistik Austria hervorgeht, stellten für rund 825.000 Menschen die Wohnkosten bereits Ende 2021 eine schwere finanzielle Belastung dar.

"Familienbeihilfe und Arbeitslosengeld seit 20 Jahren nicht angepasst"

Die Armutskonferenz fordert deshalb wirksame und nachhaltige Maßnahmen. "Familienbeihilfe, Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe sind seit 20 Jahren nicht der Inflation angepasst worden. Die Betroffenen sind gezwungen mit immer weniger auszukommen. Damit wir uns mit der Familienbeihilfe genauso viel kaufen könnten wie im Jahr 2000, müsste sie heute um rund 30 Prozent höher sein. Die Regierung könnte auch die Ausgleichszulage um 70 Euro zu erhöhen. Durch die Teuerung ist sie nur noch 960 Euro wert. Das ist eine Entwertung um 70 Euro", sagt Schenk.

    Die Inflation stieg im Mai auf acht Prozent.
    Die Inflation stieg im Mai auf acht Prozent.
    APA-Grafik / picturedesk.com

    Ein weiteres Hauptprobleme sei laut seinen Angaben das unleistbare Wohnen. "Die Wohnkosten steigen seit Jahren massiv an, besonders in den größeren Städten. Investitionen in den sozialen Wohnbau wären sinnvoll, da gibt es in vielen Teilen Österreichs noch großen Aufholbedarf."

    Einkommensabhängiger Ökobonus gefordert

    Weiters setzt sich die Armutskonferenz für einen einkommensabhängigen Ökobonus ein. Dieser könne den derzeit regional gestaffelten Klimabonus ersetzen oder ergänzen. Im derzeitigen Modell der Regierung würden einige Menschen stärker be- als entlastet werden. 

    Vanessa Lechinger von der Wirtschaftsuniversität Wien schlug unlängst bei einer Pressekonferenz ein Modell vor, in dem Personen bis zu einem Jahreseinkommen von 31.000 Euro jährlich 190 Euro erhalten, unabhängig von ihrem Wohnort. Übersteigt das Einkommen diese 31.000 Euro, soll der Bonus sukzessive sinken.

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