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Brezina: "Zeigefinger und Zynismus sind ein No-Go"

Heute Redaktion
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"Es soll uns nie schlechter gehen", meint Thomas Brezina – und macht sich über seine Piccata her. Wir haben in Hamburg mit ihm über Wortgewalt, Teletubbies und Betrug an Kindern gesprochen.

Im ganz großen Stil zu schreiben, kann vieles bedeuten. Die einen, Brezinas Kritiker, assoziieren damit einzig seinen gewaltigen Output (rund 550 Bücher in 25 Jahren). Die anderen, Millionen von Fans auf der ganzen Welt, bescheinigen seinen fantastischen Hirngespinsten nicht weniger als die Krönung ihrer eigenen Kindheit.

Gold- und Platin-Buch für neuen Bestseller

Am 13.3. bekommt der Knickerbocker-Banden-Papa für seinen neuen Bestseller „Alte Geister ruhen unsanft" (die Erstfassung der 417 Seiten-Fortsetzung für Erwachsene entstand in sieben Wochen!) das Gold- und Platin-Buch in Wien verliehen. Wir haben den Abenteurer im Geiste im Rahmen des Naturaufnahmen-Spektakels der BBC ("Planet Erde II – Live in concert") in Hamburg zum Interview gebeten – am 2.4. moderiert er die Veranstaltung in Wien. Ein Gespräch über Wortgewalt, Teletubbies und den Betrug an Kindern.

Interview mit Thomas Brezina

"Heute": Wie viele Werke haben Sie in den letzen Monaten signiert?

Thomas Brezina: Die kann ich nicht zählen. Bei Morawa konnten alle, die es nicht zu einer "Alte Geister ruhen unsanft"-Lesung schafften, signierte Bücher bestellen – allein da waren es 700 Widmungen an einem Abend. Danach hatte ich wirklich einen Tennisarm, der behandelt werden musste.

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"Heute": Gab es einen Moment des Zauderns, sich trotz des enormen Erfolgs auf dem Kinderbuch-Sektor überhaupt ins Terrain der Erwachsenen-Literatur zu wagen? Es ja schon etwas zu verlieren …



Brezina: Nachdem ich zwei Kapitel geschrieben habe, wurde ich unsicher, ob meine Fans von damals dieses Buch überhaupt lesen wollen. Also hab ich auf Facebook ein Video gepostet und nachgefragt. Das Echo war überwältigend.

"Heute": Ist der Grat, auf dem man bei der Nutzung von Social Media wandelt, nicht sehr schmal?

Brezina: Das, was ich via Social Media mache, ist eine andere Form des Geschichtenerzählens. Die Tatsache, dass sich meine Leser bei meiner Befragung so eingebracht haben, war der Anstoß für alles weitere. Zwar habe ich schon früher gepostet, allerdings sehr dosiert. Was ist dann passiert? Ich bin aus einem großen Zorn heraus angetreten, über die Tweets des Herrn Trump. Jeder Tag begann mit einer Boshaftigkeit, Gehässigkeit oder Gemeinheit dieser Person. Das wollte ich nicht mehr und habe begonnen, etwas ganz anderes zu machen. Ich wollte jeden Tag etwas Freudiges zu erzählen. Oder etwas Lustiges, oder einfach Nonsens.

"Heute": Wie reagieren Ihre Kritiker darauf?

Brezina: Man kann sich gerne über die Beiträge lustig machen, aber das tut ja nicht einmal jemand. Beleidigen lasse ich mich nicht, aber auch das passiert kaum. Wenn das 0,01 % meiner Community sind, ist das viel. Und das lösche ich. Ein buddhistischer Mönch hat gesagt: Das Messer in der Hand des Chirurgen heilt, das Messer in der Hand des Mörders tötet. Es ist aber in beiden Fällen ein Messer.

"Heute": Wie begegnen Ihnen Ihre Fans von damals heute?

Brezina: Mit großem Wohlwollen. Bei den Lesungen im Herbst haben sie friedlich gewartet. Am Boden sitzend und UNO spielend. Bei der Lesung in Innsbruck war aber so viel los, dass die Bude geschlossen werden musste.

"Heute": Am 13.3. wird Ihnen für "Alte Geister ruhen unsanft" bei Morawa in Wien das Gold- und Platin-Buch verliehen. Hat Sie dieser Erfolg in bisher unbekannten Gefilden etwas gelehrt, was Sie vorher nicht wussten?

Brezina: Ja, ich bin mit meiner Verantwortung so richtig bewusst geworden. Viele Leser haben mir ganz genau geschildert, wie sie in ihrer Kindheit Kraft und Mut aus meinen Geschichten geschöpft haben. Die "Knickerbocker"-Abenteuer habe ich in einem Schreibrausch verfasst. Ich habe nichts anderes gemacht, Tag und Nacht. Und mir war dabei nicht klar, wie sehr sie berühren. Das Feedback ist eine Auszeichnung für mich. Und der klare Auftrag, weiterzumachen.

"Heute": Wie viel Gewalt ist Kindern in Literatur und TV Ihrer Meinung zumutbar?

Brezina: Das ist eine sehr heikle Sache. Überall wird Gewalt geortet, "Tom und Jerry" ist ein gutes Beispiel dafür. Dabei wird aber eines völlig vergessen: die Wortgewalt. Hören Sie sich einmal die Dialoge im Kinder-TV an. Die Sprache haut einen oft um.

"Heute": Begegnen Sie Kindern in Ihren Abenteuern auf Augenhöhe?

Brezina: Ja, sie ernstzunehmen, war von Anfang an mein Weg. Da halte ich es mit Astrid Lindgren, eine großartige Schriftstellerin, die ich selbst mehrfach interviewen durfte und die unglaubliche Menschenliebe ausstrahlte. Sie meinte: "Wenn sich Erwachsene über die Köpfe der Kinder hinweg zuzwinkern, dann ist das Betrug an Kindern." Ja, Zynismus ist mir zuwider.

"Heute": Was ist aus Ihrer Weltanschauung heraus noch ein No-Go?

Brezina: Der erhobene Zeigefinger. Furchtbar. Warum diese Belehrung, warum dürfen Kinder nicht einfach nur unterhalten werden?

"Heute": Sie waren an der Entstehung von 40 TV-Formaten für Kinder beteiligt – gab's da ein Vorbild?

Brezina: Die beste Kindersendung aller Zeiten sind die "Teletubbies". Keine andere holt Kinder so punktgenau dort ab, wo sie sind. Die BBC wurde nach der ersten Ausstrahlung vernichtet – bis man die unglaublichen Quoten sah. Ich selbst arbeite sehr gerne mit Kreativen in London (Zweitwohnsitz von Brezina, Anm.). Da bekommt man höchste Qualität und höchstes Engagement.

"Heute": Wie gefallen Ihnen alte Serien wie "Wickie" oder "Nils Holgersson"?

Brezina: "Wickie" mag ich sehr gerne, auch "Peppa Wutz" finde ich gut.

"Heute": Sind Sie eigentlich ein Fan von Rolf Rüdiger? Ich meine die freche Ratte, die bis 2008 an der Seite von Confetti das ORF-Kinderprogramm aufmischte?

Brezina: Ich verstehe seinen Humor nicht wirklich. Ich denke auch, er richtet sich weniger an die Kinder, als an die Eltern.



"Heute": Googelt sich der meistgegoogelte Austro-Promi des Jahres 2017 manchmal auch selbst?



Brezina: Nie, nie. Und nichts auf der Welt hätte mich mehr erstaunen können, als dieses Ergebnis.

"Heute": Etwas, das Ihnen kürzlich viel Freude bereitet hat?

Brezina: Dass mein Hund Yoppy (hat 4.000 Instagram-Fans, Anm.) bis 5.45 Uhr geschlafen hat und mich nicht schon um 4 aufgeweckt hat, um raus zu gehen. Er ist so entzückend! In der Früh darf er dann immer noch eine halbe Stunde zu mir ins Bett.

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Die Welt von Thomas Brezina