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"Those Who Remain" im Test: Psycho-Horror mit Tiefgang

Mit "Those Who Remain" bringt Wired Productions einen storylastigen Psychothriller auf PC und Konsolen. Das Spiel überrascht mit Tiefgang.

Rene Findenig
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    "Those Who Remain" lebt von seiner mysteriösen Geschichte, die leicht an einen Mix aus "Silent Hill" und "Alan Wake" erinnert.
    "Those Who Remain" lebt von seiner mysteriösen Geschichte, die leicht an einen Mix aus "Silent Hill" und "Alan Wake" erinnert.
    Wired Productions

    Die Anfangssequenz von "Those Who Remain" ist so etwas wie eine Täuschung. Sie stellt uns einen Mann vor, in dessen Haut wir schlüpfen und der verzweifelter nicht sein könnte - bis sich eine mysteriöse Frau beim ihm meldet und er zu ihr eilen soll. Dass es sich hier um kein "Resident Evil 7" mit ähnlichem Start handelt, ist sofort klar, denn die etwas verschwommene Grafik sowie die folgenden sehr beschränkten Steuerungsmöglichkeiten schreien sofort: "Walking Simulator!"

    Dass "Those Who Remain" aber mehr zu bieten halt als gescriptete Events und das Herumgehen sowie Entdecken in einer Spielwelt, zeigt sich erst im Verlauf des rund sieben Stunden langen Spiels. Zwar bleibt es beim Großteil des Spiels tatsächlich beim Erforschen der Spielwelt und dem Erkunden von teils gruseligen Orten, dazu gesellen sich aber Geschichten mit Tiefgang sowie einige knifflige Rätsel und Fluchtpassagen, die den Puls in die Höhe treiben.

    Beim Test zeigt sich auch schnell, dass die Steuerung sehr simpel ausgefallen ist: Mit einer Taste wechselt man vom Gehen zum Rennen, mit einer untersucht man Fundstücke und mit einer kann man Gegenstände werfen. Mehr braucht es an Handlungsmöglichkeiten in dem Spiel auch nicht. "Those Who Remain" lebt vielmehr von seiner mysteriösen Geschichte, die leicht an einen Mix aus "Silent Hill" und "Alan Wake" erinnert.

    In der Dunkelheit lauert Gefahr

    Statt der gesuchten Frau nämlich finden wir eine seltsame Dunkelheit und müssen versuchen, die unheimlichen Gestalten mit Lichtern in der Umgebung oder Glühbirnen in Gebäuden fernzuhalten. Gelingt uns das nicht, verschwimmt erst die Sicht des Protagonisten - gespielt wird in der Egoperspektive - immer mehr, bis der schwarze Bildschirm schließlich den Tod der Spielfigur anzeigt. Richten wir dagegen Licht direkt auf die Kreaturen, verschwinden sie. Und ständig sind wir uns sicher: Das alles muss einen tieferen Sinn haben, den wir einfach noch nicht erkennen können.

    An was es dem Spiel etwas mangelt, ist, dass die teils extrem hohe Spannung nicht in allen Bereichen aufrechterhalten werden kann. Einerseits sorgen Zufallselemente bei Fluchtpassagen vor Angreifern wie einer sich seltsam bewegenden Frau für Frust, denn umherfliegende Tische und von Geisterhand bewegte Tische kann der Spieler nicht vorherahnen und läuft dementsprechend in mehr als einer Passage mehrmals in den Tod, bis man die Bewegungen der Objekte auswendig gelernt hat. Andererseits sind die in der Dunkelheit wartenden Monster mit den glühenden Augen zwar unheimlich, tun aber letztlich nichts anderes als abwarten, bis man ihnen zu nahe kommt.

    Nette Rätsel mit Querdenkeinlagen

    Bei den Rätseln wiederum ist die Abwechslung besser. In einigen Fällen geht es darum, in versperrte Bereiche einzudringen, um einen Schalter zu suchen, der Lampen in einem später betretbaren Bereich aufflackern lässt. Kniffliger und zum Grübeln wird es aber, wenn ein Schalter nicht funktioniert und man erst einmal Sicherungen für den Sicherungskasten besorgen oder gar den entfernten Generator anschmeißen muss, damit der Strom in die Leuchten fließt. Hier glänzt "Those Who Remain", nicht nur weil die Rätsel immer äußerst logisch sind.

    Spaß macht das Rätseln auch, weil man dazu Häuser wie Motels oder Feuerwachen und Polizeistationen durchsuchen muss, in denen nicht nur eine ähnlich dichte Atmosphäre wie in "P.T." herrscht, sondern die auch vollkommen realistisch mit allen zu erwartenenden Räumen und Einrichtungsgegenständen aufgebaut sind. In den Objekten sind auch zahlreiche Notizen und Gegenstände zu finden, die die Geschehnisse mit kommentierter Sprachausgabe um Hintergrundgeschichten in Untertitelform ergänzen. Das Lesen lohnt sich, hier bekommt man Spannendes vorgesetzt.

    Wenige Gegner und einige Fehler

    Trotz solider Machart finden sich in "Those Who Remain" auch einige Kritikpunkte. Grafisch stören Fehler da eher weniger, über die groben Charaktere und einige Fehler bei Lichteffekten sieht man aufgrund der Atmosphäre gerne hinweg. Mehr stört, dass in Sachen Gegner-Design viel Potenzial verschenkt wurde. Der Großteil der Feinde wirkt nämlich wie Pappaufsteller, die sich erst aktivieren, wenn man in ihre Nähe kommt. Dazu kommt eine manchmal ungewollt komisch wirkende Sprachausgabe, wenn der Protagonist zum x-ten Mal vergisst, wo er etwa sein Feuerzeug verloren hat und dies lautstark kundttut, um den Spieler zum Einsatz desselben zu bewegen.

    Unheimliche Begegnung: Beim Zusammentreffen mit Kreaturen geht der Puls in die Höhe.
    Unheimliche Begegnung: Beim Zusammentreffen mit Kreaturen geht der Puls in die Höhe.
    Wired Productions

    Dennoch, das Positive überwiegt und im Verlauf des Spiels offenbart "Those Who Remain" auch eine interessante Mechanik, die für einen Wiederspielwert des ansonsten recht kurzen Titels sorgt. Ins Spiel kommt nämlich der unaufgeklärte Mord an einem Mädchen, bei dem uns eine mysteriöse Gestalt immer wieder Beweise und Verdächtige präsentiert, die in die Tat verwickelt sein könnten oder sie vertuscht haben. Der Spieler bekommt dabei die Möglichkeit, den Beteiligten entweder zu vergeben oder sie zu verdammen, was auch zu unterschiedlichen Enden des Spiels führt.

    Psycho-Horror mit Tiefgang

    Spektakulär sind auch seltsame Portale, die uns in eine Art Parallelwelt entführen. Betreten wir in einem mit Gang mit schöner Einrichtung und Parkettboden ein solches Portal, sind wir zwar in derselben Umgebung, der Gang ist aber auf einmal mit Pflanzen überwuchert, alles wirkt extrem gealtert und in manchen albtraumhaften Passagen greifen übergroße Arme aus den Wänden nach dem Spieler. Die Parallelwelten sind aber nicht nur geschickt gemachte Ablenkung, sondern lassen uns auch Dinge und Kreaturen sehen oder Räume betreten, die in der "realen" Welt nicht sichtbar oder betretbar sind.

    "Those Who Remain" ist wie "The Suicide of Rachel Foster" oder "What Remains of Edith Finch" ein gutes Beispiel dafür, dass "Walking Simulator" weder fad, noch langatmig sein müssen. Die Handlung ist gut durchdacht und die dichte Atmosphäre entschädigt für den einen oder anderen technischen Schnitzer. Einzig beim Gegner-Design hätte man sich mehr gewünscht. Wer aber auf der Suche nach einem richtig starken Horror- und Mystery-Game ist, der hat mit "Those Who Remain" ein sehr empfehlenswertes Spiel für PlayStation 4, Xbox One und PC gefunden.

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