Haustiere

Expertin erklärt, wie es zur Attacke kommen konnte

Der jüngste Vorfall aus Oberösterreich erschüttert Hundehalter im ganzen Land. Hunde-Verhaltensberaterin Sandra Schramek versucht eine Erklärung.

Christine Kaltenecker
"Elmo" (links") war der Deckrüde des Zwingers "ofhopefulsoul". Er wurde eingeschläfert. Neben ihm sitzen "Cookie" mit Tochter "Peanut".
"Elmo" (links") war der Deckrüde des Zwingers "ofhopefulsoul". Er wurde eingeschläfert. Neben ihm sitzen "Cookie" mit Tochter "Peanut".
©Facebook, Screenshot

Der 2. Oktober 2023 wird als ein besonders schwarzer Tag in Erinnerung bleiben: Ein American Staffordshire Terrier verbiss sich in eine 60-jährige Spaziergängerin aus Oberösterreich und tötete die Frau an einem Feldweg. Der Vierbeiner wurde inzwischen eingeschläfert. Das Tier war nach "Heute"-Infos zuvor nicht auffällig geworden, es handelt sich bei dem Terrier um einen 30 Kilogramm schweren Deckrüden mit dem Zwingernamen "Always remember of hopeful soul", kurz "Elmo", der im Familienverband seiner Pflicht nach wesenssicheren Welpen nachging und mehrere Preise in Hundeshows einheimste. Nach der unfassbaren Todesattacke sind Hundetrainer, Hundebesitzer aber auch Hundeliebhaber im ganzen Land erschüttert und fragen sich nach dem "Warum".

Alle Fotos - hier attackierte der Kampfhund die Joggerin

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    Auf diesem Feldweg im Ortsteil Sebern in Naarn im Mühlviertel kam es zu der Attacke.
    Auf diesem Feldweg im Ortsteil Sebern in Naarn im Mühlviertel kam es zu der Attacke.
    Mike Wolf

    Verhaltensberaterin und Problemhundetrainerin Sandra Schramek kann hier auch "nur" mutmaßen, jedoch steht eines fest: Kein Hund steht plötzlich morgens auf und nimmt sich vor einen Menschen zu töten. "Heute" hat mit der Hundeexpertin gesprochen.

    Liebe Sandra, was sagen Sie als Expertin zu den jüngsten Ereignissen in Oberösterreich?

    Ich bin erschüttert. Erschüttert und unfassbar traurig, dass so etwas passiert ist und habe großes Mitgefühl für Familie und Angehörige des Opfers, aber auch für die Hundehalterin. Meiner Meinung nach, auch wenn ich den Hund, die Umstände und auch die Besitzer nicht kenne, war dieser Vorfall offenbar nicht vorhersehbar.

    Sie waren auch sehr viele Jahre Tierpflegerin im Tierschutzhaus Vösendorf und täglich mit sogenannten "Listenhunden" konfrontiert. Muss man sich wirklich vor dieser Rasse fürchten?

    Definitiv nicht. Ich habe diese Rasse und auch andere Listenhunde nie als "gefährlich" eingestuft. Schäferhunde und auch "Wadlbeisser" und flößten mir immer mehr Respekt ein als ein Amstaff & Co. Neun von zehn Beißvorfälle im Tierheim kamen nicht von Listenhunden.

    Landen diese Hunde aufgrund von Angst eigentlich im Tierheim?

    Nein. Der eigentliche Grund war der Hundeführschein, der mit teilweise sehr unrealistischen Auflagen verbunden ist.

    Der Vorfall in Naarn stärkt nicht gerade das gute Image dieser Rassen. Was sagen Sie "Kollegen", die der Meinung sind, es handle sich um genetische Tötungsmaschinen?

    Ein Hund, der auffällig ist, betrifft nicht die gesamte Hundepopulation. Ein höheres Gefährdungspotenzial kann nicht von der Hunderasse abhängig gemacht werden. Theoretisch kann ich aus jedem Hund eine Kampfmaschine machen und die Listen widersprechen jeder wissenschaftlichen und statistischen Grundlage. Es gibt kein "Killer-Gen". Es gibt Hunde mit ausgeprägterem Trieb oder kürzerer "Zündschnur", aber dazu zählen Amstaff, Rottweiler & Co überhaupt nicht. American Staffordshire Terrier wurden ursprünglich als "Nanny-Dogs" gezüchtet, weil sie so geduldig sind.

    Später wurde die Rasse zur Rattenjagd missbraucht und noch ein bisschen später für Hundekämpfe. War dies also die Entscheidung des Hundes? Ich glaube nicht ...

    Sind Sie der Meinung, dass eine vermutlich noch "unvollständige" Berichterstattung mehr schadet als nützt?

    Leider ja. Sie wirft uns Lichtjahre in der Aufklärung zu den diversen "Kampfhunderassen" zurück. Kein Hund ist ein Killer und wir betreiben eigentlich nichts anderes als Rassismus.

    Sind Sie davon überzeugt, dass es einen Auslöser gegeben haben muss, wenn ein völlig unauffälliges Tier plötzlich tötet?

    Ja. Es kann in jegliche Richtung gehen. Gesundheitliche Probleme wie ein Gehirntumor oder ein Schmerzreiz, den der Hund mit der 60-jährigen Nachbarin verbunden hat. Ein Vorfall in der Prägephase des Hundes, der plötzlich wieder durch irgendetwas hochkam. Genetische Probleme schließe ich fast aus, da der Hund sonst mit Sicherheit schon innerhalb der ersten Jahre auffällig geworden wäre.

    "Elmo" war ein Deckrüde, wie wir wissen, und hat vermutlich für Nachwuchs gesorgt. Müssen sich hier die Halter von Töchtern und Söhnen des Hundes Sorgen machen, oder gar auch an eine Einschläferung denken?

    Niemals. Es gibt keine Sippenhaftung - auch nicht bei Hunden. Stellen Sie sich vor, Ihr Bruder bringt jemanden um, dann gehen doch auch nicht Sie ins Gefängnis, oder? So sollte es auch mit den Verwandten von "Elmo" gehandhabt werden.

    Sollte man die Verwandschaft des Hundes aber trotzem im Auge behalten?

    Ja und nein. Ja dazu, den eigenen Hund immer gut zu beobachten um ihn besser einschätzen zu können - egal welche Rasse und nein, weil "Elmos" Kinder oder Geschwister nicht dafür büßen sollten.

    Tierheime fürchten sich aufgrund des Vorfalls extrem vor einer erneuten Flut an Listenhunden. Wie könnte man das verhindern?

    Das Wichtigste ist Schulung und Aufklärung. Logische und auch realistische Einschätzung der eigenen Bedürfnisse und auch Grenzen. Warum haben 40 Kilogramm Menschen einen Hund mit 60 Kilos an der Leine? Ein Hund ist der beste Freund, aber ein Tier mit Instinkten, dem wir leider nicht immer gut genug zuhören und der uns nicht immer sagen kann, wo es zwickt.

    Wenn ich einen Wunsch äußern dürfte, dann wäre dies wohl, dass Politiker und Journalisten keine Polemik bezüglich der Hunderassen betreiben und den Rassenhass schüren. Im Jahr 2022 wurden 168 Hundebisse angezeigt - doch lesen tut man nur von den Kampfhunden.