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Tiktok bremst Videos von dicken Nutzern aus

Moderatoren der App Tiktok wurden angewiesen, die Reichweite von "Besonderen Nutzern" zu regulieren. Die Empörung darüber ist groß.

Heute Redaktion
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Kritik an Tiktok. Der Grund: Die App hat Moderatoren dazu angewiesen, Videos von Menschen mit Beeinträchtigung, dicken Menschen und Nutzern aus der LGBTQ-Szene in ihrer Reichweite einzuschränken.
Kritik an Tiktok. Der Grund: Die App hat Moderatoren dazu angewiesen, Videos von Menschen mit Beeinträchtigung, dicken Menschen und Nutzern aus der LGBTQ-Szene in ihrer Reichweite einzuschränken.
Bild: 20 Minuten

Die Videoplattform Tiktok hat ungewöhnliche Maßnahmen ergriffen, um Menschen mit Beeinträchtigungen vor Mobbing zu schützen. Laut Recherchen des Onlineportals Netzpolitik.org, hat Tiktok seine Moderatoren in "internen Moderationsregeln" dazu angehalten, Videos von Menschen mit Behinderung in ihrer Reichweite einzuschränken. Laut dem Bericht handelt es sich dabei um Nutzer, bei denen man "auf Basis physischer oder mentaler Verfassung" davon ausgehen muss, dass sie zur Zielscheibe werden.

Dafür sollten die Moderatoren den jeweiligen Content als "Risk 4" markieren. Dies hat zur Folge, dass das Video nur im eigenen Land verfügbar ist und so die Reichweite auf der App massiv eingeschränkt wird. In besonders gravierenden Fällen würde zudem die Möglichkeit bestehen, eine automatische Deckelung einzurichten. Das bedeutet: Wenn die Videos eine bestimmte Publikumsgröße überschreiten, werden sie automatisch nicht mehr im algorithmisch zusammengestellten For-You-Feed angezeigt.

"Das ist diskriminierend und unmenschlich"

Als Nutzer, für die diese Regelung angewendet werden kann, werden folgende Punkte aufgezählt: "entstelltes Gesicht", "Autismus" und "Down-Syndrom". Doch laut einer Quelle des Portals sollen auch Personen aus der LGBTQ-Szene oder dicke Menschen auf der Liste von "Besonderen Nutzern" gelandet sein. Insgesamt soll es 24 Accounts betreffen.

Einer von ihnen soll der 21-jährigen Annika gehören. Die Erzieherin postet unter ihrem Tiktok-Namen "miss_anni21" vor allem Tanzvideos. Darunter schreibt sie unter anderem #fatwoman. Dies reicht offenbar, um ihre Videos einzuschränken. Von Netzpolitik.org auf die Drosselung angesprochen, zeigt sich die junge Frau empört: "Ich finde das krass und diskriminierend, dass Menschen so herabgestuft werden. Das ist unmenschlich."

"Wir brauchen Leute, die 'anders' sind"

Diese Meinung teilt auch die Schweizer Body-Positivity Bloggerin Morena Diaz. "Ich verstehe zwar den Grundgedanken, die Menschen schützen zu wollen, aber ich finde es eher kontraproduktiv." Dass Tiktok den Nutzern ihre Stimme und Message wegnehmen, sei für sie unverständlich. "Es ist eher zwei Schritte zurück, als ein Gang in die richtige Richtung", so Diaz. Laut der Primarschullehrerin kann man die Bevölkerung nur sensibilisieren, wenn man solchen Nutzern den nötigen Platz einräumt. "Wir brauchen Leute die sagen, dass es okay ist, 'anders' zu sein."

Auch Inklusionsverbänden stößt das Vorgehen von Tiktok sauer auf. Mehrere Aktivisten im deutschsprachigen Raum kritisieren, dass die App Menschen mit Behinderungen nicht vollumfänglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben lässt.

Auf Anfrage von Netzpolitik.org erklärte eine Sprecherin der App, dass dieser Ansatz nie als langfristige Lösung gedacht war. Die Regelungen seien inzwischen durch "neue, nuancierte Regeln" ersetzt worden. Wann dies aufgehoben wurde, ist unklar. Die oben genannten Regelungen sollen aber bis mindestens September diesen Jahres gültig gewesen sein.