Österreich

Todesschuss in Krems: Zweifel an Beamten-Aussage

Heute Redaktion
Teilen

Neue Zweifel am gerechtfertigten Waffengebrauch im Fall des von der Polizei in einem Kremser Supermarkt erschossenen mutmaßlichen Einbrechers: Zwei Gutachten belasten jenen Beamten schwer, der den tödlichen Schuss auf Florian P. (14) abgegeben hat.

Die schriftlichen Gutachten des Gerichtsmediziners Christian Reiter und des Schießsachverständigen Ingo Wieser legen nahe, dass der tödliche Schuss zu einem Zeitpunkt fiel, als eine - wenn überhaupt je gegebene - Gefahr für die Beamten längst gebannt war.

Gutachter: So lief die Tatnacht ab

Anhand der in der Vorwoche der Staatsanwaltschaft Korneuburg vorgelegten Sachverständigen-Expertisen lässt sich der wahrscheinliche Ablauf dessen rekonstruieren, was sich in der Nacht auf den 5. August 2009 in dem Supermarkt abspielte, in den Florian P. (14) und Roland T. (17) zu später Stunde eingedrungen sein dürften.

Die Jugendlichen hatten sich demzufolge in der Nische eines zehn Meter langen und drei Meter breiten, dunklen Ganges versteckt, als sie bemerkten, dass die Polizei und ein Mitarbeiter des Supermarktes aufgrund eines ausgelösten Alarms eingetroffen waren.

Die beteiligte Polizistin hatte bei der Tatortrekonstruktion behauptet, ihr wären zwei Männer gegenüber gestanden, die sie "vermutlich mit einem Messer oder einer Hacke" bedroht hätten. Laut Gutachten hatte Florian P. eine Gartenharke und sein Freund einen Schraubenschlüssel eingesteckt.

Warnschuss

Zuerst gab der Polizist, den Ausführungen des Schießsachverständigen zufolge, einen Warnschuss über dem Kopf ab. Die Polizistin betätigte darauf ebenfalls ihre Dienstwaffe, die den 17-Jährigen aus einer Entfernung von sieben Metern traf. Das Projektil durchschlug dem Jugendlichen in einer Höhe von 70 Zentimeter beide Oberschenkel.

Der 17-Jährige konnte noch ein paar Schritte in den Verkaufsraum laufen, wo er zusammenbrach. Neben ihm rannte Florian P. in den Verkaufsraum, in dem er sich am Ende einer Palette duckte und verstecken wollte. Laut Gutachten war der Raum gut beleuchtet.

Wieser: Tödlicher Schuss "aus stehender Position"

Zunächst trat nur der Polizist in den Verkaufsraum. Er hatte erklärt, er habe sich hingekniet und aus einer Entfernung von viereinhalb bis sechseinhalb Metern auf Florian P. geschossen, weil ihm dieser aggressiv erschienen sei. Dem Schießsachverständigen Ingo Wieser zufolge habe "der Beschuldigte den Schuss aus einer stehenden Position abgegeben", wobei "die Entfernung auf circa 180 Zentimeter bis 200 Zentimeter einzugrenzen ist".

Dem Burschen drang das Projektil in den Rücken, er hatte keine Überlebenschance. Der Polizist hatte beim Lokalaugenschein angegeben, er habe auf die Füße des Burschen gezielt, doch wäre er von einem Geräusch abgelenkt worden und habe sich zur Seite gedreht.

Die Staatsanwaltschaft Korneuburg will den Beamten nun ein weiteres Mal einvernehmen.