In Melbourne ist eine Frau wegen der tödlichen Folgen der Zwangsverheiratung ihrer Tochter zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Der Ehemann hatte die 21-Jährige nur fünf Monate nach der Hochzeit ermordet und verbüßt dafür eine lebenslange Haftstrafe.
Die zuständige Richterin Fran Dalziel erklärte, dass die 48-jährige Angeklagte Sakina J. zwar den Tod ihrer Tochter Ruqia betrauere, aber keinerlei Reue für ihr Vergehen an sich gezeigt habe. "Sie haben Ihre Macht als Mutter missbraucht, als die Person, mit der ihre Tochter lebte und die sie respektierte."
Laut der australischen Nachrichtenagentur AAP handelt es sich um das erste derartige Urteil in Australien, seit Zwangsverheiratungen 2013 per Gesetz zur Straftat erklärt wurden. Sakina J. war mit ihren fünf Kindern im selben Jahr auf der Flucht vor den Taliban ins Land gekommen.
Die gebürtige Afghanin könnte nach Verbüßung ihrer Strafe auch in die Heimat abgeschoben werden, hieß es in dem Urteil. Dem Gericht zufolge hatte sie im Jahr 2019 ihre damals 20-jährige Tochter Ruqia zu der Heirat gedrängt, nachdem deren erste Ehe nach zwei Jahren geschieden worden war. Zum Zeitpunkt der Hochzeit war Ruqia gerade mal 15 Jahre alt. Mit der arrangierten zweiten Ehe wollte die Mutter den Ruf ihrer Familie wiederherstellen, der nach der Scheidung ramponiert war.
Gerichtsunterlagen zufolge soll die junge Frau ihren Freunden, Lehrern und Fahrlehrern gesagt haben, dass sie den 26 Jahre alten Mohammed H. nicht heiraten und sich stattdessen auf ihr Studium konzentrieren wolle. Sie soll ihre Mutter angefleht haben, die Verlobung wieder zu lösen – aber ohne Erfolg.
Die Richterin räumte ein, dass die Angeklagte mit kulturellen Erwartungen ihrer Gemeinschaft konfrontiert gewesen sei – jedoch verbiete ihr das Gesetz, diese als mildernden Umstand zu berücksichtigen. "Jedem in unserem Land muss klargemacht werden, dass Zwangsheirat gegen das Gesetz verstößt", betonte Dalziel. Medienberichten zufolge soll die Verurteilte im Gerichtssaal geweint und geschrien haben. Über einen Übersetzer ließ Sakina J. demnach erklären, sie habe nichts falsch gemacht und könne das Urteil nicht anerkennen.
Nach australischem Recht kann die Frau nach einem Jahr Haft wieder freikommen. Dafür muss sie eine Kaution hinterlegen und sich verpflichten, für den Rest der Haftzeit keine Straftat mehr zu begehen.