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Traumhafte Leichtigkeit der 1. (schwulen) Liebe

Große Gefühle ohne großes Tamtam. Oscarfavorit "Call Me By Your Name" stimuliert das Hirn und bringt das Herz zum Singen.

Heute Redaktion
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Ein Sommer in Italien, wie man ihn sich in seinen Träumen vorstellt: In der Hitze unter schattigen Bäumen bei einem Gläschen Wein schmausen; Jugendliche, die in idyllischen Badeseen planschen und sich verlieben; Radtouren durch die norditalienische Idylle und laue Nächte bei Musik und angeregten Gesprächen.

Oliver (Armie Hammer) wird von Mr. Perlman, einem Archäologieprofessor (Michael Stuhlbarg) 1983 nach Italien in dessen Sommerdomizil, einer Villa aus dem 17. Jahrhundert, eingeladen. Dort soll er ihn als wissenschaftlichen Mitarbeiter bei dessen Arbeit unterstützen, im Gegenzug wird er von der Familie mit offenen Armen aufgenommen und darf in den heißen Monaten das süße Leben genießen.

Für den 17-jährigen Sohn der Familie, Elio (Timothée Chalamet), ist Oliver eine Abwechslung in den langen Monaten zwischen Langeweile, ersten sexuellen Erfahrungen mit Mädchen und seinen hochgeistigen Hobbies. Von Anfang an ist er vom mit 24 Jahren weit älteren Zimmernachbarn beeindruckt. Elio gibt sich cool und unnahbar, doch lange dauert es nicht, bis sich die beiden näher kommen.

Traumgleich, bittersüß und wunderschön

"Call Me By Your Name" erklärt Stimmungen nicht, der Film lässt sie beim Zuschauen entstehen. Ohne viel Action oder Drama und ohne wilde Plotttwists entwickelt sich die Geschichte wie ein zartes Pflänzchen, wie die erste bittersüße Liebe zwischen Elio und Oliver, um am Ende so stark zu sein, dass sie noch nachwirkt und von innen wärmt, nachdem man den Kinosaal schon längst verlassen hat.

Der Coming-of-Age-Film braucht keinen Holzhammer, um Drama zu transportieren, keinen Yoda, um weise zu sein. Die Sexszenen sind explizit, ohne so viel zu zeigen - und sie sind auch nicht das Wichtigste, sondern die "schönste Nebensache" des Films.

132 Minuten und trotzdem nicht fad

Ein exzellenter Cast und ein perfekt passender, Oscar-nominierter Soundtrack (siehe Video oben) verleihen "Call Me By Your Name" eine traumhafte Leichtigkeit. Der beste Beweis, dass der Film schafft, was er versucht, ist, dass keine Langeweile aufkommt obwohl er 132 Minuten dauert.

10 Minuten Standing Ovations bei Sundance-Premiere

Der Streifen spielte bereits vor seinem Kinostart in Österreich ein Vielfaches seiner Produktionskosten von 3,5 Millionen ein. Bei seiner Premiere am Sundance Film Festival bekam er 10 Minuten lang Standing Ovations.

Elio ist jüngster Oscarnominierter seit 80 Jahren

"Call Me By Your Name" wurde in den Kategorien Bester Film, Bester Hauptdarsteller, Bestes adaptiertes Drehbuch und Bester Originalsong ("Mystery of Love") für Oscars nominiert. Timothée Chalamet (Elio) ist der jüngste Oscar-Nominierte für die männliche Hauptrolle seit 1939.

"Call Me By Your Name" läuft am 1.3. in den österreichischen Kinos an. (lam)