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Tschechen-Parlament beschloss Selbstautlösung

Heute Redaktion
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Bild: Petr David Josek (AP)

Das tschechische Abgeordnetenhaus hat am Dienstag für seine Selbstauflösung votiert und damit den Weg für vorgezogene Parlamentswahlen im Oktober freigemacht. Für das Ende der 200-köpfigen Parlamentskammer in seiner bisherigen Zusammensetzung stimmten 140 Abgeordneten, für die Auflösung war eine Verfassungsmehrheit von mindestens 120 Stimmen erforderlich.

Das Votum erfolgte nachdem die tschechische Regierung im Juni über eine Korruptions- und Bespitzelungsaffäre gestürzt war. Der konservative Premier Petr Necas (ODS) gab seinen Rücktritt bekannt. Die von Präsident Milos Zeman daraufhin ernannte mitte-links Übergangsregierung unter Jiri Rusnok verlor vor knapp zwei Wochen eine Vertrauensabstimmung im Parlament.

Die Selbstauflösung des Unterhauses wurde vor allem mit den Stimmen von Sozialdemokraten (CSSD), Kommunisten (KSCM), der liberalkonservativen Partei TOP 09 von Karel Schwarzenberg und die populistische Partei Öffentliche Angelegenheiten (VV) beschlossen. Die Vertreter der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) verließen im Vorfeld der Abstimmung den Saal.

"Sonst würde Chaos drohen"

Nach Auffassung von CSSD-Chef Bohuslav Sobotka ist die Auflösung des Abgeordnetenhauses die einzige Möglichkeit zur Lösung der gegenwärtigen Regierungskrise. "Sonst würde Chaos drohen", warnte Sobotka in der Parlamentsdebatte. Es habe „keinen Sinn, die Krise zu verlängern“, argumentierte Kommunistenchef Vojtech Filip. Auch der stellvertretende Vorsitzende von TOP 09, Miroslav Kalousek, erklärte, es gebe keinen anderen Ausweg als Neuwahlen, da das Parlament nicht über eine regierungsfähige Mehrheit verfüge.

Staatspräsident Milos Zeman muss der Auflösung des Parlaments noch offiziell zustimmen. Von diesem Zeitpunkt an müssten binnen 60 Tagen Neuwahlen stattfinden. Zeman hatte schon zu einem früheren Zeitpunkt einen Wahltermin am 25. und 26. Oktober angekündigt, sollten die Abgeordneten die Auflösung der Parlamentskammer beschließen.

Selbstauflösung gab es noch nie

Die am Dienstag beschlossene Selbstauflösung des Unterhauses stellt ein Novum in der Geschichte des Landes dar. Denn ein derartiger Schritt ist erst seit 2009 möglich, zuvor war der Weg zu vorgezogenen Parlamentswahlen äußerst kompliziert.

Laut Umfragen hat die CSSD gute Chancen den Urnengang zu gewinnen. Die Sozialdemokraten könnten so nach sieben Jahren in der Opposition wieder an die Macht kommen. Die Parteien rechts von der Mitte müssten demnach mit Verlusten rechnen. Betroffen ist vor allem die ODS, die nach mehr als 20 Jahren die Position der stärksten Partei im Mitte-rechts-Lager verlieren könnte. Sie ist es auch, die am stärksten vom jüngsten Korruptions- und Bespitzelungsskandal betroffen ist.

Stärkste Kraft in diesem Teil des Polit-Spektrums könnte demnach die erst 2009 gegründete und bereits unter Necas im Parlament vertretene TOP 09 von Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg werden, obwohl auch sie wegen der Spar- und Reformpolitik der vergangenen Jahre mit Verlusten rechnen muss.