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Türkei lehnt Österreichs Islamgesetz ab

Heute Redaktion
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Österreich hat am Mittwoch ein eigenes Islamgesetz verabschiedet. Die Türkei lehnt dieses allerdings ab, mit der Begründung, dass es "diskriminierend" sei und Österreich, die Religionsfreiheit betreffend, um 100 Jahre zurückwerfen könnte.

Österreich hat am Mittwoch ein verabschiedet. Die Türkei lehnt dieses allerdings ab, mit der Begründung, dass es "diskriminierend" sei und Österreich, die Religionsfreiheit betreffend, um 100 Jahre zurückwerfen könnte.

Der Vorsitzende des Amts für Religionsangelenheiten, Mehmet Görmez, äußerte sich über den Gesetzentwurf und meinte, dass Religion nicht ein Thema des Ingenieurswesens sei. Görmez kritisierte das österreichische Parlament und sagte, es sei nicht möglich, dass jedes Land seinen eigenen Islam-Regeln erstellt. Die Funktionäre der Bundesrepublik Österreich seien hinter zwecklosen Bemühungen her, wie er im Ö1-Mittagsjournal sagte.

Das Gesetz gefährde die Einheit der Muslime und ihre Existenz, so Görmez.Vor allem kritisiert er das künftige Verbot der Finanzierung muslimischer Vereine und Imame aus dem Ausland. Wenn Länder glaubten, sie könnten sich ihre eigenen Versionen des Islam zusammenzimmern, hätten sie sich getäuscht. Von den rund 300 Imamen in Österreich sind mehr als 60 Angestellte der Türkei.

Österreich hätte in 1912 als erstes europäisches Land den Islam offiziell anerkannt. Die in Österreich lebenden Muslime seien skeptisch über einige Artikel des Gesetzentwurfs.

Positiv fiel dagegen die Einschätzung der Islamisch Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich aus. Die geplante Verabschiedung des Islamgesetzes stelle einen "Meilenstein für das Alevitentum in Österreich" dar.

Am Dienstagabend fand vor dem Parlament in Wien eine Protestkundgebung gegen das Gesetz statt, zu dem das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft aufgerufen hatte. Nach Polizeiangaben nahmen rund 200 Personen teil.

Der umstrittene Gesetzentwurf tritt mit mehreren Änderungen in den Vordergrund. Laut dem Gesetzentwurf sollen Aktivitäten, die von religiösen Gemeinden geplant werden, aus Sicherheitsgründen annulliert werden können.

Zudem soll die islamische Gemeinde ein Mitspracherecht bei der Bestimmung von Lehrkräften an der zu bildenden islamisch-theologischen Fakultät der Universität Wien haben, wo die Imame ausgebildet werden sollen.

Die Tätigkeiten der aus dem Ausland finanzierten Imame sollen nicht nach Ablauf ihres Visums, sondern ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes beendet werden.

Lesen Sie weiter: Das steht im Islamgesetz

Das neue Islamgesetz, das am Mittwoch im Nationalrat beschlossen wird, bringt Muslimen in Österreich mehr Rechtssicherheit. Die derzeitige Regelung stammt aus dem Jahr 1912. Das nun völlig neue Gesetz beinhaltet unter anderem ein Verbot der Finanzierung aus dem Ausland, außerdem Speisevorschriften, Feiertage und Friedhöfe. Im Folgenden ein Überblick:

RECHTSSTELLUNG

Der erste Abschnitt des Islamgesetzes definiert die organisierten Muslime in Österreich als Körperschaft öffentlichen Rechts. Auch geregelt ist, dass sich Muslime der heimischen Gesetzgebung unterzuordnen haben: "Religionsgesellschaften, Kultusgemeinden oder andere Untergliederungen sowie ihre Mitglieder können sich bei der Pflicht zur Einhaltung allgemeiner staatlicher Normen nicht auf innerreligionsgesellschaftliche Regelungen oder die Lehre berufen (...)."

Dargestellt werden auch die Voraussetzung für den Erwerb der Rechtsstellung, darunter "eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat". Erworben wird diese auf Antrag durch Verordnung des Bundeskanzlers. Wird eine der Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, bedarf es der Regierung, um diese wieder aufzuheben.

VERFASSUNG

Im Gesetzesentwurf festgehalten sind weiters die Anforderungen an eine Verfassung der einzelnen Religionsgesellschaften. Dazu gehört auch die "Darstellung der Lehre, einschließlich eines Textes der wesentlichen Glaubensquellen (Koran), die sich von bestehenden gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften, Bekenntnisgemeinschaften oder Religionsgesellschaften unterscheiden müssen".

Ebenso in Paragraf 6 steht, die "Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder" habe "im Inland zu erfolgen". Die religiösen Funktionsträger aus dem Ausland, also etwa Imame, dürfen ihre Funktion bis zu einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes weiter ausüben.

Die Verfassung und die Statuten müssen bis 31.12.2015 in Einklang mit dem neuen Gesetz gebracht werden.

RELIGIÖSE BETREUUNG

Das Islamgesetz fixiert erstmals das Recht von Muslimen auf religiöse Betreuung - also auf Seelsorger - in Einrichtungen wie dem Bundesheer, in Justizanstalten sowie in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Dafür kommen aber nur Personen infrage, die "aufgrund ihrer Ausbildung und ihres Lebensmittelpunktes in Österreich fachlich und persönlich dafür geeignet sind". Eine fachliche Eignung liegt nur dann vor, wenn ein Abschluss eines islamisch-theologischen Studiums oder eine gleichwertige Ausbildung vorliegt, weitere Voraussetzung sind Deutschkenntnisse auf Maturaniveau.

In einem weiteren Absatz heißt es, ähnlich wie im Israelitengesetz: "Islamische Religionsgesellschaften und ihre Mitglieder sind berechtigt, Kinder und Jugendliche durch alle traditionellen Bräuche zu führen und entsprechend den religiösen Geboten zu erziehen." In den Erläuterungen wird dazu betont, dass davon "auch die männliche Beschneidung" umfasst ist. "Eine weibliche Genitalverstümmelung, die von einigen fälschlich als Beschneidung bezeichnet wird, steht im Widerspruch zu den Menschenrechten", steht dort ebenfalls.

SPEISEVORSCHRIFTEN

Dieser Paragraf sorgte für Aufregung bei Gegnern der umstrittenen Schlachtmethode des Schächtens. Muslime haben - ähnlich auch Juden laut Israelitengesetz - demnach das Recht, "in Österreich die Herstellung von Fleischprodukten und anderen Nahrungsmitteln gemäß ihren innerreligionsgesellschaftlichen Vorschriften zu organisieren".

Auch bei der Verpflegung von Muslimen bei Bundesheer, in Haftanstalten, Krankenhäusern und öffentlichen Schulen soll mit dem Islamgesetz sichergestellt werden, dass auf religiöse Speisegebote und -verbote Rücksicht genommen wird.

FEIERTAGE

"Islamischen Feiertagen wird der Schutz des Staates gewährleistet", heißt es in dieser Passage. Arbeitsrechtlich hat dies zwar noch keine Auswirkungen, dennoch bietet die Aufzählung offizieller Feiertage eine Basis für Verhandlungen zur Verankerung im Feiertagsruhegesetz und den Kollektivverträgen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft führt im Islamgesetz drei solcher Tage an (Ramadanfest, Pilger-Opferfest, Aschura), die Aleviten fünf.

ABBERUFUNG VON FUNKTIONSTRÄGERN

Die Islamischen Glaubensgemeinden sind laut Entwurf künftig dazu verpflichtet, Funktionsträger wie etwa Imame ihrer Funktion zu entheben, sollten diese von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe von ab einem Jahr verurteilt worden sein. Dies gilt auch, sollten diese die "öffentliche Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Moral oder die Rechte und Freiheiten anderer nachhaltig gefährden".

ISLAMISCH-THEOLOGISCHE STUDIEN

Auch der Fahrplan für ein islamisch-theologisches Studium an der Universität Wien ist im Entwurf zum Islamgesetz geregelt: Ab 1. Jänner 2016 hat demnach der Bund bis zu sechs Stellen für Lehrpersonal zu erhalten. Die Glaubensgemeinschaft hat bei der Besetzung insofern ein Wort mitzureden, als dass ihr die Personen vier Wochen vor Bestellung "zur Kenntnis zu bringen" sind und diese eine Stellungnahme abgeben darf.

ISLAMISCHE FRIEDHÖFE

Diese sind laut Gesetz "auf Dauer angelegt". Ihre Auflösung und Schließung sind "unzulässig" bzw. bedürfen der Zustimmung der zuständigen Kultusgemeinden. Bestattungen auf islamischen Friedhöfen dürfen ebenfalls nur mit Zustimmung der jeweiligen Kultusgemeinde vorgenommen werden.

ANZEIGE- UND MELDEVERPFLICHTUNGEN

Sollte gegen einen Funktionsträger der Religionsgesellschaft ein Verfahren eingeleitet oder Haft verhängt werden, muss diese umgehend von der Republik informiert werden. Auch umgekehrt soll diese Verpflichtung bestehen.

UNTERSAGUNG VON VERANSTALTUNGEN

Behörden können Versammlungen und Veranstaltungen zu Kultuszwecken untersagen, "von denen eine unmittelbare Gefahr für die Interessen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, der nationalen Sicherheit oder die Rechte und Freiheiten anderer, ausgeht".

WAHLEN

Das neue Islamgesetz regelt erstmals Wahlen etwa in der IGGiÖ. Diese müssen in der jeweiligen Verfassung verankert sein, sodass eine Überprüfung möglich ist. Sollte die Dauer einer Funktionsperiode der gewählten Organe überschritten werden, darf die Behörde eine Frist setzen. Ansonsten muss - notfalls via Gericht - ein Kurator bestellt werden.