Österreich

Uferbefestigung aus dem 14. Jahrhundert gefunden

Heute Redaktion
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Bei Bauarbeiten für ein Wohnhaus samt Tiefgarage in der Wiener City stießen die Arbeiter auf Reste der spätmittelalterlichen Uferbefestigung. Es ist der erste Fund dieser Art.

"Es ist schon eine kleine Sensation", freut sich Archäologin Ingrid Mader von der Stadtarchäologie Wien. "Wir wissen zwar aus alten Karten, dass hier früher die Donauinseln vor den Mauern der mittelalterlichen Stadt gelegen haben, aber wir haben noch nie eine Uferbefestigung gefunden.

Entdeckt wurde diese bei Bauarbeiten für ein neues Wohnhaus in der Werdertorgasse 6 (City). Schon bei den ersten Aushubarbeiten für die künftige Tiefgarage sei man auf Mauerreste der ehemaligen Neutor-Bastion gestoßen, später verdichteten sich die Hinweise auf Reste aus dem Spätmittelalter. "Wir sprechen hier vom 14. oder 15. Jahrhundert", erklärt Mader.

Die Stein-Holzkonstruktion bestand aus mehreren einzelnen Pfosten in Parallelreihe, die innen mit Steinen gefüllt waren. Zur Landesseite sind wurden die Holzpfosten zusätzlich mit langen Stehern verspreizt, erklärt die Expertin. Das sensationelle sei, dass die von Nordwest nach Südost gefluchtete Konstruktion jedenfalls schon vor Errichtung der Neutorbastion aus dem 16. Jahrhundert entstanden sei und in keiner unmittelbaren Funktion mit dieser gestanden habe.

Uferbefestigung auf Gebiet der ehemaligen Wiener Vorstadt



Verortet ist die Uferbefestigung in der früheren Werder-Vorstadt auf dem heutigen Gebiet zwischen Schottenring und Roßau. Die Siedlung war ähnlich den anderen vier Wiener Vorstädten – Schottentor, Stubentor, Kärtnertor und dem Widmertor – vor einem Stadtzugang, dem Werdertor, gelegen. Der Name bezog sich auf die vorgelagerten Inseln in der Donau, der Name "Werd" steht dabei für eine größere Insel.

Das Ende der Siedlung im Oberen Werd kam laut den Experten vermutlich mit der Ersten Türkenbelagerung Wiens im Spätsommer 1529. Später wurde das Areal im Bereich des möglicherweise bereits gänzlich verlandeten Altarmes durch eine Abfolge verschieden dicker Planierschichten als Baugrund für die Neutorbastion aufbereitet.

Der Unterschied zwischen Stein und Keramik? Der Klang!

Seit 27. April gruben sich die Archäologen Schicht für Schicht in die Tiefe. Aktuell werden die Arbeiten in einer Bautiefe von zehn Metern unter der Gehsteigoberkante durchgeführt. Täglich von 7.00 bis 16.30 Uhr werden in der rund 900 Quadratmeter großen Grube von Archäologen vorsichtig Erdschichten abgegraben und auf Funde gesichtet. Eine davon ist Veronika (25), die Geschichte und historische Archäologie studiert und für eine Grabungsfirma arbeitet. "Manchmal schauen sich Steine und Keramikscherben sehr ähnlich, der Unterschied lässt sich aber an der Form und vor allem am Klang erkennen".

Im Zweifelsfall stößt Veronika sanft mit ihrer Kelle am Fundstück an, je nach Ergebnis landet es dann links bei den Funden oder rechts bei den Steinen.

Mittelalterlicher Mistplatz als Fundgrube für Archäologen

"Insgesamt haben wir bisher mit unseren Funden rund 40 Bananenschachteln gefüllt. Darunter sind vor allem Lederreste, weil hier am Wasser jene Betriebe verortet waren, die für ihre Arbeit Wasser benötigten", erklärt Mader. Dazu zählen etwa Gerber, Kürschner, Sohlenschneider und Schuster.

Weil der Ort, an dem aktuell die Tiefgarage gebaut wird, im Spätmittelalter ein Überschwemmungsgebiet der noch lange unregulierten Donau war, wurde er von dem mittelalterlichen Bevölkerung auch gerne als Mistplatz genutzt. Für die Archäologen ein Segen: So können sie etwa auch einen Damenschuh aus Leder, ein kleines Messer aus Eisen, Pfirsichkerne, Tierknochen oder einen Armbrustbolzen ausgraben.

Aus dem Erdreich gelöst werden diese in mühsamer Feinarbeit mit Maurerkellen, den "Ziagerln", einer Art Gartenharke mit langem oder kurzem Stiel, aber auch mit japanischen Gartenkrallen. "Wir arbeiten hier mit internationalem Gerät", lacht Grabungstechniker Rudi im Gespräch mit "Heute".

Begeisterte Stadträtin schwebt mit Baukran ein

"Wahnsinn, das ist Wahnsinn": Auch Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) zeigte sich bei ihrem Besuch von den Funden aus dem Spätmittelalter begeistert. Nach sie via Baukran von Straßenebene in die Ausgrabung herab gehoben wurde, erkletterte sie – ausnahmsweise in Wanderschuhen zum Sommerkleid – die alte Uferbefestigung.

"Die Stadtarchäologie hat derzeit einen Lauf: Nach den großartigen Funden in der Naglergasse und Bognergasse wurden nun auch Überreste einer alten Ufermauer in der Werdertorgasse freigelegt. Dieser einzigartige Fund gibt Hinweise darauf, dass der Altarm der Donau anders verlief als bisher angenommen. Ein großer Erfolg der Stadtarchäologie, der dazu beiträgt, älteren Versionen der Stadt ein feineres, authentischeres und korrekteres Gesicht zu verleihen", so die Stadträtin.

Ab August rollen wieder die Bagger an

Bis 31. Juli bleibt den Archäologen noch Zeit, den Sensationsfund zu erforschen, zu vermessen und ausführlich zu dokumentieren. Danach müssen die alten Holzpfosten endgültig der Tiefgarage weichen. Die Fundstücke werden katalogisiert und später in einem Museum ausgestellt. Zusätzlich habe der Bauherr des Wohnhauses zugesagt, im Eingangsbereich des neuen Wohnhauses eine kleine Ausstellung umzusetzen, bei der einige Fundstücke in Vitrinen gezeigt werden, so Archäologin Mader.