Ukraine

Ukraine-Wende – Putin droht "inakzeptabler" Verlust

Seit Wochen läuft die ukrainische Gegenoffensive. Die erste Phase "ist gescheitert", sagt Oberst Markus Reisner. Doch inzwischen gibt es Erfolge.

Roman Palman
Die Ukraine schickt neue Kräfte nach Bachmut. Beide Seiten melden intensiver werdende Kämpfe um die besetzte Stadt.
Die Ukraine schickt neue Kräfte nach Bachmut. Beide Seiten melden intensiver werdende Kämpfe um die besetzte Stadt.
IMAGO/ZUMA Wire

Ein großer Durchbruch an der Front ist der Ukraine im Rahmen ihrer seit fünf Wochen andauernden Gegenoffensive noch nicht gelungen. Die russische Verteidigung ist vorbereitet und mittlerweile auch agiler als früher.

"Die erste Phase der ukrainischen Offensive ist aus meiner Sicht gescheitert. Man hat versucht, wie aus einem Lehrbuch der US-Armee massiert vorzustoßen", erklärte Oberst Markus Reisner vergangene Woche die Aufsehen erregenden Bilder des Verlustes westlichen Kriegsgeräts bei Saporischschja im Süden.

Doch mittlerweile hat die Ukraine ihre Taktik angepasst, arbeitet sich mühsam mit Sturmtruppen entlang der Windschutzgürtel vor. Die Russen antworten, wenn sie so einen Vorstoß entdecken, mit einer Verstärkung der Front mit Reservetruppen. Und genau dagegen will die Ukraine nun die Streubomben einsetzen, die von den USA zugesagt wurden.

Ein entschärftes Bomblet aus einer Streubombe eines russischen Mehrfachraketenwerfers in der Region Charkiw, Oktober 2022.
Ein entschärftes Bomblet aus einer Streubombe eines russischen Mehrfachraketenwerfers in der Region Charkiw, Oktober 2022.
REUTERS

Diese Waffen sind zwar international geächtet, doch keine der Kriegsparteien hatte das 2003er Abkommen je unterzeichnet und Wladimir Putins Truppen setzen selbst seit Kriegsbeginn massiv auf ihre Artillerieüberlegenheit und die hohe Flächenwirkung der Dutzenden kleinen Bomblets, die mit jedem Abschuss einer Streubombe auf das Zielgebiet niederhageln. 

Die geänderte Taktik soll der Ukraine auch schon erste Erfolge bescheren. Neueste Einschätzungen gehen von erheblichen Rückeroberungen, berichtet der ORF unter Berufung auf die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW), die sei Beginn der russischen Invasion das Kriegsgeschehen analysiert.

Demnach habe die Ukraine inzwischen fast so viel Gelände befreit, wie Russland zuvor im Zuge seiner Winteroffensive in einem halben Jahr besetzen konnte – das ist in Quadratkilometern gesprochen in beiden Fällen allerdings nicht besonders viel.

Zweite Schlacht um Bachmut

Bemerkenswert ist aber eine neue Intensivierung der Kämpfe rund um die Stadt Bachmut im Osten. Das geht unter anderem aus Quellen auf beiden Seiten der Front hervor. Der Ukraine gelang es zuletzt, die russischen Besatzer im Norden und Süden etwas zurückzudrängen. "Eingänge, Ausgänge und Feindbewegungen in der Stadt unter Feuerkontrolle", meldete die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar.

Auch Armeechef Olexander Syrskyj sprach davon, dass sich der Feind "in der Falle befinde". Offenbar will die Ukraine hier den Spieß umzudrehen und nun selbst die russische Armee, die Verteidigung der durch Jewgeni Prigoschins Wagner-Söldner in monatelangen und verlustreichen Kämpfen eroberten Stadt von ihnen übernommen hat, "langsam einkesseln".

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    Am vergangenen Samstag gaben die russischen Truppen in einer Videobotschaft die Eroberung der ostukrainischen Stadt Bachmut bekannt. 
    Am vergangenen Samstag gaben die russischen Truppen in einer Videobotschaft die Eroberung der ostukrainischen Stadt Bachmut bekannt.
    via REUTERS

    Der kriegsunterstützende russische Telegram-Channel Rybar, der täglich mehrere Berichte zum Frontgeschehen publiziert und damit ein Millionenpublikum erreicht, etwa spricht von Vorbereitungen auf "neue, erbitterte Kämpfe". Auch bestätige er ukrainische Vorstöße an Bachmuts Südflanke, die aber abgewehrt worden sein sollen.

    Das ISW wertet die anhaltenden Signale der ukrainischen Seite zu den eigenen Vorhaben rund um Bachmut und die Besorgnis darüber, die von einigen russischen Militärbloggern geäußert wird, als Hinweis, dass die Gegenoffensive die russische Besatzung "glaubhaft gefährden" könne. Aber, so betont man, es sei noch viel zu früh, um über eine ukrainische Befreiung der Stadt zu spekulieren.

    Verlust der Stadt im Kreml "inakzeptabel"

    Klar ist: Bachmut ist immens ideologisch aufgeladen. Die strategisch wenig wichtige Stadt ist die einzige nennenswerte Eroberung der Russen seit Monaten – und die musste man mit dem Blut Zehntausender bezahlen. Die Stadt nun womöglich wieder zu verlieren oder aufgeben zu müssen, sei für die politische Führung Russlands "mit ziemlicher Sicherheit inakzeptabel", so das britische Verteidigungsministerium in seinem Lagebericht vom 8. Juli.

    Gleichzeitig stünde die russische Armee aber vor dem Dilemma, die Abwehr der Ukrainer hier mit nicht zueinander passenden Einheiten mit geringer Moral durchführen zu müssen. Und: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass es nur geringe Reserven gibt, die noch diesen Sektor verstärken könnten."

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