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Ulrich Seidl im Interview: "Die Jagd ist wie Sex."

Heute Redaktion
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"Warum muss ich sagen, warum ich mal ein Tier töte!?" fragt der Lodge-Besitzer. Ja, Herr Seidl, warum eigentlich? Eine Antwort liefert seine Doku über Jagdtouristen in Afrika nicht. Dafür einen verstörend-großartigen Einblick in die Obsession von Max und Erika Mustermann. Das Interview:

"Warum muss ich sagen, warum ich mal ein Tier töte!?" fragt der Lodge-Besitzer. Ja, Herr Seidl, warum eigentlich? Eine Antwort liefert seine Doku über Jagdtouristen in Afrika nicht. Dafür einen verstörend-großartigen Einblick in die Obsession von Max und Erika Mustermann. Das Interview:

"Heute": Ihre Filme sind große Kunst. Aber, brachial ausgedrückt: Sie halten erbarmungslos auf etwas drauf, woran sich die Geister scheiden. Und feiern dann Megaerfolge...

Ulrich Seidl: Wenige behaupten das. Der Großteil meint, dass meine Filme von großer Humanität getragen sind. "Erbarmungslos" klingt halt schon sehr negativ.

Das stimmt. Dann drücke ich es so aus: Sie halten konsequent drauf, auch wenn's richtig weh tut.  

Das stimmt. Ich schaue dorthin, wo Wahrheit stattfindet. Die Filme feiern große Erfolge, aber mit ihnen auch ihre Darsteller.

Unglaublich, dass Sie für "Safari" Protagonisten auftreiben konnten, die ihrem Jagdrausch so unverblümt frönen. Wo finden Sie diese Menschen?  

Seidl: Ich wäre ja nicht der, der ich bin, wenn ich nicht über Jahrzehnte mit meiner Gabe und meinem Gespür für Menschen wüsste, wo ich suchen muss. Ich brauchte Jagdurlauber. Wo findet man die? Unter Jägern. Davon gibt's in Österreich zuhauf.

Und was geben Sie den Menschen dann, um DAS zu bekommen? In diesem Fall: Das Geschenk, dass sie ihre Passion vor laufender Kamera so ausleben. Ohne, dass ihnen die Moral dazwischenfunkt?

Ich nehme sie beim Wort. Das, was sie tun, tun sie voller Überzeugung. Vor und hinter der Kamera. Wäre es anders, würde ich sie auch nie engagieren. Ich werte nicht, ich decke nicht auf, ich bilde ab. So war auch die Reaktion der mitwirkenden Jäger auf die Doku durchwegs positiv. Das sind sie!

"Was zählt, ist das Stück und du", weiß eine Jagdtouristin im Film. Uff. Da hat's mich gebeutelt!

Das entsteht aus purer Jagdlust heraus. Die Jagd ist vergleichbar mit dem sexuellen Akt. Das Heranpirschen ist das Vorspiel, der Schuss der Orgasmus, danach kommt die große Entspannung.

Ein unglaublicher starker, bedrückender Moment im Film ist der Tod der Giraffe. Ihr Kampf, das langsame Sterben, dann der Transport, das Häuten und Zerlegen. Ich gerate beim Anblick von Tieren nicht zwingend in Wallung, aber da musste ich schon schwer schlucken.

Natürlich ist das ein heftiger Moment, da kommen die Emotionen, der Zuschauer fühlt ja mit. Hier wirkt auch die Größe des Tieres, da empfindet man noch einmal anders. Das ist extrem emotional belegt, man denkt auch sofort an die Stoffgiraffe im Kinderzimmer. Diese Szene live mitzuerleben, war natürlich noch heftiger. Wir waren extrem nah dran.

Als der Trailer online ging, gab's jede Menge Hasspostings. Wurden Sie auch schon bedroht?

Damit will ich mich überhaupt nicht beschäftigen.

Bei der Weltpremiere beim Filmfest in Venedig verließen Zuschauer den Kinosaal vorzeitig. Wäre es Ihnen lieber gewesen, sie wären sitzengeblieben, um das Werk zu Ende zu sehen und dann auch besser darüber Bescheid zu wissen?

Naja, das waren vielleicht fünf. Ich könnte das auch umdrehen und sagen, ich bin stolz darauf, wenn besonders viele Menschen gehen. Wenn sie gehen, weil sie es nicht mehr aushalten, verstehe ich das. Aus einer Emotion heraus. Aber wenn es aus einer Ideologie heraus passiert, finde ich das sehr heuchlerisch.

War das so?

US-Verleiher haben den Film bis dato noch nicht gekauft, weil sie tote Tiere im Kino nicht zeigen wollen. Das ist falsch verstandene politische Korrektheit. Diese Leute haben den Saal verlassen, aber aus falschen Beweggründen. Da bin ich dagegen.

"Safari" startet am 16. September in den österreichischen Kinos.

Maria Dorner