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"Jeder Einzelne im Dorf ist verseucht vom Bergbau"

Heute Redaktion
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Das Wasser, die Lebensmittel, die Luft – alles im peruanischen Cerro de Pasco ist kontaminiert. Das verantwortliche Unternehmen gehört seit 10 Monaten einem Schweizer Konzern.

Jhan kann nicht gehen, seine Nerven sind gelähmt. Das Gesicht der zehnjährigen Tochter von Flor de María Chávez ist kreideweiß, ihre Haut schuppt sich. Bei der elfjährigen Sherli wurde Leukämie diagnostiziert. Dutzende Kinder in Cerro de Pasco in Peru sind krank, sie alle haben zu viel Blei im Blut. Der Bergbau hat dort alles vergiftet.

"Nicht nur die Kinder sind davon betroffen", sagt Flaviano Bianchini, Gründer und Geschäftsführer der NGO Source International, zum Schweizer Nachrichtenportal "20 Minuten". Bei rund 70.000 Einwohnern geht er davon aus, dass jeder Einzelne in irgendeiner Weise gesundheitliche Folgen von der verpesteten Luft und dem kontaminierten Wasser davonträgt. "Jedes Mal, wenn wir Analysen durchführen, finden wir bei 100 Prozent der Probanden Anzeichen von Blei, Quecksilber, Kadmium, Arsen, Thallium, Chrom und rund fünf weiteren Schadstoffen im Körper."

Entwicklungsprobleme, Depression, Krebs

"Die Kinder in Cerro de Pasco entwickeln sich viel langsamer, sind geschwächt und auch viel kleiner als andere Kinder aus nahen Regionen", sagt Bianchini. "Wir haben Dutzende von Fällen von Fünf- oder Sechsjährigen mit Krebs." Die Metalle in ihren Organismen belasten zudem das Nervensystem. Das führt zu Konzentrationsproblemen und Depression. "Bei jungen Menschen zwischen 18 und 30 Jahren ist Selbstmord die erste Todesursache", so der Umweltaktivist.

Der Verseuchung ist nicht zu entkommen. "Ich war im Juli nur acht Tage dort. Als ich kam, lag mein Bleiwert im Blut bei 0, als ich wieder ging, lag er schon bei sechs Mikrogramm pro Deziliter. Das Limit ist fünf. Und ich habe kein einziges Mal Wasser aus dem Hahn getrunken. Aber alles ist verseucht, das Essen, der Staub in der Luft, die man einatmet."

NGO führt genaue Statistiken

Source International arbeitet seit zehn Jahren mit der lokalen Bevölkerung. "Wir führen Statistiken, entnehmen Proben und machen Analysen vom Blut und den Haaren der Menschen in Cerro de Pasco. Dann legen wir den Behörden diese Werte vor, um Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität der Leute zu fordern", erklärt Bianchini gegenüber "20 Minuten".

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Cerro de Pasco liegt am Rand der riesigen Tagebaumine. Quelle:picturedesk.com

Eine Lösung wäre, die Bevölkerung umzusiedeln. "In den letzten zehn Jahren sind nur sieben Familien umgezogen", erzählt Bianchini. Dass es nicht mehr sind, liegt aber nicht an den Leuten. "Die Behörden tun nichts. Die Menschen würden schon gern weg von dort. Die meisten arbeiten nicht einmal in der Mine. Aber sie haben kein Geld für einen Umzug, und sie wüssten auch nicht, wohin sie gehen sollten. Man muss ihnen woanders Chancen bieten."

Schweizer Konzern hinter der Umweltkatastrophe?

Das peruanische Bergbauunternehmen Volcan Compañía Minera trägt Mitschuld an der aktuellen Umweltsituation in Cerro de Pasco. Vor zehn Monaten gab es einen Besitzerwechsel – der britisch-schweizerische Rohstoffkonzern Glencore hat 55 Prozent der Aktien von Volcan erworben. "Früher hatte Volcan die Kontrolle über das Bergbaugelände. Heute ist Glencore dafür verantwortlich", sagt Bianchini von Source International.

Die Verantwortung für die Umweltbelastung liege allerdings bei den früheren Eigentümer, sagt Glencore-Mediensprecherin Sarah Antenore. "Wir sind uns bewusst, dass der Bergbau, der über viele Jahre unter früheren Eigentümern geführt wurde, Auswirkungen auf die Umwelt und die lokale Gemeinschaft hatte", erklärt sie gegenüber "20 Minuten". Der Schweizer Konzern habe mit dem peruanischen Unternehmen an einem detaillierten Aktionsplan zur Verbesserung der Umweltleistungen gearbeitet.

"Volcan hat die Wasseraufbereitungsprozesse in der hydraulischen Infrastruktur verbessert und ein Umweltmanagementsystem eingeführt. Mit diesem System werden die zulässigen Grenzwerte für die Wasserqualität eingehalten. Volcan leitet das Abwasser aus dem Bergbau nicht ohne vorherige Reinigung oder Behandlung in Flüsse ab", so die Sprecherin.

Auch in Bezug auf die Messung der Luft- und Bodenqualität habe das Unternehmen Maßnahmen getroffen. In Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium und einer lokalen Nichtregierungsorganisation unterstützt Volcan diverse Programme im Gesundheitsbereich. Zudem sollen Fachleute Volcan in den Bereichen Wassermanagement, Minenschließung, Beziehungen zu Gemeinden und bezüglich Menschenrechte coachen.

Keine rechtlichen Folgen für Umweltsünder

Ob Glencore diese Versprechen einhalten wird, kann die Schweizer NGO Public Eye nicht sagen. "In Sambia beispielsweise hat es über zehn Jahre gedauert, bis die bei Übernahme der Kupfermine Mopani schon versprochene Entschwefelungsanlage endlich in Betrieb ging. Und das auch erst auf massiven Druck von Zivilgesellschaft, Behörden und zuletzt sogar Kreditgebern", erklärt Public-Eye-Sprecher Oliver Classen.

Gegen den Schweizer Rohstoffkonzern liegen bislang keine Anzeigen wegen Umweltverschmutzung vor, weiß Bianchini von Source International. "Volcan hingegen ist das Unternehmen mit der höchsten Anzahl Anzeigen in der Geschichte Perus. Es bekam Geldbußen auferlegt, die aber nie etwas bewirkt haben. Was macht einem Bergbaukonzern schon eine Strafe von 10.000 oder 20.000 Dollar aus? Bis heute ist niemand für die Umweltverbrechen strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen worden, es kam nie jemand ins Gefängnis."

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