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Unruhe in Ägypten - doch kein neuer Regierungschef

Heute Redaktion
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Bild: KHALED ELFIQI (EPA)

Tausende Anhänger des gestürzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi haben am Sonntag gegen das Militär protestiert. Vor einer Kaserne der Republikanischen Garde in Kairo forderten Demonstranten, die Absetzung des Islamisten zurückzunehmen. "Das war ein Putsch gegen die Demokratie", sagte ein Teilnehmer. Die Mursi nahestehende Muslimbruderschaft hatte zu Protesten aufgerufen. Unklarheit herrscht auch über den neuen Regierungschef. Denn Mohamed El Baradei soll es trotz Verkündung nun doch nicht werden.

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Eigentlich sollte der liberale Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei Ministerpräsident werden. Das Vorhaben scheiterte aber an der islamistischen Nur-Partei, die mit den Muslimbrüdern rivalisiert. Sie unterstützt im Grundsatz die Pläne der Armee für eine Übergangsregierung.

Salafisten sagen Nein

Der vom Militär initiierte Machtwechsel in Ägypten gerät dennoch zur Hängepartie: Nach blutigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der gestürzten Staatsführung sowie staatlichen Sicherheitskräften blockierten die Salafisten den Beschluss zunächst und enttäuschten damit Hoffnungen auf ein rasches Ende der gesellschaftlichen Turbulenzen, zumal beide rivalisierenden Lager neue Massenproteste ausriefen.

Am Samstagabend hieß es aus mehreren offiziellen Quellen, ElBaradei sei zum Chef einer mit den "vollen Befugnissen" ausgestatteten Übergangsregierung ernannt worden. Doch der persönliche Berater des als Interims-Präsident eingesetzen obersten Verfassungsrichters Adli Mansur ruderte wieder zurück: ElBaradei sei zwar "die logische Wahl" für den Posten, aber noch nicht offiziell ernannt, betonte Ahmad al-Muslimani. Angekündigte Stellungnahmen Mansurs und El-Baradeis wurden wieder abgesagt.

El Baradei befürwortete Mursi-Abgang

ElBaradei hatte - ebenso wie andere politische und religiöse Führungspersönlichkeiten - Mursis Absetzung befürwortet und war in der Vergangenheit vor allem vom Westen immer wieder als Hoffnungsträger für den demokratischen Transformationsprozess ins Spiel gebracht worden. Nach jahrzehntelanger diplomatischer Tätigkeit im Ausland war er ein Jahr vor dem Sturz des ägyptischen Machthabers Hosni Mubarak im Februar 2011 in seine Heimat zurückgekehrt und hatte sich für Ägyptens demokratischen Wandel stark gemacht. Als Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA erhielt ElBaradei 2005 den Friedensnobelpreis.

"El Baradei ist ein Technokrat"

Nachdem das Militär die islamistisch geprägte Verfassung ausgesetzt und vorgezogene Präsidentenwahlen ohne konkretes Datum angekündigt hatte, wagte ElBaradei im Gespräch mit dem "Spiegel" eine erste Prognose: Mit demokratischen Wahlen sei "spätestens in einem Jahr" zu rechnen, sagte er dem Nachrichtenmagazin. Gleichzeitig sendete er versöhnliche Signale an die Muslimbrüder: "Niemand darf ohne triftigen Grund vor Gericht gestellt werden. Ex-Präsident Mursi muss mit Würde behandelt werden", das sei die "Voraussetzung für eine nationale Versöhnung".

Doch die islamistische Al-Nur-Partei, die sich mit den vorwiegend säkularen Kritikern Mursis zusammengetan hatte, begrüßte ElBaradeis Ambitionen keineswegs. "Herr ElBaradei ist ein Technokrat und nicht in der Lage, die Spaltung auf den Straßen zu überwinden", sagte das ranghohe Parteimitglied Nader Bakkar der Nachrichtenagentur AFP.

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