Österreich

Urteil gegen Kinderarzt, der Patienten abfertigte

Heute Redaktion
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Weil er Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen "nicht fachgerecht" durchgeführt hat, wurde ein Wiener Kinderarzt (70) nun zu einem Jahr bedingter Haft verurteilt. Der Mediziner hatte im Jahr 2010 Kinder mit erheblichen Entwicklungsmängeln durch die Untersuchung durchgewunken.

Weil er Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen "nicht fachgerecht" durchgeführt hat, wurde ein Wiener Kinderarzt (70) nun zu einem Jahr bedingter Haft verurteilt. Der Mediziner hatte im Jahr 2010 Kinder mit erheblichen Entwicklungsmängeln durch die Untersuchung durchgewunken.

"Es ging bei Ihnen darum, schnell so viele Kinder wie möglich zu behandeln", sagte Richterin Olivia-Nina Frigo. Deswegen habe der Arzt die betreffenden drei Patienten unzureichend untersucht und diesen damit "die Möglichkeit genommen, dass man ihre Entwicklungsstörungen behebt".

Arzt beteuert: "Nie ist etwas passiert"

Der Kinderarzt ist sich keiner Schuld bewusst. "Ich glaube nicht, dass ich wissentlich etwas falsch gemacht habe", hielt der Kinderarzt in seinem Schluss-Statement fest. Er habe im Lauf seines Lebens "eine Million Kinder behandelt und betreut","nie ist etwas passiert". Die Richterin meinte aber, es sei nicht glaubwürdig, das ihm nichts aufgefallen ist".

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Wolfgang Mekis meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Staatsanwältin Dagmar Pulker legte Strafberufung ein. Sie ging davon aus, dass es dem Mediziner darum ging, durch mangelhafte oder gar nicht durchgeführte Untersuchungen möglichst viele Kinder "abzufertigen", um bei der Abrechnung der vorgeblich erbrachten Leistungen möglichst viel Gewinn zu machen.

Kinder wurden Eltern abgenommen

Ausgangspunkt der Anzeige gegen den Kinderarzt war ein Strafverfahren gegen eine damals 24 Jahre alte Mutter von insgesamt vier Kindern, ihren Ehemann und ihre Großmutter geführt wurde. Dem Paar waren auf Veranlassung des Jugendamtes im Jänner 2011 die Kinder abgenommen worden.

Der Älteste - ein damals vier Jahre alter Bub - konnte zu diesem Zeitpunkt nicht gehen und nicht einmal ohne fremde Hilfe stehen. Mit den jüngeren Geschwistern kommunizierte der Kleine über Kratzen, da er sich sprachlich nicht verständlich machen konnte.

Vorwurf gegen Erziehungsberechtigte entkräftet

Die Erziehungsberechtigten wurden am Ende allerdings vom Vorwurf der gröblichen Vernachlässigung der Kinder freigesprochen. Maßgeblich dafür war nicht zuletzt der Umstand, dass sie nachweisen konnten, mit den Kleinen regelmäßig zum Kinderarzt gegangen zu sein, der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen vornahm und in den jeweiligen Pässen keine Auffälligkeiten vermerkte.

Arzt auch im Fokus der Ärztekammer

Der verurteilte Kinderarzt befindet sich neben dem Gerichtsverfahren auch im Fokus der Wiener Ärztekammer, wie Kammeramtsdirektor Thomas Holzgruber am Donnerstagnachmittag erklärte. Dabei geht es aber nicht um den erstinstanzlichen Schuldspruch, sondern die Frage, ob der 70-Jährige überhaupt in der Lage ist, seinen Beruf auszuüben. "Nach Patientenbeschwerden ist bei uns ein Verfahren wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung anhängig", sagte Holzgruber. Dabei werde geprüft, ob der Arzt "fit genug für seine Tätigkeit ist".

Der nicht rechtskräftige Schuldspruch hat keine unmittelbaren beruflichen Konsequenzen. Ein Disziplinarverfahren ist zwar unausweichlich, doch ist mit einem Abschluss nicht vor einer rechtskräftigen strafrechtlichen Erledigung zu rechnen. "Ich gehe davon aus, dass das Gericht uns die vorliegenden Unterlagen zur Verfügung stellt", gab Holzgruber zum weiteren Prozedere bekannt. Bis dahin könnte die Stadt Wien - konkret die MA 40 - ein vorläufiges Berufsverbot verhängen.