Österreich

Verdächtiger zu Julias Mama: "Nichs damit zu tun"

Heute Redaktion
Teilen

Am Mittwoch ging am Landesgericht Korneuburg der Prozess im Fall Julia Kührer weiter. Julias Ex-Freund ließ sich krankheitshalber entschuldigen. Dafür sagte ein Freund von ihm aus - und belastete ihn. Eine Schulfreundin Julias meinte, sie hätte sich von ihrem Freund wegen seines Haschischkonsums getrennt. Auch über den dubiosen Ruf des Angeklagten sprachen die Freundinnen der Toten.

Am Mittwoch ging am Landesgericht Korneuburg der weiter. Julias Eltern kamen zu Wort. Julias Ex-Freund ließ sich krankheitshalber entschuldigen. Dafür sagte ein Freund von ihm aus - und belastete ihn. Eine Schulfreundin Julias meinte, sie hätte sich von ihrem Freund wegen seines Haschischkonsums getrennt. Auch über den dubiosen Ruf des Angeklagten sprachen die Freundinnen der Toten.

Am Mittwoch waren die ersten Zeugenbefragungen angesetzt, darunter Julias Familie. Ihre Mutter sagte, sie wünsche sich vor allem "Gerechtigkeit". Der Angeklagte sagte zu ihr, es tue ihm leid, was mit Julia passiert sei, er habe damit aber nichts zu tun.

Julias Eltern, beide Lehrer, beschrieben ihre Tochter als ruhig, in sich gekehrt und eher lethargisch, aber auch mit Stimmungsschwankungen - "normal" in der Pubertät. Die Mutter führte ihr unterschiedliches Verhalten damals auf Migräne zurück, an Drogen dachte sie nicht. Sie habe mit ihrer Tochter auch nicht über Drogenkonsum gesprochen, nachdem Julias Bruder ihr einen Hinweis gab, dass die 16-Jährige durch ihren Freund mit Drogen in Kontakt kommen könnte. Der Freund sei Julias "Heiligtum" gewesen. Julia habe wenig erzählt, also auch nicht von der Videothek, die als Jugendtreff fungierte - und auch nichts nach der Trennung von ihrem Freund, obwohl sie weinend nach Hause kam.

Ex-Freund krank

Julias Ex-Freund ließ sich krankheitshalber entschuldigen. Er wurde im Krankenhaus stationär aufgenommen und sei nicht vernehmungsfähig.

"Julia schlecht behandelt und betrogen"

Als erster wurde am Mittwoch dessen damaliger Freund aufgerufen. Julias Freund - die Trennung erfolgte kurz vor ihrem Verschwinden - habe sie schlecht behandelt und ständig betrogen, sagte der Zeuge. 2006 war man eine Clique, die sich oft traf und auch in der Videothek des Angeklagten in Pulkau "abhing".

Ex-Freund zu Frauen "ungut"

Er habe von Redereien gehört, dass Michael K. "ungut" zu Frauen sei, aber selbst nie beobachtet, dass er ein Mädchen "betatscht" hätte, sagte der Zeuge. Zu Julia sei K. "nett" gewesen. Am Abend des 26. Juni 2006 - die 16-Jährige verschwand am Tag danach - sei er aus der Videothek gekommen und habe "nur" ihr ein "Red Bull" gegeben, hatte der Zeuge in seiner ersten Einvernahme ausgesagt.

Angeklagter redete "sexistisch, peinlich vor den Mädchen"

Ein junger Mann gab an, ihr Freund habe Julia "nicht so leiwand" behandelt. Er selbst habe das Mädchen mehrmals in der Videothek gesehen. Dass Michael K. "blöd redet", sei ihm aufgefallen - "sexistisch, peinlich vor den Mädchen", formulierte es Richter Helmut Neumar. Sexistische Äußerungen des Beschuldigten waren den Zeuginnen vom Hörensagen bekannt.

Ex-Freund habe gedealt

Der Darstellung des Angeklagten, Julia sei lediglich zwei oder drei Mal in der Videothek gewesen, widersprach der junge Mann: Das sei viel öfter gewesen. Von Konsum oder Handel mit "Crystal Meth" habe er nichts mitbekommen. Verteidiger Farid Rifaat beleuchtete in der Folge unter Vorhalt seiner früheren Aussagen - "fast ganz Pulkau hat gekifft" - den Marihuana-Konsum der Clique:

Demnach sei das Suchtgift von einer jungen Frau bezogen worden, Julias Ex-Freund habe Sammelbestellungen aus der Region aufgenommen. "Mir war der Michi immer suspekt", zitierte Neumar aus der früheren Aussage einer weiteren jungen Frau. Sein Ruf sei bereits vor Julias Verschwinden dubios gewesen, meinte sie. Sie selbst sei nie in der Videothek gewesen. Der Verteidiger erinnerte an ihre Aussage, Julia hätte sich von ihrem Freund getrennt, weil sie dessen Haschisch-Rauchen gestört hätte.

Julia hatte Verabredung zum Schwimmen - tauchte aber nicht auf

Eine weitere Zeugin, eine Klasse unter Julia, war die letzte, die sie lebend gesehen hatte - im Bus bei der Heimfahrt von der Schule aus Horn. Zuvor hatten sie einander - kurz vor den Sommerferien - noch beim Ausräumen ihrer Spinde getroffen und ihre Sachen zusammengepackt. Vereinbart war, am Nachmittag ins Bad zu gehen, dann hatte sie aber nichts mehr von Julia gehört. Den Videothek-Besitzer, laut dem Richter damals "DVD-Michi" genannt, habe sie nur ein, zweimal gesehen.

Strenge Elter, Kummer wegen Trennung

Eine 22-Jährige, die Julia zuletzt am Vortag ihres Verschwindens gesehen hatte, meinte, Julia habe in der Schule keine Probleme gehabt, aber ihre Eltern als streng empfunden und Kummer wegen der Trennung von ihrem Freund gehabt. Die 16-Jährige sei in depressiver Stimmung gewesen und habe erzählt, deshalb zu einem Psychologen gehen zu müssen. Dann sei sie fünf bis zehn Minuten in der Videothek gewesen und mit einem "Red Bull" wieder herausgekommen.

Die ersten Gutachter werden am 20. September aussagen, ein Urteil wird für den 24. September erwartet.

 

Julia Kührer war am 27. Juni 2006 das letzte Mal gesehen worden, als sie am Nachmittag von der Schule in Horn kommend den Bus am Hauptplatz von Pulkau verließ. Intensive Ermittlungen blieben erfolglos. Knapp vier Jahre später rollte das Bundeskriminalamt den Fall neu auf, ging mehr als 150 Hinweisen nach und nahm vorübergehend drei Jugendliche fest.

Nach der Entdeckung des Skeletts von Julia Kührer Ende Juni 2011 wurde Michael K. erstmals festgenommen, mangels Tatverdachts aber wieder enthaftet. Er erklärte damals, Unbekannte hätten die Tote auf seinem Grundstück abgelegt. Wegen DNA-Spuren auf der verbrannten Decke, in die die Leiche gewickelt war, wurde der Wiener dann im vergangenen Dezember in U-Haft genommen. Die skelettierte Leiche des Mädchens wies Spuren von Gewaltanwendung auf, die Todesursache ließ sich aber gerichtsmedizinisch nicht mehr feststellen.

Lesen Sie weiter: Was bisher geschahChronologie:

27. Juni 2006: Die 16-jährige Julia Kührer aus Pulkau (Bezirk Hollabrunn) kommt von der Schule nicht mehr nach Hause: Um 12.45 Uhr stieg sie in Horn in den Bus, kam um 13.33 Uhr am Hauptplatz ihres Heimatortes Pulkau an und ging, so der Vorwurf, nicht direkt nach Hause, sondern zur Videothek. Dort wollte sie Suchtgift vom Angeklagten erwerben - sie litt unter der zwei Tage zurückliegenden Trennung von ihrem Freund, hatte in der Früh Streit mit ihrer Mutter, weil sie einen Psychologen aufsuchen sollte.

November 2006: Trotz intensiver Suche bleibt die Jugendliche verschwunden. Ein Ermittlungsteam des Landeskriminalamtes Niederösterreich (LKA NÖ) bearbeitet den Fall.

Jänner/Februar 2010: Das Bundeskriminalamt (BK) rollt den Fall neu auf.

März 2010: Neuerlich wendet sich die Polizei an die Öffentlichkeit. Mehr als 150 Hinweise gehen ein. Ein Jugendlicher liefert Hinweise zu drei Personen, mit Julia Kührer zuletzt gesehen worden sein soll.

10. Mai 2010: Die drei Jugendlichen werden festgenommen. Sie sollen, so die Polizei, bewusst Informationen zurückgehalten haben.

12. Mai 2010: Alle drei Festgenommenen werden enthaftet. Die Indizien reichen laut dem Haftrichter in Korneuburg nicht für einen hinreichend dringenden Tatverdacht aus.

4. August 2010: Eine neue Abbildung der Abgängigen, bei dem das Institut für Anthropologie der Universität Freiburg berechnet hat, wie Kührer vier Jahre nach ihrem Verschwinden aussehen könnte, bringt neue Hinweise - aber keinen Durchbruch.

11. April 2011: Das Bundeskriminalamt setzt 25.000 Euro Belohnung aus.

30. Juni 2011: In Dietmannsdorf (Bezirk Hollabrunn) in der Nähe des Wohnortes von Julia werden in einem Erdkeller Knochenteile gefunden. In den folgenden Tagen wird das vollständige Skelett entdeckt.

1. Juli 2011: Der 50-jährige Besitzer des Kellers und Verfügungsberechtigte über das Grundstück, der in Wien wohnt und die 16-Jährige kannte, wird festgenommen. Er leugnet jeden Tatzusammenhang. Unbekannte sollen die Tote auf seinem Grundstück abgelegt haben.

3. Juli 2011: Michael K. wird enthaftet. Der zuständige Richter sieht keinen Tatverdacht. Die Staatsanwaltschaft Korneuburg bringt - ohne Erfolg - gegen die Enthaftung Beschwerde beim Oberlandesgericht ein.

5. Juli 2011: Im Zuge weiterer Ermittlungen am Fundort wird ein Teil einer verbrannten blauen Decke gefunden. Sie soll auf DNA-Spuren untersucht werden, die zum Täter führen können.

Jänner 2012: Die sterblichen Überreste Julia Kührers werden von der Staatsanwaltschaft Korneuburg freigegeben. Ernüchterndes Ergebnis der Gerichtsmedizin: Die Todesursache kann nicht festgestellt werden.

4. Februar 2012: Mehr als fünf Jahre nach ihrem Verschwinden und sieben Monate nach dem Auffinden ihrer skelettierten Leiche wird die Tote beigesetzt.
August 2012: Ermittler des BK suchen erfolglos Käufer einer Decke der Marke „Borbo Orion“, die neben der Leiche gefunden wurde.

5. Dezember 2012: Der bereits 2011 verdächtigte Michael K. wird erneut in Wien festgenommen. Auf dem verkohlten Deckenrest, das sich bei der Leiche Julias befand, wurden DNA-Spuren des mittlerweile 51-Jährigen sichergestellt.

Februar 2013: Die Staatsanwaltschaft Korneuburg schließt das Ermittlungsverfahren im Fall Kührer ab.

April/Mai 2013: Die Mordanklage wird fertiggestellt, der Zustellung folgt ein Einspruch, den die Verteidigung dann wieder zurückzieht.

Juli 2013: Der Prozesstermin wird fixiert. Das Landesgericht Korneuburg schreibt Verhandlungstage am 10., 11., 12., 17., 19., 20. und 24. September aus.

;