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Macht es Sinn, für Umwelt auf Kinder zu verzichten?

Heute Redaktion
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Eine deutsche Autorin fordert dazu auf, aus Umweltschutzgründen aufs Kinderkriegen zu verzichten. Nicht alle finden diese Idee moralisch vertretbar.

"Ein Kind ist mitunter das Schlimmste, was man der Umwelt antun kann", sagt die deutsche Autorin und Lehrerin Verena Brunschweiger. Am Mittwoch hat sie ihr Buch "Kinderfrei statt kinderlos – Ein Manifest" veröffentlicht und damit eine Debatte entfacht. Als sie vor einigen Jahren ihren Partner geheiratet habe, habe sie damit begonnen, sich intensiv mit dem Kinderkriegen zu beschäftigen. Durch ausführliche Recherchen sei sie zum Schluss gekommen, vor allem aus Umweltgründen, auf Kinder zu verzichten.

"Jedes nicht in die Welt gesetzte Kind bedeutet eine CO2-Einsparung von rund 58,6 Tonnen im Jahr", sagt Brunschweiger zum Schweizer Nachrichtenportal "20 Minuten". Zum Vergleich: Ein Jahr lang vegan zu essen, führt laut kanadischen Forschern zu CO2-Einsparungen von 3,8 Tonnen. Der Verzicht aufs Kind sei damit ein besonders wirksamer Schritt, um das Klima zu schützen, schlussfolgert die Autorin.

"Mir wird immer wieder unterstellt, dass ich keine Kinder mag. Aber das ist falsch. Ich bin allgemein sehr umweltbewusst. Ich fahre so gut wie nie Auto, fliege nicht und esse kein Fleisch. Ich könnte es schlicht nicht mit mir vereinbaren, Kinder zu kriegen, wenn ich weiß, dass sie die größte CO2-Schleuder sind", erklärt Brunschweiger.

Ein Experten-Zusammenschluss habe vor einiger Zeit die Idee erarbeitet, Frauen, die bis 50 Jahre kinderfrei sind, mit gut 44.000 Euro zu belohnen. Diesen Ansatz findet sie gut. Generell laste auf den Frauen noch immer ein großer gesellschaftlicher Druck, wenn es ums Kinderkriegen gehe:

"Nur weil ich eine Gebärmutter und zwei Eierstöcke habe, heißt das nicht, dass ich diese auch gebrauchen muss."

Eine umweltbewusste Frau, die einen starken Kinderwunsch hege, könne auch einfach eins statt mehrere Kinder bekommen. Und die Adoption sei ebenfalls eine gute Option. "Ein endlicher Planet hat nicht Platz für unendlich viele Menschen. Deshalb bin ich für eine Bevölkerungsreduktion auf 7 Milliarden Menschen", sagt Brunschweiger. Nur wenn es nicht zu viele Menschen gebe, könnten Natur und Tierwelt nachhaltig erhalten bleiben.

Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann findet den Ansatz, als private, umweltpolitische Maßnahme auf Kinder zu verzichten, abwegig: "Das Umweltproblem zu einem Bevölkerungsproblem umzudefinieren, war immer schon die Lieblingsvorstellung der Konservativen." Das sei nichts weiter als Ablenkung von den tatsächlichen Herausforderungen, vor denen wir stehen, nämlich den Wachstumszwang zu reduzieren, den uns der heute vor allem globale Wettbewerb aufzwinge.

"Kinder in die Welt zu setzen oder es zu lassen, ist ein Menschenrecht. Nun soll es zur moralischen Menschenpflicht werden, dies zu unterlassen", sagt Thielemann. Er hält es nicht für plausibel, dass sich die Idee von Brunschweiger ausbreitet. Denn die Vorstellung, den eigenen, innigst gewünschten Nachwuchs zum Umweltproblem zu erklären, widerspreche grundlegenden menschlichen Vorstellungen.

Gefährlich werde es allerdings, wenn aus der moralischen Pflicht eine Rechtspflicht würde. Zwar schlage Verena Brunschweiger dies nicht direkt vor, die von ihr genannte Entlohnung für

Kinderlosigkeit bis zum 50. Lebensalter ziele aber in diese Richtung. "Die Frage ist, woher die finanziellen Mittel für so etwas stammen sollten, da dadurch gleichzeitig doch das Wachstum gemindert würde", sagt Thielemann.

In der westlichen Welt würden die Geburtenraten ohnehin seit Jahrzehnten auf einem tiefen Niveau liegen. Hoch seien die Raten dort, wo Armut und ökonomischer Druck auf menschliche Grundbedürfnisse herrschen. "Kinderreichtum dürfte in den ärmeren Gebieten weniger Ausdruck eines innigen Kinderwunsches sein, als vielmehr eine Überlebensversicherung", sagt Thielemann. Könnten diese Staaten oder Entwicklungsländer am mittleren globalen Wohlstandsniveau teilhaben, würden auch die Geburtenraten sinken. Gleichzeitig gäbe es dann aber auch mehr globales Wachstum und damit stärkeren Ressourcenverbrauch.

"Das ist das Dilemma. Hier zeigt sich der globale Umweltkonflikt in seiner ganzen Härte", erklärt der Wirtschaftsethiker. Der einfachere und unmittelbarere Weg, um die Umwelt zu schonen, wäre, den globalen Wettbewerbsdruck zu reduzieren und solchen Ländern eine eigenständige, möglichst ökologisch nachhaltige industrielle Entwicklung zu ermöglichen.

Ist auch für Sie klar, dass Sie keine Kinder wollen? Haben Sie das Gefühl, sich dafür rechtfertigen zu müssen? Teilen Sie Ihre Erfahrung mit uns!

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