Synthetische Cannabinoide

Viel stärker! Vor dieser Droge wird in Wien gewarnt

Immer häufiger wird Cannabis mit synthetischen Cannabinoiden versetzt. Eine unsichtbare Gefahr, wie "checkit!"-Leiterin Bettina Hölblinger warnt.

Christine Scharfetter
Viel stärker! Vor dieser Droge wird in Wien gewarnt
Synthetische Cannabinoide werden beispielsweise auf den Bud aufgesprüht. Die Unwissenheit davon in Kombination mit der ungleichmäßigen Verteilung birgt ein hohes Risiko.
Getty Images

Während die tödlichste Droge der Welt – Carfentanyl – in Wien (noch) keine Rolle spielt, wird etwas ganz anderes immer mehr zum Problem: synthetische Cannabinoide. Die künstlich hergestellten Substanzen haben eine ähnliche Wirkung wie pflanzliches Cannabis, sind allerdings "um ein Vielfaches stärker als THC, also Tetrahydrocannabinol, der psychoaktive Hauptwirkstoff in den Cannabispflanzen", erklärt "checkit!"-Leiterin Bettina Hölblinger im "Heute"-Interview. Ein Risiko, das kaum einschätzbar sei.

"checkit!", die Info- und Beratungsstelle zum Thema Freizeitdrogen mit der Homebase in der Gumpendorfer Straße 8 hat es sich zum Ziel gesetzt Jugendliche und junge Erwachsene mit den verschiedensten Angeboten über Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken aufzuklären – anonym und kostenlos.
Dazu zählt auch das "Integrated Drug Checking". Hölblinger dazu: "Wir bieten Substanzanalysen an, immer gekoppelt an ein Informations- und Beratungsgespräch. Dabei sind die meisten bei uns zur Analyse abgegeben Substanzen Kokain, Ecstasy – also MDMA -, Amphetamine, Speed." Im reinen Beratungsgespräch spiele allerding auch Cannabis immer wieder eine große Rolle.

Welche Personen erreicht "checkit!"?

Zu uns kommen Menschen mit unterschiedlichen sozioökonomischen Hintergründen und den unterschiedlichen Konsummustern. Das reicht von Personen, die vielleicht einmal im Monat Cannabis konsumieren und sich informieren wollen, bis zu Menschen, die sehr viel konsumieren und daran etwas ändern wollen.

"<a rel="nofollow" data-li-document-ref="100239601" href="https://www.heute.at/s/diese-streckmittel-machen-drogen-noch-gefaehrlicher-100239601">checkit!</a>"-Leiterin Bettina Hölblinger im "<em>Heute</em>"-Interview.
"checkit!"-Leiterin Bettina Hölblinger im "Heute"-Interview.
Scharfetter

Welche Substanzen dürfen zu Analyse gebracht werden?

Ursprünglich synthetische psychoaktive Substanzen, 2020 haben wir entscheiden, dass man auch Cannabisproben bei Verdacht auf synthetische Cannabinoide analysieren lassen kann. Sprich, es hatte eine ungewöhnliche Wirkung, war sehr stark oder es kam von einer Bezugsquelle, die ich nicht kenne.

2023 wurden bei "checkit!" insgesamt 2.429 Substanzproben zur Analyse abgegeben. 83 Proben davon waren Cannabis mit Verdacht auf synthetische Cannabinoide. Bei 23 Prozent hat sich der Verdacht bestätigt.

Was sind synthetische Cannabinoide?

Synthetische Cannabinoide gibt es schon sehr lange. Die Substanzen werden im Labor hergestellt und wirken auch im Endocannabinoid-System, einem Teil des Nervensystems, genauso, wie THC, nur in synthetischer Form und oftmals viel stärker. Rund um das Jahr 2008 kam "Spice" auf den Markt, eine Räuchermischung, die ein ganz bekanntes synthetisches Cannabinoid enthielt: JWH-018. Damals wurde es noch legal auf eine Trägersubstanz – in dem Fall getrocknetes Eibisch – aufgetropft. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von synthetischen Cannabinoiden mit den unterschiedlichsten Namen.

In welcher Form werden die Substanzen konsumiert?

In Liquids, als Pulver, das auf dem Tabak verteilt wird, oder eben aufgetropft auf ein Trägermaterial zum Rauchen. Die Verteilung auf dem Trägermaterial ist jedoch ungleichmäßig. Man weiß nicht, wie viel von der Substanz enthalten ist. Generell raten wir vom Konsum synthetischer Cannabinoide ab, weil es dazu zu wenig Forschung, zu wenig Datenlage gibt und es ein einfach ein hohes Risiko birgt.

Was ist die Gefahr hinter diesen Substanzen?

Einerseits die sehr ungleichmäßige Verteilung durch das Aufsprühen der Substanz auf beispielsweise die getrocknete Cannabisblüte, den Bud. Das heißt, ich weiß nie, wie viel darauf ist und kann nicht dosieren. Ich habe somit ein Risiko, das ich nicht einschätzen kann. Dadurch kann sehr schnell zur Überdosierung und zu Vergiftungserscheinen kommen, die im schlimmsten Fall auch lebensbedrohlich sein können. Eine noch größere Problematik, die wir darin sehen ist allerdings,, dass die Konsumentinnen und Konsumenten oft gar nicht wissen, dass sie synthetische Cannabinoide konsumieren.

Warum nicht?

Sie gehen von einem pflanzlichen Cannabisprodukt, THC, aus, ohne zu wissen, dass dieses mit synthetischen Cannabinoiden versetzt wurde. Die Schwierigkeit ist, synthetische Cannabinoide kann ich nicht riechen, nicht sehen, nicht schmecken.

Die Schwierigkeit ist, synthetische Cannabinoide kann ich nicht riechen, nicht sehen, nicht schmecken.

Wieso macht man das?

Eine Vermutung wäre die Gewinnorientierung. Womöglich wird CBT-haltiges Cannabis mit geringem THC-Anteil, von dem es große Mengen gibt, damit versetzt und als höher Tetrahydrocannabinol-haltiges Cannabis verkauft.

Werden synthetische Cannabinoide auch bewusst konsumiert?

Wir sehen hier sehr wenige Menschen, die das wirklich möchten. Auch laut einer Erhebung des European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction gaben europaweit nur 7 Prozent der Befragten an, synthetische Cannabinoide bewusst konsumieren zu wollen.

Zu welchen Nebenwirkungen kann es bei einer Überdosis mit synthetischen Cannabinoiden kommen?

Die Wirkung ist, wie schon gesagt, um eine Vielfaches stärker, es geht aufs Herzkreislaufsystem, es kann Übelkeit, Erbrechen mit sich bringen, Schwindel, Halluzinationen, psychotische Zustände, es wirkt zum Teil antriebssteigernd.  Dies kann zu Herzrasen führen, es kann zur Bewusstlosigkeit kommen und wenn man dann erbricht, kann es im schlimmsten Fall auch tödlich enden.

Es kann zur Bewusstlosigkeit kommen und wenn man dann erbricht, kann es im schlimmsten Fall auch tödlich enden.

Wie soll man beim Cannabis-Konsum derzeit vorgehen?

Da Cannabis gestreckt sein kann, erst einmal eine geringe Menge testen, nur einen Zug nehmen und abwarten. Sollte die Wirkung ungewöhnlich sein, nicht weiter konsumieren und im Idealfall testen lassen. Keinen Mischkonsum betreiben – das gilt auch für Alkohol – da diese Interkation sehr unangenehm werden kann und sehr risikoreich ist. Schauen, dass die Substanz gut vermischt ist, beispielsweise mit einem sogenannten Grinder. Und ganz wichtig: Nie alleine konsumieren, weil einfach das Risiko einer Überdosierung gegeben sein kann.

Gibt es bereits Todesfälle?

In Österreich sind mir keine Fälle bekannt, aber aus Ungarn wurden 2020 Todesfälle gemeldet, bei denen synthetische Cannabinoide mit im Spiel waren.

Auf den Punkt gebracht

  • In Wien wird vor der vermehrten Verwendung von Cannabis mit synthetischen Cannabinoiden gewarnt, da diese Substanzen um ein Vielfaches stärker als THC sind und eine unsichtbare Gefahr darstellen
  • Die ungleichmäßige Verteilung und das oft unbewusste Konsumieren dieser Substanzen birgt ein hohes Risiko für Überdosierungen und Vergiftungen, was zu lebensbedrohlichen Zuständen führen kann
  • Trotzdem wird geraten, beim Cannabis-Konsum vorsichtig zu sein, da gestreckte Produkte zu unvorhersehbaren und gefährlichen Wirkungen führen können
kiky
Akt.