Österreich

Vierfach-Mama: "Kann mir Zahn-Sanierung nicht leisten"

Daniela B. (46) lebt knapp über der Armutsgrenze. Die Oberösterreicherin würde gerne ihre Zähne sanieren lassen, doch das Geld dafür fehlt.

Christine Ziechert
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Daniela B. kämpft sich aus der Armutsfalle.
Daniela B. kämpft sich aus der Armutsfalle.
Fotolia/privat

Daniela B. (46) ist eine echte Kämpferin. Die Oberösterreicherin geriet mit ihrem Mann und vier Kindern vor knapp zehn Jahren in die Armutsfalle: "Mein Mann war zehn Jahre lang bei einer Firma im Sicherheitsdienst angestellt. Doch dann hatte er ein Burnout, und schließlich bekam er die Kündigung", erinnert sich die Mutter von vier Kindern (13, 15, 18 und 25 Jahre).

Die Familie konnte sich die Wohnung in der Stadt nicht mehr leisten: "Wir mussten uns etwas Günstiges am Land suchen", meint Daniela B. Hinzu kommt, dass eines der Kinder schwer krank ist: "Unser Jüngstes wurde mit Zwerchfellhernie geboren. Dadurch sind die Organe in den Brustraum hinauf gerutscht, die Lunge konnte nicht richtig wachsen. Zwei Drittel der Lunge sind so vernarbt, dass sie nicht zu gebrauchen sind. Zum Glück wird es von Jahr zu Jahr etwas besser", meint die 46-Jährige.

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    EXPA / APA / picturedesk.com

    Weg aus der Armutsfalle dauerte sechs Jahre

    Aus Angst vor längerer Arbeitslosigkeit ließ sich der Mann von Daniela B., ein ausgebildeter Tischler, schließlich auf eine Arbeit als freier Dienstnehmer ein und übernahm Handwerksarbeiten: "Fazit war, dass er weder Anspruch auf Sozialleistungen noch Krankenstand noch Urlaub hatte. Zudem bekam er kein fixes Gehalt. Mal waren es 800 Euro, dann wieder 1.600 Euro. Der Weg aus dieser Armutsfalle hat fast sechs Jahre gedauert", meint die 46-Jährige.

    Mangels Geld wurden die Kontakte weniger, Teilhabe war oft nicht mehr leistbar, berichtet Daniela B.: "Wir haben keine Ausflüge gemacht, waren nur daheim. Wenn 17 Euro für den Schulfotografen fällig waren, habe ich das ganze Lebensmittel-Budget umschmeißen müssen. Ausgaben, wie Turnschuhe für die Schule, sind oft wochenlang geschoben worden. Wir haben gespart, wo es ging, haben etwa viel Obst und Gemüse selbst angebaut."

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      Papa und Mama&nbsp;kämpfen für die Gerechtigkeit von ihrem Sohn David.
      Papa und Mama kämpfen für die Gerechtigkeit von ihrem Sohn David.
      privat
      "Am Land haben die Beschämungen angefangen. Die Armut von uns war ja schon sichtbar" - Daniela B.

      Vier Jahr lang lebte die Familie in einem Dorf, hatte mit vielen Vorurteilen zu kämpfen: "Dort haben die Beschämungen angefangen. Die Armut von uns war ja schon sichtbar. Es gab auch offene Anfeindungen, dass man etwa zu faul ist, um zu arbeiten. Unwissenheit, Angst und Demütigungen haben erreicht, dass wir uns mehr und mehr zurückgezogen haben. Und irgendwann glaubst du dann selbst: 'Ich bemühe mich zu wenig'", erzählt Daniela B.

      Besonders ein negatives Erlebnis ist der Oberösterreicherin in Erinnerung geblieben: "Wir hatten eine Betriebskosten-Nachzahlung in der Höhe von 300 Euro offen. Es war in den Sommerferien, und ich war mit den Kindern ausnahmsweise einmal im Freibad. Als wir am Abend nach Hause gekommen sind, hat der Vermieter mich vor den Kindern runter gemacht und gemeint, was ich mir erlaube, mit den Kindern ins Bad zu gehen."

      Eigener Twitter-Account mit 14.000 Followern

      Daniela B. reichte es, sie eröffnete an diesem Tag ihren Twitter-Account, auf dem sie regelmäßig über ihr Leben berichtet: "Zum Glück gab es bis jetzt viele positive Rückmeldungen." Schließlich wurde Daniela B.'s Mann angestellt, sie selbst ist im Kommunikationsbereich tätig. Trotzdem lebt die Familie derzeit knapp über der Armutsgrenze: "Wirklich Ausgaben machen, trau' ich mich nicht. Ich überlege jeden Schritt genau."

      Auch das Thema Zahngesundheit ist bei vielen Armutsbetroffenen ein Thema, wie Daniela B. aus eigener Erfahrung weiß: "Ich habe seit meiner Jugend eine komplette Schiefstellung bei meinen Zähnen. Daher schaue ich immer, dass man meine Zähne nicht sieht. Ich lache so gut wie nie auf Fotos. Jetzt wollte ich mich endlich darum kümmern, doch es ist einfach nicht leistbar. Trotz Zuzahlung der ÖGK kostet es über 1.000 Euro." Unter dem Motto "Keep Daniela smiling" wurde daher eine Spendenkampagne ins Leben gerufen – 4.761 Euro wurden bereits gesammelt: "Alles, was nicht für die Zahn-Regulierung benötigt wird, wird auf andere Armutsbetroffene aufgeteilt", versichert Daniela B.

      "Keiner, der in Armut lebt, verlangt Luxus. Aber eine gewisse Teilhabe sollte möglich sein" - Daniela B.

      Um mit Vorurteilen gegenüber armutsbetroffenen Menschen aufzuräumen, gründete Daniela B. die Seite ar-mut.com. Hier kommen Betroffene zu Wort und schreiben über ihren Alltag, ihre Erfahrungen, Sorgen und Hoffnungen: "Keiner, der in Armut lebt, verlangt Luxus. Aber eine gewisse Teilhabe sollte möglich sein. So viele resignieren, es geht nur mehr ums Funktionieren. Wenn man jahrelang in diesem Teufelskreis drinnen ist, muss man es erst einmal schaffen, dass man wieder aufsteht."

      Zusätzlich gründete die Vierfach-Mutter eine eigene Gruppe für Armutsbetroffene, damit sich diese untereinander vernetzen können, hält Vorträge zu armutssensibler Sprache und organisiert Gratis-Workshops für finanziell Benachteiligte: "Typische Fehler in der Berichterstattung sind etwa Bilder, die zu sehr auf die Tränendrüse drücken. Das Thema Armut braucht kein Mitleid, sondern, dass die Leute aufstehen."