Kaum lagen am Sonntag die ersten Hochrechnungen vor, ging bei den Spitzenkandidaten auch schon das Feilschen ums Regieren los. Die schwer geschlagene ÖVP beziehungsweise Partei-Chef Karl Nehammer sprach von einem "bitteren" Ergebnis, hielt aber "Gespräche" nun für "das Wichtigste".
"Das Ergebnis der SPÖ ist nicht das, was man sich wünschen würde", erklärte SPÖ-Chef Andreas Babler, der die "Hand ausstreckt", denn seine Partei sei da, Verantwortung zu übernehmen.
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger wollte "schauen, was gemeinsam geht", Grünen-Chef Werner Kogler war sich sicher, beim Regieren "unseren Beitrag zu leisten".
Die Gunst der Stunde nutzte der Wahlsieger, FPÖ-Chef Herbert Kickl: "Der Wähler ein Machtwort gesprochen", "wir sind bereit, auch eine Regierung zu führen". Im ORF damit konfrontiert, dass keine der anderen Parteien mit ihm eine Regierung bilden wolle, spielte Kickl eine Trumpfkarte aus und brachte damit die anderen Spitzenkandidaten in Erklärungsnot.
"Klarer, als es heute gewesen ist, kann es ja nicht sein", so der FPÖ-Chef, "unsere Hand ist ausgestreckt, in alle Richtungen. Ich bin für Gespräche mit allen bereit". Nachsatz: Jetzt müssten die anderen Parteien zeigen, wie ernst sie Demokratie wirklich nehmen würden.
Spannend wird es, wenn es darum geht, was die Wähler wirklich wollen – und das zeigt eine ORF-Wahlbefragung zur Nationalratswahl 2024 (1.248 Befragte, ±2,8 Prozentpunkte) von Foresight/ISA im Auftrag des ORF.
Traditionell wollen die jeweiligen Partei-Wähler ihre Partei in einer Regierung sehen – bei der ÖVP 95 Prozent, bei der SPÖ 98 Prozent, bei der FPÖ 96 Prozent, bei den Grünen 98 Prozent und bei den NEOS 94 Prozent.
Völlig unterschiedlich fallen aber die Antworten aus, wenn es um eine andere Partei, also einen möglichen Koalitionspartner geht.
FPÖ-Wähler würden demnach am liebsten die ÖVP (61 Prozent) in einer gemeinsamen Regierung sehen, die anderen Parteien kommen kaum in den Wünschen vor: SPÖ 17 Prozent, NEOS 11 Prozent, Grüne 1 Prozent.
Umgekehrt fällt diese Koalitions-Liebe aber nicht auf fruchtbaren Boden. ÖVP-Wähler würden sich demnach am ehesten die NEOS als Partner wünschen (40 Prozent), könnten auch mit der SPÖ gut leben (39 Prozent). FPÖ (26 Prozent) und Grüne (22 Prozent) bevorzugt da nur rund jeder vierte ÖVP-Wähler.
Die Grünen-Wähler würden sich wiederum am ehesten in einer Koalition mit der SPÖ wohlfühlen (61 Prozent), auch ginge es mit den NEOS (40 Prozent), nur bedingt mit der ÖVP (28 Prozent) und so gut wie gar nicht mit der FPÖ (7 Prozent). Bei den roten Wählern fällt dies auf wenig Gegenliebe, denn die bevorzugen zu 46 Prozent die ÖVP und zu 35 Prozent die NEOS, die Grünen folgen erst auf Platz 3 mit 34 Prozent. Gemeinsamkeit: Auch unter den SPÖ-Wählern gibt es nur 5 Prozent, die gerne mit der FPÖ würden.
Da wünschen sich nämlich 60 Prozent der Wähler die ÖVP in der Regierung, dahinter überraschend 48 Prozent die SPÖ und nur 37 Prozent die FPÖ, 33 Prozent die NEOS und 27 Prozent die Grünen. Das Argumentieren mit dem Wählerwillen könnte also spannend werden.
Unter den NEOS-Wählern sieht es nicht viel anders aus: 53 Prozent würden gerne die ÖVP in einer Regierung sehen, 35 Prozent die Grünen, 33 Prozent die SPÖ und 11 Prozent die FPÖ. Kurios wird es, wenn man schließlich alle Befragten in einer Liste analysiert, also auch jene der Kleinparteien. Obwohl die FPÖ die Wahl deutlich vor der ÖVP gewinnen konnte, sieht es anders aus, wenn es um das Regieren geht.