Die Regierungsgespräche zwischen FPÖ und ÖVP gehen diese Woche in die heiße Phase – selbst am Wochenende wurde weiterverhandelt. Auf die Semesterferien verzichten die beiden Parteien. Pause soll es keine geben, stattdessen sollen die letzten Weichen für eine blau-schwarze Regierung und damit auch für einen Kanzler Herbert Kickl gestellt werden. "Die kommenden Tage werden vorentscheidend", sagt ein Insider gegenüber "Heute".
Das ist auch höchst an der Zeit. Immerhin bahnt sich ein neuer Rekord der Zweiten Republik an. Am Montag dauern die Koalitionsverhandlungen schon 128 Tage an – am Mittwoch sind es insgesamt 130. Länger hatten die Gespräche noch nie gedauert.
Vorerst wird nun aber Tacheles geredet. Kickl, Stocker und ihre engsten Vertrauten diskutieren vor allem über den Blick auf Österreich in der Welt. In den Untergruppen sei etwa Wien als UNO-Standort und Blauhelm-Mandate zur Friedenssicherung in Frage gestellt worden: "Das geht natürlich gar nicht. Die totale Abschottung wäre für Österreich fatal, wir brauchen internationale Partner und Handel", so ein VP-Stratege gegenüber "Heute".
Die Schwarzen drängen darauf, zu Verhandlungen "auf Augenhöhe" zurückzukehren: "Wir respektieren, dass die FPÖ die Wahl gewonnen hat, aber im Wahlergebnis trennen uns nur 2,5 Prozent."
Wenn diese zentralen Punkte außer Streit gestellt sind, kommt auch das von der Volkspartei am Wochenende eingebrachte Modell eines Bankenbeitrags aufs Tapet. Dabei dürfte sich zeigen, ob sich die Freiheitlichen mit den eingebrachten ÖVP-Vorschlägen zufriedengeben. Immerhin sollen die Geldinstitute demnach günstigere Kredite für Häuslbauer vergeben, die Versorgung des ländlichen Raums mit Bankomaten gewährleisten sowie Unternehmensinvestitionen.
Doch um eine echte Bankenabgabe, wie es die FPÖ forderte, handelt es sich dabei nicht. Das Entgegenkommen der Volkspartei würde zwar rund 200 Millionen Euro kosten und die Wirtschaft ankurbeln, zur Sanierung des 6,3 Milliarden schweren Budgetlochs wird dadurch aber nichts beigetragen.
Auf der Agenda steht laut "Heute"-Informationen zudem auch weiterhin ein neues Tempolimit auf den heimischen Autobahnen. Die FPÖ fordert eine Erhöhung auf 150 km/h. Im ersten Schritt sei hier aber eine Pilotphase in einem "sehr begrenzten Ausmaß" angedacht. Auch dieses Thema wird in der Steuerungsgruppe verhandelt.
Die Bankenabgabe ist zudem nicht der einzige Stolperstein, den ÖVP und FPÖ auf dem Weg zu einer Regierung überwinden müssen. Denn auch in der Außenpolitik, beim ORF und bei Corona sind noch mehrere Bereiche auf Rot gestellt. Die Volkspartei pflegt weiterhin eine pro-europäische Linie. Ein Ausstieg aus den Vereinten Nationen kommt für die Schwarzen nicht infrage – immerhin ist Wien auch UNO-Sitz.
Auch beim ORF ist man noch nicht fertig. Die FPÖ drängt weiterhin auf das Ende der Haushaltsabgabe. Der Weg dorthin: 15 Prozent Einsparung beim ORF, eine Reduktion der Fernsehgebühr auf 10 Euro pro Monat schon 2026 und die komplette Abschaffung dann im Jahr darauf.
Darüber hinaus ist man sich auch bei Corona uneinig, vor allem bei der Aufarbeitung der Gesundheitskrise. Die Freiheitlichen sind zwar von einem Untersuchungsausschuss abgerückt – Wiener Stadtrat Dominik Nepp könne sich die Aufarbeitung auch durch eine Kommission vorstellen, dennoch soll es an Leistungen nicht mangeln. Ähnlich wie in Niederösterreich könnte hier ein Wiedergutmachungsfonds angedacht sein.
Ein weiteres heißes Thema dürfte diese Woche letztlich die von FPÖ-Chef Herbert Kickl am Wochenende eingebrachte Asyldebatte sein. Die Freiheitlichen wollen dort eine grundlegende Reform und Pullfaktoren beseitigen. Weil entsprechende Gesetze dafür aber erst in Monaten greifen würden, soll laut dem FPÖ-Chef ein "Sofort-Schutz" zum Einsatz kommen. Gedacht ist dabei an eine Erhöhung der Wartefrist für die Staatsbürgerschaft von 10 auf 15 Jahre.
Der Hintergrund dafür ist die Flüchtlingswelle 2015. Damals wurden in Österreich rund 88.340 Asylanträge gestellt. Diese Menschen könnten nun nach dem Ablauf der 10-Jahres-Frist die Staatsbürgerschaft beantragen, wie der blaue Frontmann fürchtet.
"Asyl ist Schutz auf Zeit und nicht der Deckmantel für eine Masseneinwanderung, vornehmlich nur in unser Sozialsystem", ließ Kickl am Sonntag gegenüber "Heute" und "Krone" aufhorchen. Er will deshalb rasch die Zeitdauer bis zur Staatsbürgerschaftsverleihung von aktuell 10 auf 15 Jahren erhöhen. Das würde verhindern, "dass in den kommenden Monaten Tausende Menschen eingebürgert werden und damit das Wahlrecht erhalten, die im Zuge des Asylansturms ab 2015 ins Land gekommen sind".
Beim Asylkapitel soll man sich weitestgehend einig sein. Offene Punkte sind lediglich Begrifflichkeiten wie "Remigration".
Diese Woche geht's dann erstmals auch um Posten und die Ministerien werden zugeteilt. Die ÖVP hat neben dem Innenressort dem Vernehmen nach auch das Finanzministerium noch nicht aufgegeben, das sie gerne halten möchte, wenn logischerweise die FPÖ ins Kanzleramt einzieht.
Kanzleramt, Verteidigung, Justiz sollen zudem fix an die Blauen gehen, während die ÖVP das Landwirtschaftsministerium behält. Das finanzstarke Infrastrukturministerium wird jener Partner erhalten, der im Tauziehen ums Finanzressort unterliegt.
Als Verlierer soll am Ende der Verhandlungen aber keiner dastehen. FPÖ-Chef Herbert Kickl ließ am Sonntagnachmittag auf Facebook ausrichten, dass es vielmehr gleich drei Sieger geben soll. "Österreich mit seiner Bevölkerung und die beiden Verhandlungspartner! Genau darauf arbeiten wir hin", schrieb er in einem Beitrag.