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Israel: Knappes Rennen, hohe Wahlbeteiligung

Heute Redaktion
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Israels Premier Benjamin Netanjahu muss um sein Amt bangen. Exit-Polls zeigen ein sehr knappes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Premier und Herausforderer Benny Gantz.

Innerhalb von nur zwölf Monaten wählt Israels Regierung ein neues Parlament – und womöglich auch einen neuen Premierminister. Grund für das Desaster: Nach den Wahlen im April scheiterten die Koalitionsverhandlungen, die Knesset (Israels Parlament) wurde aufgelöst, erneute Neuwahlen angesetzt.

Laut erste Exit-Polls vor den Wahllokalen dürfte es abermals auf ein äußerst knappes Rennen zwischen Netanjahus konservativer Likud-Partei und dem neuen Mitte-Bündnis "Blau-Weiß" von Herausforderer Benny Gantz werden. Keiner der beiden Bündnisse hat die notwendige Mehrheit. Der ehemalige Verteidigungsminister Avigdor Liberman mit seiner nationalkonservativen "Israel Beitenu" dürfte abermals das Zünglein an der Waage werden.

Das vorhersehbar knappe Rennen sorgte laut ersten Berichten für eine höhere Wahlbeteiligung. Laut der Tageszeitung "Haaretz" gaben in den ersten Stunden so viele Menschen ihre Stimme ab wie seit 1984 nicht mehr. Erste offizielle Hochrechnungen und Ergebnisse wird es aber erst in der Nacht bzw. Mittwochfrüh geben.

Für Netanjahu geht es auch um Freiheit oder Haftstrafe

Spannend bleibt heute die Frage, ob sich Premierminister Bibi Netanjahu (er ist dienstältester Regierungschef Israels) im Amt halten kann. Netanjahu hat das Ziel ausgegeben, eine Regierung ohne Avigdor Lieberman zu bilden. Das dürfte schwierig werden.

Denn: Laut jüngsten Umfragen kann Lieberman mit zehn Mandaten rechnen – doppelt so viele wie noch im April. Für den Premier steht aber nicht nur sein politisches Überleben auf dem Spiel, eine Wahlniederlage könnte für den 69-Jährigen der nächste Schritt in Richtung Gefängnis bedeuten.

Der Hintergrund: Noch heuer will Generalstaatsanwalt Avichai Mandelbit bekannt geben, ob Netanjahu wegen Korruption angeklagt wird. Falls das eintritt, kann Netanjahu das nur als Premierminister verhindern, indem er zwei Gesetze in der Knesset einbringt: Eines, das ihm Immunität zusichert und ein zweites, das dem Obersten Gerichtshof untersagt, dieses und künftige Gesetze, die von der Knesset verabschiedet werden, zu annullieren. Scheitert Netanjahu, droht ihm der Prozess und eine Verurteilung.

Das sind die Herausforderer von Premier Netanjahu

Seine größten Konkurrenten sind immer noch Ex-Armee-Chef Benny Gantz und Ex-Finanzminister Yair Lapid. Vergangenen April schafften sie es mit ihrem Wahlbündnis "Blau-Weiß" auf 35 von 120 Parlamentssitzen und lagen gleichauf mit Netanjahus Likud-Partei.

Letzte Umfragen vor dem Wahlgang

Die Erhebung des israelischen TV-Senders "Kanal 12" sagt 32 Sitze für Blau-Weiß voraus. Die rechten und religiösen Parteien kommen laut Umfrage auf bis zu 67 von 120 Knesset-Sitzen. Davon entfallen allerdings acht Sitze auf die Lieberman-Partei und vier Sitze auf die rechtsextreme Splitterpartei "Otzma" (Stärke), deren Einzug ins Parlament als unsicher gilt.

Der israelische TV-Sender "Kan" sieht das Bündnis Blau-Weiß bei 33 Sitzen und den Likud bei 31. Der rechte Block hat laut Umfrage 66 Sitze, sieben davon entfallen auf Liebermans Partei, vier auf die rechtsextreme "Otzma"-Partei.

Netanyahus Wahlmanöver kurz vor der Abstimmung

In der vergangenen Woche kündigte der Premier an, im Falle eines Wahlsiegs Teile der Westbank zu annektieren. Die Opposition kritisierte die Ankündigung jedoch als Wahl-Manöver. Beim Wahlkampf lief weiters nicht alles rund für den Premier: Netanjahu hat sich mit hervorragenden Beziehungen zu Donald Trump gebrüstet.

Doch nach dem Rücktritt von Trumps Nationalem Sicherheitsberater John Bolton häufen sich die Indizien, dass der US-Präsident aber nicht nur zu einem Treffen mit Irans Regierungschef Hassan Rohani bereit ist – sondern sogar Konzessionen gegenüber Teheran erwägt, um ein Treffen zu ermöglichen.

Allein die Tatsache, dass ein persönliches Gespräch zwischen Trump und Rohani im Gespräch ist, schwächt Netanjahus Position. Und: Bei einem Wahlkampfauftritt in Ashdod nahe des Gazastreifens wurde Raketenalarm ausgelöst. Netanjahu unterbrach seine Rede und wurde in Sicherheit gebracht, während seine Anhänger ungeschützt vor der der Bühne stehen blieben.