Österreich

War Räumung des Protest-Camps illegal?

Heute Redaktion
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Die Zerstörung des Protest-Camps vor der Wiener Votivkirche am Freitagmorgen durch die Polizei und die MA48 könnte ein rechtliches Nachspiel haben. Laut den Wiener Grünen war das Zeltlager behördlich genehmigt und ein Abriss vonseiten der Stadtregierung nicht gefordert. Dem widerspricht die Polizei, die behauptet in Einvernehmen mit der Stadtverwaltung gehandelt zu haben. Welche Rolle spielte das Innenministerium?

Die am Freitagmorgen durch die Polizei und die MA48 könnte ein rechtliches Nachspiel haben. Laut den Wiener Grünen war das Zeltlager behördlich genehmigt und ein Abriss vonseiten der Stadtregierung nicht gefordert. Dem widerspricht die Polizei, die behauptet in Einvernehmen mit der Stadtverwaltung gehandelt zu haben. Welche Rolle spielte das Innenministerium?

für faire Asylgesetze (z.B. das Recht auf Arbeit) und bessere Lebensbedingungen im Flüchtlingslager Traiskirchen. Dem friedlichen Protest wurde ein überraschendes Ende gesetzt. Ohne Vorankündigung wurde das Camp vor dem Gotteshaus von der Polizei umzingelt.

Diese gab den Zeltbewohnern gerade einmal fünf Minuten Zeit, ehe die MA48 mit der Baggerschaufel das Lager dem Erdboden gleichmachte. Dabei wurden die Zelte, das Inventar sowie persönliche Habseeligkeiten großteils zerstört (siehe Video).

Rechtsanwalt prüft

Ob das Vorgehen rechtens war, wird nun ein Anwalt prüfen, erklärte Klaus Werner-Lobo, Menschenrechtssprecher der Grünen gegenüber dem "Standard". Das Camp war nämlich behördlich abgesegnet. "Seit seiner Einrichtung Ende November war das Lager von der ÖH und anderen Gruppen querdurch als politische Versammlung genehmigt", so Werner-Lobo. Zudem habe es vonseiten der Stadtregierung keine Order gegeben, das Lager zu räumen. Sie wurde nicht einmal informiert.

Wer entschied über Räumung?

Doch wer war nun verantwortlich für die aus verfassungsrechtlicher Sicht fragwürdige Aktion? Auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig wusste nichts über die bevorstehende Räumung und machte das Innenministerium dafür verantwortlich. Dort schob man die Verantwortung auf die Polizei ab.

Diese wehrte sich am Samstag in einer Aussendung. "Selbstverständlich hat die Landespolizeidirektion Wien die Vorgangsweise vor dem Einsatz mit der Wiener Stadtverwaltung besprochen und beim Abbau des Lagers im Einvernehmen mit der Stadt gehandelt", erklärte Polizeipräsident Gerhard Pürstl.

Caritas ruft Politiker zum Vermitteln auf

"Es geht nicht um den Streit um Zuständigkeiten, sondern um gemeinsame Lösungen", kritisierte der Wiener Caritas-Direktor Michael Landau. Er beklagte sich zudem über das Verhalten der Politiker, die den Protest kurz vor dem Wahljahr 2013 ignorieren. Die Regierung dürfe "nicht länger auf Tauchstation bleiben und das Leid von Menschen 1. Reihe fußfrei betrachten", wünschte er sich eine "Mutinjektion für die zuständigen Politiker". Er lud jetzt auch Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz ein, um zu vermitteln.

Innenministerium verteidigt sich

Samstagnachmittag meldete sich das Innenministerium nach der Polizei dann doch auch mittels Aussendung zu Wort und verteidigte den Umgang mit Asylwerbern in Österreich. Das zugesagte Angebot an die Votivkirchen-Flüchtlinge, wieder in die von Stadt Wien, Caritas und Ministerium bereitgestellten Quartiere zu ziehen, sei "nach wie vor aufrecht". Und die von der Caritas übermittelte Liste an Personen auf Wiederaufnahme in die Grundversorgung sei bereits geprüft worden.

Das von den Flüchtlingen kritisierte Asylwesen ist aus Sicht des Innenministeriums "qualitativ hochwertig". Österreich sei in den vergangenen zehn Jahren "immer unter den Top-5 EU-Mitgliedsstaaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen" gewesen. Sowohl bei den Asylverfahren als auch bei der Unterbringung von Flüchtlingen leiste Österreich "weit mehr als die europarechtlich vorgegebenen Standards".

Protestkundgebung in der Innenstadt

Zur Forderung auf Zugang zum Arbeitsmarkt merkte das Ministerium an, dass Asylwerber bereits jetzt einer Beschäftigung nachgehen könnten, "drei Monate ab Antragstellung nach erfolgter Prüfung durch das Arbeitsmarktservice" (seit 2004 eingeschränkt auf befristete Beschäftigungsbewilligungen für Saison- und Erntearbeiten bzw. gering entschädigte Hilfstätigkeiten in der Grundversorgung, Anm.). Seit Juni 2012 bestehe die Möglichkeit, einen Lehrberuf aufzunehmen (für Jugendliche bis 18 und nur, wenn keine sonstige Arbeitskraft vermittelt werden kann, Anm.).

Samstagnachmittag fand in der Wiener Innenstadt eine Protestkundgebung gegen die Asylpolitik in Österreich und eine Solidaritätsbekundung für die Flüchtlinge in der Votivkirche statt. Ein großes Polizeiaufgebot sowie "No boarder, no nation, stop deportation" - Rufe begleiteten die Proteste, an der laut Veranstalter rund 1.000 Menschen teilnahmen. Auf Plakaten waren Slogans wie "Österreicher lernt aus eurer Geschichte" und "Die Genfer Flüchtlingskonvention steht über der Campingverordnung" zu lesen.