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Warum sich Theresa May zu Recht fürchten muss

Theresa May fehlen Unterstützer. Ohne ein Wunder hat ihr Brexit-Abkommen keine Chance, sagen die nackten Zahlen.

Heute Redaktion
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Die britische Premierministerin Theresa May braucht 326 Stimmen im Parlament in London, damit ihr Brexit-Abkommen mit der EU heute Abend sicher ratifiziert wird. Insgesamt hat das Unterhaus 650 Abgeordnete. Grob gerechnet muss sie zusätzlich zu ihren Unterstützern rund 115 weitere Abgeordnete auf ihre Seite ziehen oder doppelt so viele dazu bringen, sich der Stimme zu enthalten. Derzeit sehen die Brexit-Verhältnisse im House of Commons so aus:

Die Konservativen, insgesamt 316 Sitze

Tory-Loyalisten (dafür): Mindestens 150 Abgeordnete aus der konservativen Fraktion gelten als absolut loyal. 200 Tory-Abgeordnete haben sich in der Vertrauensabstimmung in der konservativen Fraktion im Dezember hinter Theresa May gestellt. Sie kann heute insgesamt wohl auf etwa 205 treue Tory-Parteifreunde hoffen.

Brexit-Hardliner der Tories (dagegen): Bis zu 80 Mann stark ist die „European Research Group" um den exzentrischen Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg. Das sind die Hardcore EU-gegner. May müsste den Großteil dieser Gruppe auf ihre Seite ziehen, um eine Chance zu haben. Dazu kommen etwa 20 unabhängige EU-Skeptiker bei den Tories.

EU-freundliche Tories (halb-halb): Eine Gruppe von etwa zwölf Abgeordneten um den Ex-Generalanwalt Dominic Grieve kämpft für eine enge Anbindung an die EU oder gar eine Abkehr vom EU-Austritt. Im Brexit-Abkommen dürften einige die Chance sehen, wenigstens einen harten Bruch mit der EU zu vermeiden.

Die Labour Partei, insgesamt 259 Sitze

Labour-Loyalisten (dagegen): Labour-Chef Jeremy Corbyn fordert eine Neuwahl, sollte das Brexit-Abkommen scheitern. Rund 180 Abgeordnete dürften seinem Aufruf folgen und gegen den Deal stimmen.

EU-freundliche Labour-Hinterbänkler (dagegen): Auf den Hinterbänken bei Labour ist eine starke Bewegung entstanden, die ein zweites Referendum und eine Abkehr vom Brexit fordert. Die rund 60 Parlamentarier um den charismatischen Abgeordneten Chuka Umunna dürften das Abkommen auch ablehnen.

Labour-Rebellen (dafür): Bis zu 20 Labour-Abgeordnete könnten versucht sein, für Mays Brexit-Abkommen zu stimmen. Entweder, weil sie selbst vom EU-Ausstieg überzeugt sind, oder weil sie wie die Abgeordnete Caroline Flint in ihren Wahlkreisen eine große Brexit-Wählerschaft haben.

Die Nordiren, insgesamt 10 Sitze





Democratic Unionist Party DUP (dagegen): Die zehn Abgeordneten der nordirischen Protestantenpartei könnten zum Zünglein an der Waage werden. Parteichefin Arlene Foster lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass ihre Partei das Abkommen nicht unterstützen will. Zudem droht die DUP damit, aus der gemeinsamen Regierung mit den Konservativen auszusteigen. Die DUP will keinerlei Sonderstatus für Nordirland akzeptieren, wie er im Brexit-Abkommen vorgesehen ist.

Weitere Opposition, zusammen 65 Sitze





Die Schottische Nationalpartei (SNP), die Liberalen, Grünen, die Waliser-Partei Plaid Cymru haben sich klar gegen den Brexit positioniert und fordern ein zweites Referendum.

Fazit: Theresa May kann sich zur Stunde mit Recht vor dem Ausgang der Abstimmung fürchten. Labour-Chef Corbyn kündigte im Falle einer Niederlage Mays ein Misstrauensvotum an. Wann das stattfinden soll, ließ er offen.

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(GP)