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Warum sich noch keiner über den Brexit-Deal freut

Heute Redaktion
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Nur weil nun ein fertiges Brexit-Papier vorliegt, heißt das noch lange nicht, dass es geschafft ist. Der Verhandlungsmarathon geht weiter, mit vielen Hürden. >>>

Ein Durchbruch soll das gewesen sein, was die britische Regierung am Dienstag Abend verkündete. Ob es ein "Durchbruch zum Licht am Ende des Tunnels" oder eher ein chaotischer "Blinddarm-Durchbruch" ist, muss sich allerdings noch herausstellen.

Denn "über den Berg" ist man in Sachen EU-Austritt noch lange nicht. Theresa May muss noch eine Reihe von Leuten von dem fertigen Papier überzeugen - und das wird schwierig.

Viel Überzeugungsarbeit

Zunächst will sie am Dienstag ihre eigenen Regierungskollegen überzeugen. Sie führt Einzelgespräche mit allen Ministern. Ist das geschafft, ist das Parlament dran. Dort braucht sie eine Mehrheit für ihren Deal. Auch die zweite Kammer, das House of Lords, muss zustimmen. Dann erst geht der Deal an das EU-Parlament, wo er von der Mehrheit der 27 Mitgliedsländer akzeptiert werden muss.

Schlecht für May: An jeder einzelnen dieser Stationen warten potenzielle Gegner, die den Deal noch zum Scheitern bringen können. Das sind sie:

Gefahr in der eigenen Partei

Steht die Regierung erst einmal geschlossen hinter dem Deal, kommt die größere Gefahr: Das Parlament. Dort schlägt May und dem Brexit-Deal nicht nur Gegenwind von der Opposition entgegen.

Auch in der eigenen Partei sind einige nicht zufrieden. Hardliner wie Jacob Rees-Mogg oder Boris Johnson wollen einen viel ärgeren Brexit und gelten als schärfste Widersacher ihrer Parteichefin. Sie werden wohl nicht für den derzeitigen Deal stimmen.

Nordirland als Zankapfel

Was das Ganze noch schlimmer macht: Für eine Mehrheit im Parlament braucht es nicht nur May's eigene Partei, die Torys, sondern auch die Zustimmung des Koalitionspartners DUP. Und die sind alles andere als begeistert vom aktuellen Deal.

DUP-Klubchef Jeffrey Donaldson sagte im englischen Radio: "Ich glaube nicht, dass das der richtige Brexit ist." Der Mandatar Sammy Wilson schrieb auf Twitter: "Wir werden nicht für diese Demütigung stimmen."

Die DUP ist die größte Partei Nordirlands - und gerade dieser Teil des Vereinigten Königreichs bereitet allen Brexit-Verhandlern Kopfschmerzen. Denn Nordirland liegt nicht auf der britischen Hauptinsel sondern auf der Insel Irland, gehört aber trotzdem zu Großbritannien.

Die Grenze von Nordirland zu Irland wäre nach dem Brexit Großbritanniens einzige direkte Grenze zur EU. Und wie damit umgegangen werden soll, ist der größte Streitpunkt der Verhandlungen. Noch dazu sind die Nordiren traditionell kein glücklich vereintes Volk. Es gibt teilweise große Spannungen zwischen denen, die ein Teil Irlands sein wollen und denen, die sich als Briten sehen. Drei Jahrzehnte lang gab es blutige Auseinandersetzungen ("Troubles") genannt, bei denen über 3.500 Menschen starben.

Fragezeichen EU-Parlament

Sollten Theresa May und ihr Kabinett es tatsächlich schaffen, all diese "britischen" Hürden zu meistern, bleibt das letzte große Fragezeichen übrig, das sich eigentlich in 27 kleinere Fragezeichen teilt.

Denn der Brexit-Deal, der mit Vertretern der EU in Brüssel verhandelt wurde, muss - wahrscheinlich nach einem weiteren EU-Sondergipfel - auch noch von den 27 EU-Ländern in Form einer Mehrheit im Europäischen Parlament ratifiziert werden.

Damit sich das rechtzeitig ausgeht, bis Großbritannien am 29. März die EU verlässt, muss die Einigung spätestens in Dezember stehen. Und was würde geschehen, wenn das EU-Parlament dem Vertrag nicht zustimmt? Dann würde ein Austritt ohne Abkommen und damit vollkommenes Chaos drohen.

Dass das nicht so unwahrscheinlich ist, zeigt der "Notfallplan", den die EU veröffentlicht hat. (red)