Österreich

Was macht der "3. Mann" in der Briten-Botschaft?

Heute Redaktion
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Während die Briten weiter nach einem Weg suchen, wie sie aus der EU rauskommen, zog einer der (fast) österreichischen Kultfilme beim Britischen Botschafter in Wien ein.

Fällt derzeit irgendwo das Wort Großbritannien ist damit fast ausschließlich das Thema Brexit gemeint. Davon kann auch der Britische Botschafter Leigh Turner ein Lied singen. Doch als er im September 2016 sein Amt als ständiger Vertreter in Österreich antrat, sah er sich in der Britischen Botschaft (Landstraße) gleich zu Beginn noch mit einem ganz anderem "Problem" konfrontiert:

"Ich habe das Glück, in Wien in einer historischen Botschafterresidenz wohnen zu dürfen. Sie wird nicht nur ständig für Veranstaltungen genutzt, sondern verfügt auch über mehrere Gästezimmer, in denen Minister und Beamten übernachten können, wenn sie in der Stadt zu tun haben. Als ich nach Wien kam, hatten diese Zimmer keine Namen", erinnert sich Turner. Um dieses Problem zu lösen, initiierte der Diplomat eine interne Umfrage, um die Räume von ihrem traurigen Schicksal zu erlösen – mit einigen lustigen Vorschlägen.

Bundesland oder "Famous Austro-Brits" als Paten?

"Die Fülle von Vorschlägen, die eingingen, war überwältigend. Einige Ideen hatten historische oder geographische Bezüge. So könnten die Zimmer etwa nach ihrer Größe nach österreichischen Bundesländern benannt werden", erinnert sich Turner. Auch berühmte Persönlichkeiten wurden vorgeschlagen: Briten, Österreicher oder Personen, die als "Famous Austro-Brits" beides verbinden. "Das Problem war, dass es mit Vorschlägen wie Karl Popper oder Josef Haydn fast immer Männer waren", erklärt Turner.

Würden Sie gerne im "Germknödel" übernachten?

Nachdem die erste Runde ohne Ergebnis zu Ende ging, wurde ein neuer Versuch zur Namensfindung gestartet, diesmal unter dem Motto "Österreichische Küche". Zu den eingereichten Ideen zählten Palatschinken, Sachertorte und – in der Hauptstadt unvermeidbar – das Wiener Schnitzel. "Auch Germknödel war nett, aber wer will schon im Zimmer 'Germknödel' wohnen", lacht Turner.

Auch "Mister Smith ist in Warum" nicht die ideale Lösung

Nachdem auch Charaktere des Hollywood-Films "The Sound of Music" (für den Botschafter zwar "unterhaltsam und österreichisch, aber nicht sehr britisch und auch nicht jedermanns Geschmack") sowie die Hauptcharaktere der britschen Comedy-Serie "Fawlty Tower" ("gut, aber ohne Bezug zu Österreich") ausgeschlossen wurden, erfolgte in einem – vielleicht schon leicht verzweifelten Versuch – der Vorschlag die Zimmer "Wie", "Wer", "Wo", "Wann", "Was" und "Warum" zu benennen. "Ich fand das elegant, natürlich ist das völlig impraktikabel, aber mit Potenzial für faszinierende Gespräche wie: 'Herr Smith ist in Warum'. 'Wo?' – 'Nein, Warum'. 'Was?' Nein, …' und so weiter", schmunzelt der Top-Diplomat.

Strategischer Wechsel führt auf Harry Lime's Spur

Doch weil die Briten bekannt praktisch veranlagt sind, entschied sich Turner schließlich für einen diplomatischen Strategiewechsel. "Letztlich waren es die Kriterien Flair, Einprägsamkeit, Geschlechtsneutralität, eine dazugehörige Geschichte und im Idealfall ein Name, der Großbritannien mit Österreich verband, die für mich wichtig waren. So habe ich schließlich beschlossen, die Zimmer nach Orten zu benennen, die in dem Film 'Der dritte Mann' vorkommen", so Turner.

Keine schlechte Idee, denn obwohl der Film von dem Drehbuch von Graham Greene eine britische Produktion ist, ist er – nicht zuletzt durch die weltberühmte Zithermusik von Anton Karas – doch weltweit mit der Stadt Wien verbunden. Auch Menschen, die noch nie in Wien waren, kennen die wesentliche Schauplätze, für die etwa auf dem Wiener Zentralfriedhof, dem Wiener Kanalsystem oder beim Riesenrad gedreht wurden. Obwohl (aus vielleicht naheliegenden Gründen) die ersten beiden als Namensgeber ausschieden, schaffte es das Riesenrad als Schild auf die Zimmertür.

(Quelle: Youtube)

Alle bisher namenlosen Zimmer im Zeichen des 3. Mannes

Hier stimmt auch die britisch-österreichische Verbindung, denn die Hauptachse des Wiener Riesenrads wurde von dem schottischen Stahlwerk W. Baerdmore u. Co geliefert. Überhaupt scheint das Riesenrad bei den Briten bliebt zu sein, denn neben Harry Lime, der im "Dritten Mann" hier den "Showdown" erlebt, turnte schon der von Timothy Dalton gespielte James Bond in "Der Hauch des Todes" (1987) darauf herum.

Das ehemalige "VIP II" wurde zum Zimmer "Mozart" – im Film tritt im gleichnamigen Café der mysteriöse "Baron" Kurtz auf. Das Doppelzimmer im zweiten Stock der Botschaft wird zum "Schulhof". Benannt wurde der Raum nach der Szene, wo Harry Lime in der City über das glitzernde Kopfsteinpflaster des Schulhofs flüchtet, dabei einen Schatten auf die Kirchenmauer wirft, bevor er in die Straße Am Hof eintaucht und verschwindet. "Die Straße hat sich bis heute nicht verändert", freut sich der Botschafter.

Die berühmte Szene am Schulhof (City):

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(Quelle: Youtube)

Ein weiteres namensloses Doppelzimmer wurde zur "Schreyvogelgasse". "Das ist zwar für Briten schwer auszusprechen, aber die Szene, die in der Schreyvogelgasse 8 spielt, durfte einfach nicht fehlen. Darin ist Harry Lime, gespielt von Orson Welles, erstmals zu sehen. Einer der magischsten Momente des Films", erklärt der Top-Diplomat.

Was lange währt, wird endlich gut

Auch wenn das Projekt "Namensfindung" an die politischen Konsequenzen des Brexit nicht heranreicht, gewisse Parallelen gibt es doch: Bei beiden wurde ein Ziel verfolgt, das von vornherein nicht ganz klar war, beide machten mehrere "Verhandlungsrunden" notwendig und beschäftigten eine Vielzahl von Beteiligten. Bleibt zu hoffen, dass das "Dritte Mann"-Abenteuer als Glücksbringer für den EU-Ausstieg Großbritanniens dient und auch der Brexit bald ein erfolgreiches Ende findet.