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Wegen Israel und Hamas droht nun der Nahost-Krieg

Heute Redaktion
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Bild: Hatem Moussa (AP)

Israel reagiert hart auf die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen. Mit einer Militäroperation will die Armee ein Ende erzwingen. Vor Neuwahlen im Jänner zeigt sich Regierungschef Netanyahu entschlossen - und könnte damit einen Krieg auslösen. Erstmals seit dem Golfkrieg 1991 heulten am Donnerstag in Tel Aviv die Luftschutz-Sirenen.

Es ist ein Schlag mitten ins Nervenzentrum der radikal-islamischen Hamas: Israel hat mit Militärchef Ahmed al-Jabari den ranghöchsten Führer der im Gazastreifen herrschenden Organisation seit fast einem Jahrzehnt getötet. Tausende Palästinenser versammelten sich am Donnerstag in Gaza beim Begräbnis des einflussreichen Mannes, den Israel als "Generalstabschef" der Hamas beschrieb.

Bewaffnete Männer feuerten Salven in die Luft, Trauernde schworen Israel Rache, während sie Al-Jabaris Leiche durch die Straßen Gazas trugen. "Wir werden den Widerstand nicht aufgeben", gelobte Al-Jabaris 20 Jahre alter Sohn Muaz. Der Tod seines Vaters werde die Kassam-Brigaden nicht zerstören. "Wir werden weiter Gewehre tragen und seiner Botschaft folgen."

Raketenangriffe sollen gestoppt werden

Zuletzt hatte Israel im Frühling 2004 im Abstand von wenigen Wochen den Hamas-Gründer Scheich Ahmed Yassin und dessen Nachfolger Abdelaziz al-Rantisi gezielt getötet. Die Botschaft des neuen, sorgfältig vorbereiteten tödlichen Luftangriffs auf Al-Jabari ist klar: Israel ist nicht länger bereit, seine Bevölkerung der Willkür militanter Palästinenser auszusetzen und will die ständigen Raketenangriffe aus dem Gazastreifen mit allen Mitteln stoppen.

Klares Ziel der neuen Militäroperation "Säule der Verteidigung" ist es, die Hamas-Führung einzuschüchtern, damit diese die Raketenangriffe auf Israel stoppt. Mitglieder der politischen Führungsriege der Hamas, wie der ehemalige Ministerpräsident Ismail Haniyeh, sollten sich nirgendwo mehr in Sicherheit wähnen, drohte Transportminister Israel Katz von der regierenden Likud-Partei am Donnerstag. "Wenn es sein muss, werden wir sie jagen wie wilde Tiere", sagte er bei der Besichtigung eines durch Raketenbeschuss schwerbeschädigten Wohnhauses in Kiryat Malachi. Bei dem Volltreffer in dem vierstöckigen Haus starben drei Menschen, zwei Frauen und ein Mann.

Raketen könnten Tel Aviv erreichen  

Kurz nach dem tödlichen Schlag gegen Al-Jabari und dessen Leibwächter griff die Luftwaffe zahlreiche Waffenlager im Gazastreifen an, in denen nach israelischen Angaben Raketen des Typs "Fajr" gelagert waren. Sie stammten aus dem Iran und hätten eine Reichweite von etwa 75 Kilometern - damit könnten sie auch die Mittelmeermetropole Tel Aviv erreichen, bisher eine klare rote Linie im jahrelangen Kleinkrieg zwischen Israel und der Hamas.

Zivilverteidigungsminister Avi Dichter sagte aber, die Offensive werde vermutlich lange dauern, weil Hamas noch über viele Waffenlager verfüge. Al-Jabari habe den militärischen Flügel der seit mehr als fünf Jahren allein im Gazastreifen herrschenden Hamas "von einer Ansammlung kleiner, isolierter Terrorzellen in eine geordnete Miliz verwandelt, die sehr fortschrittliche Waffen in ihrem Arsenal hat", schrieb ein Kommentator der israelischen Zeitung "Maariv".

Bodenoffensive steht bevor

Das israelische Militär hat schon begonnen, Reservisten für eine mögliche Bodenoffensive einzuberufen. Die israelische Zeitung "Haaretz" schrieb bereits vom "ersten Krieg des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu". Kritiker verwiesen darauf, dass auch beim letzten Gazakrieg, der vor fast vier Jahren begann, israelische Parlamentswahlen bevorstanden.

Doch eine Wiederholung des damaligen Gaza-Feldzugs birgt auch für Israel große Risiken. Neben Verlusten im Kampf besteht auch die Gefahr, die Hamas könnte ihre blutigen Selbstmordanschläge in Israel wieder aufnehmen. Außerdem hat sich die politische Großwetterlage in Nahost seit dem letzten Gazakrieg grundlegend geändert: Die neue ägyptische Führung steht heute an der Seite der Hamas, Israel könnte mit einer blutigen Offensive im Gazastreifen die diplomatischen Beziehungen mit dem arabischen Nachbarland aufs Spiel setzen.