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"Weltuntergangsuhr" steht auf 90 Sekunden vor 12

"Stehen am Abgrund": Ukraine-Krieg und Klimawandel treiben die Zeiger der sogenannten "Weltuntergangsuhr" immer weiter Richtung Mitternacht.

Jochen Dobnik
90 Sekunden vor 12: Die Gefahr, dass sich die Menschheit durch einen Atomkrieg oder Klimawandel selbst auslösche, sei so groß wie niemals zuvor seit Erfindung der Uhr.
90 Sekunden vor 12: Die Gefahr, dass sich die Menschheit durch einen Atomkrieg oder Klimawandel selbst auslösche, sei so groß wie niemals zuvor seit Erfindung der Uhr.
HANDOUT / AFP / picturedesk.com

Zuletzt hatten sie die Gefahren für die Menschheit als so groß eingeschätzt, dass schon gar nicht mehr in Minuten gerechnet werden konnte. Stand die Uhr noch 2021 und 2022 auf 100 Sekunden vor Mitternacht, wurden ihre Zeiger 2023 erstmals auf 90 Sekunden vor Mitternacht vorgeschoben. Die Gefahr, dass sich die Menschheit durch einen Atomkrieg oder Klimawandel selbst auslösche, sei so groß wie niemals zuvor seit Erfindung der Uhr, so das "Bulletin of Atomic Scientists". Mitternacht würde den Weltuntergang bedeuten.

"Wir leben in einer Zeit beispielloser Gefahr, und die Weltuntergangsuhrzeit spiegelt diese Realität wider. 90 Sekunden vor Mitternacht ist die kürzeste Zeit, die die Uhr jemals auf Mitternacht eingestellt hat, und diese Entscheidung treffen unsere Experten nicht auf die leichte Schulter. Die US-Regierung, ihre NATO-Verbündeten und die Ukraine verfügen über eine Vielzahl von Dialogkanälen: Wir fordern die Führungskräfte dringend auf, sie alle in vollem Umfang zu erkunden, um die Uhr zurückzudrehen", so Rachel Bronson, Präsidentin und CEO des "Bulletin of the Atomic Scientists".

"Die Menschheit steht am Abgrund"

"Die Weltuntergangsuhr schlägt Alarm für die gesamte Menschheit. Wir stehen am Abgrund. Aber unsere Führer handeln nicht schnell genug oder in ausreichendem Umfang, um einen friedlichen und lebenswerten Planeten zu sichern. Von der Reduzierung der CO2-Emissionen über die Stärkung von Rüstungskontrollabkommen bis hin zu Investitionen in die Pandemievorsorge – wir wissen, was zu tun ist. Die Wissenschaft ist klar, aber der politische Wille fehlt. Das muss sich 2023 ändern, wenn wir die Katastrophe abwenden wollen. Wir stehen vor multiplen, existenziellen Krisen. Führungskräfte brauchen ein Krisenbewusstsein", erklärt Mary Robinson, ehemalige UN-Hochkommissarin für Menschenrechte.

Die "Weltuntergangsuhr" tickt nicht und ist auch sonst eigentlich gar keine richtige Uhr. Die "Doomsday Clock" ist ein Design, entworfen ursprünglich von der 2013 gestorbenen US-Künstlerin Martyl Langsdorf. Für die Fachzeitschrift der Atom-Wissenschaftler, das "Bulletin of the Atomic Scientists", sollte Langsdorf, deren Ehemann Alexander an der Entwicklung der Atombombe mitgearbeitet hatte, im Juni 1947 ein Titelbild entwerfen – und entschied sich für das obere linke Viertel einer Uhr mit dem Zeiger sieben Minuten vor Mitternacht. "Das sah für mein Auge gut aus."

Mit dem Titelbild wollten Langsdorf und die Herausgeber der Zeitschrift kurz nach den verheerenden Atombombenabwürfen auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki deutlich machen, wie groß die Gefahr durch die neue Waffentechnik sei und wie dringend sie in den Griff bekommen werden müsse.

Seitdem bewerten Wissenschaftler und Herausgeber des Mitteilungsblatts der Atom-Wissenschaftler den Stand des Minutenzeigers der Uhr jedes Jahr neu, um zu zeigen, für wie gefährdet sie den Fortbestand der Menschheit halten.

1991 stand die "Doomsday Clock" noch auf 17 Minuten vor 12

Es gab aber auch schon optimistischere Zeiten in der Geschichte der "Doomsday Clock", deren Aussehen 2007 vom Grafikdesigner Michael Bierut noch einmal überarbeitet wurde und die seit 2019 auch in einer physischen Ausgabe in der Universität von Chicago zu sehen ist: Zum Ende des Kalten Krieges stand die Uhr 1991 auf 17 Minuten vor der vollen Stunde – die weiteste Entfernung von Mitternacht in der Geschichte der "Weltuntergangsuhr".

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