Wien

Freundin schwanger – Kindergeld von Vater eingestellt

Jan-Dennis Drenkhahn wollte sich um seinen Sohn kümmern, beantragte Kinderbetreuungsgeld. Für den 38-Jährigen begann damit eine Odyssee.

Yvonne Mresch
"Ohne Rücklagen wären wir nicht über die Runden gekommen", sagen Jan-Dennis Drenkhahn (38) und seine Frau Stefanie (27). Die Eltern kämpften ein halbes Jahr um das Kinderbetreuungsgeld für Sohn Tristan (1,5 Jahre).
"Ohne Rücklagen wären wir nicht über die Runden gekommen", sagen Jan-Dennis Drenkhahn (38) und seine Frau Stefanie (27). Die Eltern kämpften ein halbes Jahr um das Kinderbetreuungsgeld für Sohn Tristan (1,5 Jahre).
Sabine Hertel

Als Jan-Dennis Drenkhahn vor eineinhalb Jahren Vater wurde, stand fest, dass auch er in Karenz gehen würde. Was diese Entscheidung nach sich ziehen würde, konnte er damals noch nicht erahnen. Erst kürzlich kam massive Kritik am Kinderbetreuungsgeld auf – die Arbeiterkammer forderte Ministerin Susanne Raab zum Handeln auf. Das System beinhalte Schikanen, das Gesetz gehöre reformiert, wir berichteten.

"Man ist 15 Minuten in der Warteschleife oder wird aus der Leitung geworfen"

Davon kann Drenkhahn ein Lied singen: "Wir hatten schon öfter Probleme mit dem Kinderbetreuungsgeld. Das erste Mal wegen Vorsorgeuntersuchungen", erzählt er. Weil Mutter Stefanie (27) eine ältere Version des Mutter-Kind-Passes besaß, fehlte ein Stempel, obwohl alle Untersuchungen gemacht wurden. "Schon damals stand eine Rückforderung im Raum, obwohl ich alle Nachweise per Mail geschickt hatte. Diese noch einmal zu suchen, sei allerdings 'zu viel Aufwand' hieß es damals", so Drenkhahn.

Zahlreiche Telefonate und Mails später konnte das Missverständnis schließlich aufgeklärt werden. Mühen, die sich der Neo-Papa gerne erspart hätte: "Immer wenn man denkt, es ist alles erledigt, kommt etwas Neues. Und jedes Mal ist man 10 bis 15 Minuten in der Warteschleife oder wird aus der Leitung geworfen." Doch die wahre Krux sollte noch folgen.

Wochenlanges Warten auf eine Rückmeldung

Sechs Wochen vor Beginn der Karenz reichte Drenkhahn fristgerecht seinen Antrag für Kinderbetreuungsgeld ein, meldete es rechtzeitig dem Arbeitgeber. Danach herrschte vier Wochen Funkstille. "Ich wurde langsam nervös und fragte nach. Es hieß, mein Antrag sei noch in Bearbeitung." Kurz darauf erreichte den Wiener ein Mail mit der Anordnung, die Karenzzeiten noch einmal neu zu bestätigen. "Jede Mail wurde von mir innerhalb von 24 Stunden beantwortet", sagt er.

"Meine erste Reaktion: Das kann nicht euer Ernst sein!"

Schließlich begann die Kinderbetreuungszeit – ohne Rückmeldung der Krankenkassa. "Plötzlich bekam ich die Information, dass man einen EWR-Nachweis (Anm.: Nachweis von EU-Bürgern, dass sie sich länger als drei Monate in Österreich aufhalten)  von mir benötige", schildert Drenkhahn, der 2009 aus Deutschland nach Österreich zog. "Gott sei Dank hatte ich diese Bescheinigung", sagt er. Eine Beantragung bei der zuständigen Behörde (MA35) könne zwischen 9 und 12 Monate dauern – das Kinderbetreuungsgeld ist jedoch nur sechs Monate rückwirkend zu beantragen.

Drenkhahn reichte alles ein, bekam daraufhin jedoch die Antwort, er müsse fünf weitere Wochen auf das Geld warten. "Meine erste Reaktion war: Das kann nicht euer Ernst sein", erzählt er. Der verzweifelte Vater wandte sich umgehend an die Ombudsstelle – und erhielt kurz darauf die erste Zahlung. Doch damit nicht genug: "Im Juni bemerkte ich plötzlich, dass ich kein Geld bekommen hatte. Informationen dazu habe ich keine erhalten." Auf Nachfrage erklärte man dem Wiener, das Verfahren wurde pausiert, da seine Frau im August ein zweites Kind erwarte. "Mit der Geburt des zweiten Kindes endet der Anspruch, doch der Termin war erst Anfang August", klagt Drenkhahn.

Vater war am Konto-Limit

Arbeitsrechtsexpertin der Arbeiterkammer, Hermin Karout, klärt auf: Würde das Kind verfrüht zur Welt kommen, müsste Geld zurückbezahlt werden. Um das zu vermeiden, wurde das Geld gleich vorab eingestellt. "Absurd und völlig lebensfremd", so Karout. Drenkhahn kämpfte weiter – mit Erfolg. "Das Geld wurde nun überwiesen", so der Vater erleichtert. Dennoch: "Ich bin ans Konto-Limit gegangen. Die Zinsen tun weh, aber anders wäre das gar nicht gegangen." Der Wiener ist sauer, kann das Vorgehen nicht verstehen: "Ich habe das Gefühl, ich muss um Geld betteln, das mir eigentlich zusteht!" Beim zweiten Kind will Drenkhahn wieder in Karenz gehen. Diesmal ist er vorbereitet: "Ich werde meinen Rahmen auf der Bank erhöhen und hoffe, es wird diesmal anders verlaufen."

Arbeitsrechtsexpertin Hermin Karout übt Kritik an Ministerin Susanne Raab: "Das Gesetz gehört dringend reformiert!"
Arbeitsrechtsexpertin Hermin Karout übt Kritik an Ministerin Susanne Raab: "Das Gesetz gehört dringend reformiert!"
Sabine Hertel

8.000 Problemfälle im ersten Halbjahr

Wie Drenkhahn geht es vielen Wienern, so die Juristin. "Leute nehmen dafür Kredite auf, borgen sich Geld aus oder gehen zurück zu den Eltern ins Heimatland, wodurch sie erst recht den Anspruch verlieren." Allein im ersten Halbjahr gab es 8.000 telefonische Beratungen zu Problemstellungen ähnlicher Art. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 13.000 insgesamt. Die Kritik der Arbeiterkammer richtet sich an die Regierung: "Das Gesetz gehört endlich reformiert – es ist eine Schikane", so Karout.

Die Bearbeitungszeit sei je nach Fall und Vollständigkeit der Unterlagen unterschiedlich, erklärt die Österreichische Gesundheitskasse. Grundsätzlich könnten vollständig abgegebene Anträge auch rasch bearbeitet werden. Eine Rückreihung von Anträgen fände nicht statt.

"Da jede Person, die einen gesetzlichen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hat, letztendlich auch Kinderbetreuungsgeld erhält, kann die Kritik der "Schikane" nicht nachvollzogen werden", so eine Sprecherin. Mit der Geburt eines weiteren Kindes endet der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und Überbezahlungen seien gemäß den Vorgaben zu vermeiden. "Die ÖGK ist bemüht, die Lücke gering zu halten", heißt es.

1/64
Gehe zur Galerie
    <strong>26.04.2024: Barometer-Beben! Neue Konkurrenz für FP-Chef Kickl.</strong> Enges Rennen im April-Barometer von <em>"Heute"</em>: Vier Parteichefs haben exakt dieselben Zustimmungswerte. <a data-li-document-ref="120033420" href="https://www.heute.at/s/barometer-beben-neue-konkurrenz-fuer-fp-chef-kickl-120033420">Bier-Chef Wlazny wird auf Platz 1 ausgewiesen &gt;&gt;&gt;</a><a data-li-document-ref="120033251" href="https://www.heute.at/s/kein-auto-kein-haus-so-lebt-rene-benko-120033251"></a>
    26.04.2024: Barometer-Beben! Neue Konkurrenz für FP-Chef Kickl. Enges Rennen im April-Barometer von "Heute": Vier Parteichefs haben exakt dieselben Zustimmungswerte. Bier-Chef Wlazny wird auf Platz 1 ausgewiesen >>>
    Denise Auer, Helmut Graf
    Mehr zum Thema