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Wie Djokovic mit Psycho-Trick die Fans überlistete

Novak Djokovic ist fünffacher Wimbledonsieger, weil er im Finale gegen Roger Federer ganz ruhig blieb. Eine mentale Meisterleistung.

Heute Redaktion
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Es war eine gespenstische Stille am ehrwürdigen Center Court von Wimbledon. Novak Djokovic hatte soeben im längsten Finale der Geschichte Roger Federer besiegt – nach 4:57 Stunden Drama und Tennis von einem anderen Stern. Mit 7:6, 1:6, 7:6, 4:6, 13:12 siegte der "Djoker" nach zwei abgewehrten Matchbällen, weil Federer bei 8:7 und eigenem Aufschlag den Sack nicht zumachen konnte.

Die Stille am Center Court

Und nun diese Stille. Die meisten Fans am Center Court hätten lieber einen anderen Sieger gesehen: Federer. Das hörte man schon während des spannendsten und wohl besten Finalspiels in der Geschichte des prestigeträchtigsten Tennisturniers.

Djokovic wusste genau, was ihn gegen Federer erwartete, den Publikumsliebling, der überall auf der Welt von den Zuschauern unterstützt wird wie kein anderer Spieler. "Ich hatte mir deshalb vorgenommen, dass ich auf dem Platz ruhig bleiben würde, denn ich hatte gewusst, wie die Atmosphäre sein würde."

Tatsächlich ließ sich der Serbe nicht anmerken, wie sehr er selber gerne der Favorit des Publikums gewesen wäre. Noch im Halbfinale hatte er die Zuschauer mit einer Geste provoziert, nachdem sie Roberto Bautista Aguts Satzgewinn gefeiert hatten. Im Finale wurden teilweise auch Fehler von ihm lautstark bejubelt, während selbst seine besten Punktgewinne oft nur höflichen Applaus ernteten.

Djokovic: "Das mental anspruchsvollste Match"

"Das war wahrscheinlich das mental anspruchsvollste Match, das ich je bestritten habe", sagte Djokovic nach dem Finale. Das körperliche anspruchsvollste Match sei sein Sechsstunden-Spiel in Australien gegen Rafael Nadal gewesen, "aber mental war das auf einem anderen Niveau." Er habe vor der Partie visualisiert, wie er mit dieser Situation umgehen werde und dabei auch einen einfachen, aber wirkungsvollen Trick benutzt. "Wenn die Leute Roger sangen, hörte ich Novak. Das klingt zwar dämlich, aber so war das. Ich versuchte mich zu überzeugen, dass es so war."

"Das ist überwältigend"

Djokovic ist ein Mentalitätsmonster. Er schlug Federer, obwohl der in fast jeder Finalstatistik besser war: mehr Asse, weniger Doppelfehler, bessere Aufschlagquote, besser am Netz, mehr Breaks, mehr Winner, mehr Punkte insgesamt. Er returnierte sogar besser als der "Djoker" und lief insgesamt fast 200 Meter mehr. Djokovic kann besser spielen, siegt aber dennoch, weil er im Kopf der Beste ist.

Der nun 16-fache Grand-Slam-Sieger war voller Lob für Federer. "Ich stand einen Schlag vor der Niederlage. Dass ich nun hier sitze als Gewinner, ist überwältigend. Es hätte gut für ihn laufen können. Denn er servierte während der ganzen Partie extrem gut, und ich hatte Mühe, seinen Aufschlag zu lesen." In den Tiebreaks habe er dann zu seinem besten Spiel gefunden. In diesen wichtigsten Momenten versuche er, ganz in der Gegenwart zu bleiben und nie den Glauben an sich zu verlieren.

Gegen Federer sei es auf jeder Unterlage schwierig – aber nirgends so schwierig wie in einem Endspiel auf Rasen, so Djokovic. "Man ist permanent unter Druck, weil er so nahe an der Grundlinie spielt. Egal, gegen wen, selbst wenn einer mit 150 Meilen aufschlägt. Er blockiert die Schläge sehr gut, antizipiert hervorragend und hat so viel Talent. Sein Spiel ist perfekt für Rasen."

Schiedsrichter sprach Verwarnung aus

Djokovic wurde vor allem in der Endphase an seine Grenzen getrieben. Beim Stand von 11:11 wurde er wegen einer aggressiven Geste verwarnt und vom Publikum teilweise ausgebuht, weil er beim argentinischen Schiedsrichter Damien Steiner reklamierte. Aber auch diese Szene brachte ihn nicht aus dem Konzept. Er überstand zwei letzte Breakbälle und war voll da, als das entscheidende Tiebreak kam.

Der Glaube an sich selbst

"Um eine solche Partie zu gewinnen, musst du fünf Stunden konstant gut spielen", sagte er. "Es geht auch um die Ausdauer, aber vor allem geht es darum, an sich selber zu glauben. Du musst dich permanent daran erinnern, weshalb du so weit gekommen bist, und dass du besser bist als der Kerl gegenüber."

Schon bei der Siegerehrung hatte Djokovic erklärt, dass er von Federer die Motivation beziehe, noch lange zu spielen und fit zu bleiben. Dies bekräftigte er später vor den Medien: "Roger inspiriert mich wirklich dadurch, was er in seinem Alter noch leisten kann." Es hänge zwar nicht nur von ihm ab, wie lange er noch spielen könne. Die Chance, am längsten Nummer 1 zu sein und die meisten Grand-Slam-Pokale zu gewinnen, reize ihn allerdings schon sehr.

(mh)