Welt
Wie krank ist Joseph Ratzinger wirklich?
Der Rücktritt von Papst Benedikt erfolge aus gesundheitlichen Gründen, erklärte sein Sprecher am Montag. Benedikt selbst sagte, er spüre die schwere Last seines Amtes und habe lange über die Entscheidung nachgedacht und sie zum Wohle der Kirche gefällt, zitierte ANSA.
Benedikt XVI. bat um die Ausrufung eines Konklaves für die Wahl seines Nachfolgers. Die Ankündigung seines Rücktritts machte er auf Latein. Als "Blitz aus heiterem Himmel" bezeichnete der ehemalige vatikanische Generalsekretär, Kardinal Angelo Sodano, den Rücktritt des seit 2005 amtieren Benedikt XVI.
Joseph Ratzinger trat im April 2005 als ältestes Kirchenoberhaupt seit 275 Jahren sein Amt an. Seit damals wird hinter vorgehaltener Hand über eine angebliche Herzkrankheit des Papstes spekuliert.
Auch im Vergleich zu seinen Vorgängern im 20. Jahrhundert erschien der neue Pontifex vielen deutlich zu alt: Deren Durchschnittsalter liegt zum Zeitpunkt ihrer Wahl bei 65 Jahren. Benedikt war 78. Sein Bruder, der heute 85-jährige Georg Ratzinger, äußerte sich schon damals besorgt, er habe geglaubt, „dass die nicht ganz so stabile Gesundheit“ seines Bruders die Kardinäle bewogen hätte, einen etwas Jüngeren zum Papst zu wählen.
Seit Papst Benedikt XVI. im Sommer 1991 – noch als Kurienkardinal – einen Schlaganfall gehabt haben soll, wurde immer wieder über seine Gesundheit spekuliert. Offiziell wurde der Hirnschlag nie bestätigt. Man sprach von einem Sturz, bei dem Joseph Ratzinger mit dem Kopf an einen Heizkörper prallte. Aber die Gehirnblutung gilt als offenes Geheimnis - ebenso, dass Benedikt seitdem jeden Morgen blutverdünnende Medikamente nimmt.
2009 brach er sich auch noch bei einem Sturz das Handgelenk.
Ostern 2008 ließ die Tatsache, dass Benedikt auf dem Kreuzweg überraschend nicht wie angekündigt selbst das Kreuz an den letzten drei Stationen übernahm, heftige Spekulationen über seine Gesundheit wieder aufflammen. Der starke Regen und die Kälte hätten einige Änderungen im Programm des Kreuzweges gebracht, erklärte der Vatikan.
Vor zwei Jahren wurde beim Papst eine Hüftarthrose festgestellt - nichts Lebensgefährliches, jedoch ein mühsames Leiden, das das Gehen für das Kirchenoberhaupt erschwerte. Das Papamobil sollte den Papst seine beschwerlichen Wege abnehmen.
Vor einem Jahr hat der Papst-Biograf Andreas Englisch den Rücktritt des Papstes prophezeit - Vatikan-Sprecher Federico Lombardi schloss allerdings aus, dass eine Krankheit den Papst zum Rücktritt bewogen habe. "Er hat klar gesagt, dass er wegen seines fortgeschrittenen Alters in den letzten Monaten an Kraft verloren hat", betonte Lombardi. Der Vatikan-Sprecher beteuerte, es habe keine Anzeichen von Depression oder Entmutigung seitens des Papstes gegeben. "Ich persönlich habe größte Bewunderung für die Geste des Papstes, für den Mut, die Geistesfreiheit und das große Bewusstsein für die Verantwortung seines Amts", so Lombardi.
Schönborn: Körperliche Kräfte schwinden
Der Papst sei bis heute "geistig völlig auf der Höhe seines Amtes", betonte Kardinal Christoph Schönborn in einer ersten Reaktion. Benedikt XVI. nehme seine Aufgaben "mit einer bewundernswerten geistigen und geistlichen Klarheit und Tiefe" wahr. Das wisse jeder, der etwa seine Predigten und Ansprachen hört, so Schönborn. Er habe den Papst noch vergangenen Donnerstag persönlich getroffen. Dabei habe dieser körperlich sehr zerbrechlich gewirkt, so der Kardinal gegenüber dem ORF.
Zugleich sei aber immer deutlicher geworden, dass die körperlichen Kräfte des Papstes schwinden würden. Er selbst habe dies in seiner Verzichtserklärung so großartig angeführt: Um das "Schifflein Petri zu steuern und das Evangelium zu verkünden", sei "sowohl die Kraft des Köpers als auch die Kraft des Geistes notwendig". Er müsse nun sein "Unvermögen" erkennen, den ihm anvertrauten Dienst "weiter gut auszuführen", zitierte Schönborn den Papst. Nachsatz des Kardinals: "Dem gibt es eigentlich nichts mehr hinzuzufügen."
Lesen Sie weiter: Die wichtigsten Stationen des Papstes
Papst Benedikt XVI. hat in seiner fast achtjährigen Amtszeit Höhen und Tiefen erlebt. Hier die wichtigsten Etappen seines Pontifikats, das am 19. April 2005 begonnen hat.
August 2005: Die erste Reise als Papst führt Benedikt nach Deutschland. Auf dem XX. Weltjugendtag in Köln ruft er junge Menschen aus aller Welt zu Güte und Barmherzigkeit auf. Mit einer Million Pilgern feiert er auf dem Marienfeld die Messe.
November 2005: Ein vom Papst unterzeichnetes Dokument verpflichtet Priesterseminare, Männer mit "homosexuellen Tendenzen" nicht mehr zur Priesterweihe zuzulassen. Internationale Schwulen-und Lesbenverbände kritisieren den Schritt als "fatales Signal".
Jänner 2006: In seiner ersten Enzyklika "Deus caritas est" (Gott ist Liebe) hebt der Papst die Bedeutung der christliche Nächstenliebe hervor.
Mai 2006: Mit Jubel empfangen ihn Zehntausende Menschen bei einem Besuch in Polen. In Auschwitz ruft er zu Vergebung und Versöhnung auf.
September 2006: Bei einer Vorlesung in Regensburg zitiert der Papst den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos, der islamische Prophet Mohammed habe nur "Schlechtes und Inhumanes" gebracht. In der islamischen Welt erzeugt dies heftige, teils gewalttätige Proteste.
November 2006: In der Türkei zeigt der Papst eine Geste der Versöhnung: Bei seiner ersten Reise in ein islamisches Land betet er in der Blauen Moschee von Istanbul gemeinsam mit dem Großmufti.
Juli 2007: Protestantische Gemeinschaften sind empört, als die Glaubenskongregation in einer Erklärung die katholische Lehre unterstreicht, nach der sich nur christliche Gemeinschaften mit gültiger Bischofs- und Priesterweihe als "Kirchen" bezeichnen können.
November 2007: In seiner zweiten Enzyklika "Spe salvi" (Gerettet durch Hoffnung) spricht sich Benedikt gegen materialistische Weltanschauungen aus.
Jänner 2009: Durch die Aufhebung der Exkommunikation des Holocaust-Leugners Richard Williamson löst der Papst Kritik aus. Insgesamt nimmt er vier Bischöfe der 1988 abgespaltenen Pius-Bruderschaft wieder in die Kirchengemeinschaft auf.
März 2009: Mit der Äußerung auf seiner Afrika-Reise, Kondome verschlimmerten das Aids-Problem in Afrika, stößt der Papst auf Empörung.
Juli 2009: In seiner dritten Enzyklika "Caritas in veritate" (Die Liebe in der Wahrheit) plädiert er für mehr ethisches Bewusstsein in der Wirtschafts- und Finanzwelt.
März 2010: In seinem Hirtenbrief an die irische Kirche bedauert Benedikt den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche. Er drückt "die Schande und Reue aus, die wir alle fühlen".
Mai 2010: Benedikt XVI. feiert die Seligsprechung seines Vorgängers Johannes Paul II. bei einer Zeremonie, an der sich eine Million Pilgern beteiligen.
September 2010: Der Papst trifft den Erzbischof von Canterbury Rowan Williams in London. Er ist somit der erste Papst, der sich an die anglikanischen Bischöfe wendet, die im Lamperth Palace vereint sind.
Oktober 2011; Benedikt XVI. erlässt das Apostolische Schreiben in Form eines Motu Proprio Porta fidei (Pforte des Glaubens), in dem er ein Jahr des Glaubens ankündigt. Es beginnt am 11. Oktober 2012, dem 50. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils, und endet am Christkönigsfest 2013, 24. November 2013.
Mai 2012: Die sogenannte Vatileaks-Affäre erschüttert den Vatikan. Der Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele, wird mit dem Vorwurf verhaftet, vertraute Dokumente des Papstes an einen Journalisten weitergegeben zu haben. Gabriele verbringt fast zwei Monate in Untersuchungshaft und wird im Oktober 2012 zu 18 Monate Haft verurteilt. Vor Weihnachten 2012 wird er vom Papst begnadigt.
September 2012: Der Papst reist in den Libanon. Hier trifft er mit Vertretern von 18 christlichen und muslimischen Gemeinschaften zusammen. Überschattet wird die Reise vom nahen Bürgerkrieg in Syrien und von antiwestlichen Ausschreitungen im Nahen Osten anlässlich des in den USA produzierten Videofilms Innocence of Muslims.