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Wie Städte den Touristen-Wahnsinn stoppen wollen

Horden von Urlaubern verstopfen Amsterdam oder Barcelona. Nun reagieren die Städte. Was das bringt, erklärt ein Experte.

Heute Redaktion
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Bald gehen für einige Schüler schon wieder die Herbstferien los, nur wenige Wochen später folgen die Weihnachtsferien. Dann beginnt der Reisewahn von Neuem und bringt viele Orte an den Rand des Kollapses: verstopfte Uferpromenaden, überfüllte Strände, ewige Warteschlangen vor den Sehenswürdigkeiten. Mallorca, Amsterdam, Barcelona oder Venedig können die Menschenmassen kaum mehr bewältigen.

Die Einheimischen stehen Kopf: Sie skandieren "Touristen nach Hause", bewerfen die Gäste wie etwa in Palma mit Pferdekot oder drängen sie in Amsterdam von den Fahrrädern.

Doch so schnell versiegen die Touristenströme nicht, im Gegenteil: Jahr für Jahr bringen Billigflieger, Kreuzfahrtschiffe oder Fernbusse mehr Ferienhungrige in die Orte. Die Welttourismusorganisation UNWTO sieht die Zahl der Reisenden rund um den Globus von derzeit 1,2 Milliarden bis zum Jahr 2030 auf 1,8 Milliarden ansteigen.

Einige Städte reagieren und führen Maßnahmen ein. Doch was nützen sie? Urs Wagenseil, Tourismusexperte an der Hochschule Luzern, klärte gegenüber "20 Minuten" auf.

Beschränkungen für Unterkünfte

Maßnahme: Gesetze sollen Hotels und Vermieter von privaten Unterkünften einschränken. Paris hat etwa Airbnb stark reguliert, Palma de Mallorca hat das Vermieten von Wohnungen über die Plattform ganz verboten. In Amsterdam dürfen ab 2019 Wohnungen nur noch für maximal 30 Tage im Jahr an Touristen vermietet werden. Im Stadtzentrum dürfen zudem keine neuen Hotels gebaut werden. Das ist auch in Barcelona der Fall.

Das sagt der Experte dazu: Das Hotel-Verbot ist verständlich, hat aber Nachteile. Die Hotels werden einfach an der Grenze des Zentrums gebaut. Auch Airbnb-Unterkünfte werden dann außerhalb vermietet. Dadurch werden aber die Wege für Touristen länger und es entsteht mehr Verkehr, den keiner will. Es ist keine Lösung, sondern eine Verlagerung der Probleme. Eine drastische Erhöhung der Hotelzimmer-Preise wird nur wenig bringen, weil Reisen mehrere Kostenteile umfasst. Zu dem wäre es gegen die freie Marktwirtschaft und daher ein No-go.

Touristengebühr

Maßnahme: Feriengäste müssen für ihren Aufenhalt Gebühren zahlen. Das machen bereits viele Städte so. Seit 2016 zahlen Touristen auf Mallorca eine Abgabe. Dabei handelt es sich um eine Art Ökosteuer zur Erhaltung der Insel.

Das sagt der Experte dazu: Die Abgabe ist berechtigt. Doch das schreckt kaum ab. Auch eine deutliche Erhöhung würde kaum was bringen. Das hat das Beispiel in Arosa vor rund 15 Jahren gezeigt: Dort hat man die Kurtaxe im Sommer verdoppelt. Die Gäste sind dennoch gekommen. Sie nehmen die Abgaben in Kauf. Mit solchen Gebühren lässt sich der Massentourismus jedenfalls nicht stoppen.

Teurere Flugtickets und Kerosin-Steuer

Unter den Airlines tobt seit langem ein erbitterter Preiskrieg. Die Folge: Touristen können zum Spottpreis um die Welt fliegen, was den Massentourismus befeuert. Die Vielfliegerei belastet aber auch die Umwelt. Aktivisten fordern daher Ticketabgaben und eine Kerosin-Steuer. Das soll klimafreundliche Transportmittel wie Züge fördern.

Das sagt der Experte dazu: Ticketpreise müssten stark steigen, damit die Nachfrage spürbar sinkt. Höhere Preise sind aber kurzfristig eher unwahrscheinlich, langfristig hingegen ein denkbares und notwendiges Szenario. Nur braucht es dann eine globale Lösung. Allfällige Steuern führen zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Touristen, welche etwa mit dem Auto anreisen. Denn auch das Autofahren und das Produzieren und Importieren von Nahrungsmitteln belastet das Klima. Man müsste also konsequent überall solche Abgaben einführen. Mit Steuern auf Flugtickets würde das Reisen sicher verteuert, aber die Problematik wäre nicht vom Tisch.

Touristenströme umlenken

Maßnahme: Horden von Touristen verstopfen Eingänge zu Sehenswürdigkeiten und überlasten Straßen. In der italienischen Cinque Terre fordern Gemeinden eine Einführung von roten Ampeln. Sie sollen die Touristenströme auf den Wanderwegen regulieren. Venedig hat Drehkreuze bei der Brücke Ponte della Costituzione installiert. Zudem gibt es Kontingente bei den Tickets für die Sagrada Família in Barcelona oder die Stadtburg Alhambra in Granada.

Das sagt der Experte dazu: Solche Steuerelemente bringen punktuell Entlastung. Auch dynamische Preise für Sehenswürdigkeiten können helfen. Wenn etwa der Eintritt frühmorgens billiger ist und in Stoßzeiten teurer. Lenkmaßnahmen haben aber auch zur Folge, dass sich dann an anderen Orten und Zeiten mehr Leute versammeln. Das Problem wird somit nur verlagert.

Touristen kontingentieren

Maßnahme: Die kroatische Stadt Dubrovnik will mit Kontingenten die Massen in den Griff kriegen. Die Zahl der Besucher ist auf höchstens 8.000 pro Tag beschränkt. Auch in Thailand oder Italien sollen an gewissen Stränden nur noch eine gewisse Zahl an Badegästen und Booten zugelassen sein.

Das sagt der Experte dazu In Dubrovnik kann man das machen, weil die Stadt nur wenige Eingangstore hat. Auch bei Inseln kann man das noch recht gut steuern. Praktisch unmöglich ist das bei klassischen Städten, welche Hunderte von Zugängen haben. Zudem gäbe es einen Kampf um die Zutrittsrechte. Es ist dann vielleicht so wie bei einem Konzert von Ed Sheeran: Man muss sich zu einer gewissen Zeit ein Ticket schnappen, damit man überhaupt reinkommt. Spontanes Reisen würde so ziemlich eingeschränkt.

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