Österreich
Müssen sich die Männer jetzt ändern?
Ist das Verhalten vieler Männer "toxisch" – oder werden die Männer zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt und problematisiert?
Im Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), konkret in der Sendung "Club", diskutierte eine Gruppe Männer über das Thema "Oh Mann! Männlichkeit in der Krise". Es kam zu einem giftigen Streit. Die "Identitätskrise" des Mannes war Streitthema, denn heute sei nicht mehr klar, wie ein richtiger Mann sein sollte.
Das traditionelle Männlichkeitsbild nennen Psychologen "toxisch". Eingeladen hatte Moderatorin Barbara Lüthi sechs Männer, unter anderem Alt-SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi und Fernsehkoch René Schudel. Diskutiert wurde etwa der aktuelle Werbespot des Rasierklingenherstellers Gillette, in dem man Bilder von Sexismus, Mobbing und "toxischer Männlichkeit" sieht. "Ist dies das Beste, was ein Mann werden kann?", fragt Gillette.
"Man ist vielen Männern auf den Schwanz getreten, ich habe auch auf Wilkinson gewechselt", sagte dazu Männerarzt Marco Caimi. Er beklagte die Gleichmachung der Geschlechter und spricht von einer "unglaublichen Angleichung": "Es ist, wie wenn man magnetische Pole einfach entmagnetisiert."
Zu viel für den Psychologen Markus Theunert von der Fachstelle "Maenner.ch": Er fand den Spot harmlos und gab seinem Unmut über die Aussagen seines Vorredners Ausdruck. Caimi reagiert wütend: "Sei einfach mal ruhig. Du machst mich nervös mit deinem Gebrummel nebenan. Ich bin am Reden, du kriegst den Redestab nachher." Und weiter: "Es geht mir auf den Sack. Sonst laufe ich raus. Ich habe die Sendeleitung gewarnt."
Auch in Österreich wird immer wieder über das "toxische Männerbild" diskutiert. Sei es bei der Erziehung, in der Bildung oder auch in Hinsicht auf Verbrechen – Österreich liegt bei den männlichen Gewalttaten gegen Frauen auf einem traurigen Spitzenplatz. Zählt man Morde, Körperverletzungen, Misshandlungen und andere Gewalttaten mit Todesfolge hinzu, starben etwa 2015 in Österreich mehr Frauen durch männliche Gewalt als in jedem anderen EU-Land.
Gegenüber "20 Minuten" legen nun Psychologe Markus Theunert und Männerarzt Marco Caimi dar, welche Probleme Männer haben und wo sie sich ändern müssen. Auch für Österreich eine Diskussionsgrundlage und ein Denkanstoß.
"Das traditionelle Männerbild ist tatsächlich 'toxisch': Ein Mann sollte demnach nicht zeigen dürfen, was er spürt, keine Schwäche oder Angst zeigen. Ein 'richtiger Mann' braucht auch keine Hilfe. Männlichkeit ist so negativ definiert: Nur wer kein Mädchen und kein Schwuler ist, ist ein richtiger Mann. Entsprechend muss man Handlungen vermeiden, die vermeintlich weiblich sind.
Das sieht man schon auf dem Pausenhof. Ein solches Männerbild ist toxisch, weil es krank macht und die Isolation des Mannes befördert: Er geht nicht rechtzeitig zum Arzt, er geht unnötige Risiken ein, übt eher Gewalt gegen sich und andere aus.
Wir postulieren im Gegensatz dazu 'sorgende Männlichkeiten': Männer sollten nicht zu Frauen werden, sich aber um sich selbst, um die Familie und andere kümmern. Was als männlich gilt, ist vor allem eine Frage der gesellschaftlichen Zuschreibung. Vertreter wie Marco Caimi sehen und rechtfertigen Geschlechterrollen viel zu sehr als 'naturgegeben'."
"In der Debatte herrscht ein Motto vor: Die unerträgliche Andersartigkeit des anderen. Frauen sollten entspannt Frau und Männer entspannt Mann sein dürfen, in gegenseitigem Respekt und im Rahmen der Gesetze. Die Geschlechterschützengräben schaden vor allem einer Gruppe: den Kindern.
Der Begriff 'toxische Männlichkeit' ist mir zu heftig. Darin steckt eine Abwertung des ganzen Geschlechts. Sexismus ist primär kein männerspezifisches Problem, sondern eine Frage von Intelligenz und der Kinderstube.
Es gibt natürlich Handlungsbedarf. Ein Problem haben wir auch bei Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch. Das ist aber weniger ein Problem der Männer generell, sondern eines des Kulturkreises. Die Gesellschaft sollte sich viel stärker mit der Frage befassen, wie sie mit Männern aus anderen Kulturkreisen umgehen kann, die ein abwertendes Frauenbild haben. In Südafrika gehen die Frauen etwa mit Schildern auf die Straße, auf denen steht: 'Real men don't rape'. Das ist eine Folge der Apartheid. Viele Männer kriegen dort nur Selbstbestätigung über ihren erigierten Penis, den sie irgendwo reinstecken.
Beim Gesundheitsbewusstsein hinken Männer den Frauen hinterher. Ich bin viel in Firmen zu Gast. Häufig höre ich Sätze wie 'An irgendetwas muss ich ja sterben'. Die Hürde, die sich Männer setzen, bevor sie auf sich schauen und zum Arzt gehen, ist viel höher. Häufig kommen sie nur in meine Praxis, weil sich ihre Frauen darum kümmern. Es ist wichtig, dass hier ein Umdenken stattfindet: Männer sollen auf sich achten dürfen. Das geht auch, wenn sie sich ab und zu eine Zigarre und ein Glas Wein gönnen." (daw/ehs/rfi)