Wirtschaft

Wie Wiens Burgtheater ausgeplündert wurde

Heute Redaktion
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Aufdeckerjournalist Ashwien Sankholkar beschreibt brisante Korruptionsfälle in seinem Buch „Der geplünderte Staat und seine Profiteure". Heute: Der Burgtheater-Skandal.

Wer durchschaut noch den Dschungel der jüngsten Wirtschaftsskandale Österreichs? Was waren die Ursachen, wer spann welche Fäden und wer verdiente daran? Nach jahrelangen Recherchen dokumentiert Sankholkar die brisantesten Korruptionsfälle der Republik.

Mit freundlicher Genehmigung des Residenz-Verlages bringt „Heute" einige Ausschnitte aus Sankholkars Buch „Der geplünderte Staat und seine Profiteure". Hier einige Details zum Burgtheater-Skandal, der immer noch auf völlige Aufklärung wartet:

"Im Klartext: Das Burgtheater war Ende 2013 pleite. Ohne 10-Millionen-Euro-Garantie der Republik wäre das beruhmteste Schauspielhaus im deutschsprachigen Raum zum Fall fur den Insolvenzrichter geworden. Schauspieler, Buhnentechniker, Dramaturgen – sie alle wären auf der Stelle arbeitslos gewesen. Ein kulturpolitischer Tsunami wurde in letzter Minute verhindert. Doch wie kam es so weit? Was waren die Grunde? Und wer waren die Profiteure?

Die Hauptverantwortung tragen – wie so oft – die Politiker, die dem wilden Treiben am Burgtheater mindestens zwei Jahrzehnte tatenlos zusahen. Auch die willfährigen Vasallen von VP-Kunststaatssekretär Franz Morak (2000–2007) und SP-Kulturministerin Claudia Schmied (2007–2013) agierten desaströs: Als Aufsichtsräte wurde ihnen das Wohl der Bundestheater (Akademie- und Burgtheater sowie Staats- und Volksoper) anvertraut. Doch anstatt mit dem „Privilegienstadl" aufzuräumen, taten sie genau das Gegenteil: Sie schauten stillschweigend zu.

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Die Misswirtschaft an der Burg wird am Beispiel der Ticketvergabe besonders deutlich. Fur Österreichs Elite gelten Burgtheater-Karten als harte Währung. Eintrittskarten fur Premieren oder fur bereits ausverkaufte Vorstellungen

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werden teilweise zu Fantasiepreisen gehandelt, wie Kulturinteressierte wissen.

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"Aus dem Kontingent der Dienstkarten stellte die Burgtheater GmbH dem kunstlerischen und dem technischen Betriebsrat kostenlose Karten im Burg- und Akademietheater zur Verfugung", heißt es im Rechnungshofbericht. "Auf das Burgtheater entfielen davon jährlich durchschnittlich rund 4.700 Karten mit einem Wert von rund 180.000 Euro und auf das Akademietheater jährlich rund 2.100 Karten mit einem Wert von rund 83.000 Euro".

In den sechs gepruften Jahren wurden rund 41 000 Tickets (Wert: 1,52 Millionen Euro) durch den Betriebsrat geschleust. Pikant daran ist, dass es fur diese Praxis keine schriftliche (Betriebs-)Vereinbarung gibt. "Die Burgtheater GmbH gab dem Rechnungshof bekannt, dass diese Handhabung bereits mehrere Jahrzehnte zuruckreiche und sie nicht feststellen könne, wann und wer mit der Abgabe von Dienstkarten an den kunstlerischen und technischen Betriebsrat begann". (RH-Bericht vom Mai 2016).

Dass bei der regelmäßigen Gebarungsprufung seit 2009 die "in jedem Geschäftsjahr erfolgte Abgabe von mehreren tausend Dienstkarten an den Betriebsrat nicht thematisiert wurde", stellt eine kolossale Fehlleistung der Pruforgane dar. "Diese Kartenabgabe [steht] im Widerspruch zur Regelung der Bundestheater-Holding GmbH", stellte der Rechnungshof trocken fest.

Bis dato drucken sich Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann und ihr kaufmännischer Direktor Thomas Königstorfer davor, die Abgabe von Dienstkarten an den Betriebsrat zu beenden, wie es der Rechnungshof empfiehlt. Das Betriebsratskontingent solle lediglich reduziert werden, um Zoff mit der Schauspieler-Vertretung zu vermeiden. Der designierte Burgtheater-Direktor Martin Kušej, der 2019 antreten wird, hält nichts vom alten Schlendrian: "Ich kann Bilanzen lesen", sagte er anlässlich seiner Vorstellung im Juni 2017.

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Der Burg-Betriebsrat fuhrt jedenfalls seit vielen Jahren ein fragwurdiges Dasein. In der Vergangenheit beschäftigte er schon mehrfach die Gerichte. Im Juni 2013 wurde ein Betriebsrat rechtskräftig zu acht Monaten bedingter Haftstrafe verurteilt, weil er sich zwischen Februar 2010 und November 2011 insgesamt 78 Mal aus dem Betriebsratsfonds bedient hatte – Schaden: 52 000 Euro. Um das Geld kaufte er beispielsweise Fernseher, Geschirrspuler oder Kaffeemaschinen fur seine Kolleginnen und Kollegen. Wer einen finanziellen Engpass hatte, der wurde mit Geld aus der Kasse versorgt. Eine noble Geste, die aber strafrechtlich relevant ist. Denn: Das willkurliche Verteilen von fremdem Vermögen ist verboten – auch aus edlen Motiven.

Wiewohl die Verurteilung des Betriebsrats fur großen Wirbel sorgte, änderte sich wenig am Schlendrian. Im Juni 2016 wurde abermals ein Betriebsratsmitglied wegen Veruntreuung zu neun Monaten bedingter Haft verurteilt. Aus dem Betriebsratsfonds des kunstlerischen Personals und einem Sozialfonds zweigte er von Februar 2015 bis März 2016 insgesamt 47 300 Euro ab. "Als Kassaverwalter hatte der Mann Zugriff auf Bankkonto und Tresor, was er nutzte, um sich regelmäßig Beträge zwischen 200 und 3.500 Euro einzustecken", berichtete die "Austria Presse Agentur" am 16. Juni 2016. Die Malversationen waren im Zuge einer internen Rechnungsprufung entdeckt worden.

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Spät, aber doch: Der Betriebsrat nahm den Vorfall aus dem Jahr 2016 zum Anlass, das interne Kontrollsystem nachzuschärfen. Es gibt noch sehr viel zu verbessern. Gefordert wären in erster Linie die Aufsichtsorgane von Bundestheater-Holding oder des Burgtheaters, dem auch der Betriebsrat angehört. Es war eine Mischung aus Unvermögen und Gleichgultigkeit, die die Tricksereien in der Bilanz- und Liquiditätsrechnung möglich machten.

"Der geplünderte Staat und seine Profiteure" des mit dem Alfred Worm-Preis ausgezeichneten Aufdeckerjournalisten Ashwien Sankholkar erscheint im Residenz Verlag. Das 240 Seiten starke Hardcover gibt es um 22,00 Euro beim Buchhändler ihres Vertrauens.

ISBN: 9783 7017 34269

ISBN ebook: 9783 7017 45616