Wien will die Betreuung von Alkoholkranken verbessern. Dafür sollen Angebote diverser Einrichtungen koordiniert zusammengeführt werden. Ziel ist es, Patienten individueller zu behandeln und das soziale Umfeld sowie die Wohn- und Arbeitssituation stärker zu berücksichtigen. Die erste Testphase des Projekts "Alkohol 2020" mit 500 Menschen startet im Oktober, danach will man schrittweise aufstocken.
Wien will die Betreuung von Alkoholkranken verbessern. Dafür sollen Angebote diverser Einrichtungen koordiniert zusammengeführt werden. Ziel ist es, Patienten individueller zu behandeln und das soziale Umfeld sowie die Wohn- und Arbeitssituation stärker zu berücksichtigen. Die erste Testphase des Projekts "Alkohol 2020" mit 500 Menschen startet im Oktober, danach will man schrittweise aufstocken.
Die Initiative wird als Kooperation zwischen Stadt, Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) und Pensionsversicherungsanstalt (PVA) abgewickelt und gemeinsam finanziert. 3,5 Mio. Euro kostet die einjährige Pilotphase. Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) sprach am Montag in einer Pressekonferenz von einem "Paradigmenwechsel" - denn: "Ab sofort richten wir uns nicht mehr aus, wer für was nicht zuständig ist."
Bis dato habe es kein koordiniertes Gesamtkonzept in Sachen Alkoholsuchtbekämpfung gegeben. Damit soll nun Schluss sein, indem niedergelassene Ärzte, Suchthilfeeinrichtungen und medizinische bzw. berufliche Rehabilitation vernetzt werden. Wehsely sieht darin auch die Gesundheitsreform erste Früchte tragen.
Persönliches Eingehen auf Betroffene
Konkret will man Alkoholabhängige maßgeschneiderte Hilfestellungen bieten. Dabei setzt man auf "multidimensionale Diagnostik" - also die Erhebung nicht nur des Trinkverhaltens, sondern auch der beruflichen Lage oder der Wohnsituation. Danach wird ein modulhafter Betreuungsplan erstellt, wobei hier der Ausbau des ambulanten Bereichs im Fokus steht, kündigte WGKK-Obfrau Ingrid Reischl an.
Die Begleitung umfasst nicht nur den eigentlichen Entzug, sondern etwa auch Schuldnerberatung, die Versorgung von Haustieren oder therapeutisches Wohnen. "Es nützt nichts, wenn jemand clean aus einer Therapie herauskommt und dann eine katastrophale Wohnsituation vorfindet", unterstrich Sucht- und Drogenkoordinator Michael Dressel. Unterstützung für Angehörige gibt es ebenfalls.
Als erste Anlaufstelle wird ein regionales Kompetenzzentrum mit Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern unter einem Dach etabliert, wobei der Standort in den nächsten Tagen fixiert wird. Im Zuge des späteren Ausbaus sind weitere geplant. Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen sind auch in Unternehmen - etwa über den Betriebsrat oder in Form von Lehrlingsworkshops - vorgesehen.
Hausärzten kommt größere Rolle zu
Hausärzte sollen zudem stärker eingebunden werden - Stichwort: Früherkennung. Die Ärztekammer begrüßt dies. "Alkoholkranke Menschen gehen in der Regel nur sehr selten freiwillig zu Spezialeinrichtungen", merkte Johannes Steinhart, Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte, per Aussendung an. Der Hausarzt könne als Vertrauensarzt das Thema ansprechen und erste Maßnahmen einleiten. Dafür bräuchten die Mediziner aber Zeit für Patientengespräche, die Steinhart von der Krankenkasse als ärztliche Leistung auch bezahlt wissen will.
Schätzungen gehen von 35.000 bis 75.000 Alkoholabhängigen in Wien aus. Dazu kommen 150.000 Menschen mit problematischem Alkoholkonsumverhalten. "Die Datenlage ist sehr schlecht", so Wehsely. Das liege auch daran, dass in Diagnosen oft nur Folgeerkrankungen stünden: "Da kommt Alkohol mit keinem Wort vor." PVA-Obmann Manfred Felix ergänzte, dass rund ein Drittel der jährlich 21.000 Frühpensionierungen auf psychische Ursachen zurückzuführen sei - und ein Gutteil davon hänge mit Alkoholmissbrauch zusammen. Auch 30 Prozent aller Krebserkrankungen würden durch übermäßiges Trinken entstehen.