Wien

Wiener Altbautenmieten doppelt so teuer wie erlaubt

Wie eine Studie der MieterHilfe Wien zeigt, zahlen Altbaumieter pro Quadratmeter im Schnitt 10,82 Euro. Gesetzlich erlaubt wären aber nur 5,81 Euro.

Louis Kraft
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MieterHilfe Wien-Chef Christian Bartok und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) präsentierten eine Untersuchung zum Wiener Wohnungsmarkt.
MieterHilfe Wien-Chef Christian Bartok und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) präsentierten eine Untersuchung zum Wiener Wohnungsmarkt.
Sabine Hertel

Heuer feiert die MieterHilfe Wien ihren 25. Geburtstag. Seit 1995 boten die Mitarbeiter mehr als 650.000 Wienern kompetente und kostenlose Beratung und Unterstützung bei Fragen rund ums Thema Wohnen und Miete. Anlässlich des Jubiläums erstellte die MieterHilfe eine umfassende Untersuchung zum Wiener Wohnungsmarkt. Die Ergebnisse wurden heute, Donnerstag, von Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) und MieterHilfe-Chef Christian Bartok präsentiert.

Von Jänner 2017 bis Mai 2020 nahm die MieterHilfe alle relevanten Online-Immobilien-Plattformen unter die Lupe. Insgesamt wurden rund 40.000 Inserate, die den Altbau in Wien betreffen, angesehen. Als Altbau gelten dabei Wohngebäude, deren Baubewilligung vor dem 9. Mai 1945 erteilt worden ist. Das sind in Wien allein rund 220.000 Wohnungen, in denen ein Hauptwohnsitz gemeldet ist. Pro Jahr schließen rund 18.000 Menschen einen Mietvertrag für eine Altbauwohnung in Wien ab.

Bei gleichbleibendem Richtwert (grüne Linie) bleiben auch die Hauptmietzins stabil - wenn auch stabil zu hoch (rote Linie). Die blaue Linie unten zeigt die Betriebskosten an.
Bei gleichbleibendem Richtwert (grüne Linie) bleiben auch die Hauptmietzins stabil - wenn auch stabil zu hoch (rote Linie). Die blaue Linie unten zeigt die Betriebskosten an.
Stadt Wien

"Die Ergebnisse sind alarmierend", so Gaal. "Die geforderten Mietpreise im Altbau liegen stabil über dem erlaubten Richtwert und sind fast doppelt so hoch wie erlaubt. Darüber hinaus werden 86 Prozent dieser Altbau-Wohnungen nur befristet angeboten", so Gaal. Damit ist der Anteil der befristeten Mietverträge weiter stark gestiegen. Im Jahr 2015 waren es "nur" 60 Prozent der Wohnungen, 2017 dann schon 75 Prozent, erklärt Bartok. 

Mieten stabil auf viel zu hohem Niveau

Im Erhebungszeitraum der vergangenen 40 Monate waren die Mieten, abgesehen von einigen Schwankungen (etwa während der Corona-Hochphase), ziemlich stabil. Allerdings stabil auf einem viel zu hohen Niveau. Der laut Gesetzgeber vorgegebene Richtwertmietzins für eine Kategorie A-Wohnung liegt aktuell bei 5,81 Euro. Die durchschnittlichen Nettohauptmieten pro Quadratmeter und Monat bewegen sich aber bei rund 10,20 Euro. 

Theoretisch wäre dieser eklatante Preisunterschied einklagbar, von diesem Recht machen jedoch nur wenige Mieter Gebrauch. Laut Gesetz müsste bei befristeten Mietverhältnissen ein Abschlag in Höhe von 25 Prozent vom Mietzins abgerechnet werden, was allerdings sehr häufig nicht passiert. Mieter, die sich deswegen an die MieterHilfe wenden, bekommen in der Regel Recht und erhalten die zu viel bezahlte Miete retour. Insgesamt holte die MieterHilfe Wien 2019 rund 16 Millionen Euro für die Menschen zurück. Nachteil: Dadurch sinkt die Chance auf eine Befristungsverlängerung gegen Null.

Doch trotz der konstanten Überschreitung der gesetzlichen Vorgabe, hätten diese keine Konsequenzen, daher fordert die Stadt nun eine Reform der Gesetze und stärkere Strafen bei Verstößen. 

Gaal fordert vom Bund faires, transparentes Mietrecht

"Die Untersuchung der MieterHilfe zeigt in aller Klarheit: Im geförderten Wohnbau, wo mehr als 60 Prozent der Wienerinnen und Wiener leben, hat die Stadt die Wohnsituation gut im Griff. Aber die vielen Vorteile des Wiener Wohnbau-Modells sind für Wohnungssuchende am freien Wohnungsmarkt nicht immer abholbar", zeigt sich Gaal über das Resultat der Studie beunruhigt.

Sie fordert nun den Bund auf, rasch zu handeln: "Das österreichische Mietrecht ist dringend reformbedürftig, denn es hat längst den Kontakt zur realen Situation am Wohnungsmarkt verloren. Wenn ein Gesetz systematisch nicht eingehalten wird, dann kann es dafür viele Gründe geben. Eines ist dann aber klar: Der Gesetzgeber muss entweder das Gesetz ändern oder seine Überschreitung härter sanktionieren. Aus meiner Sicht ist beides notwendig. Die Bundesregierung muss hier dringend handeln", so Gaal.

"Ein Gesetz, an das sich niemand hält, verliert irgendwann jede Glaubwürdigkeit. Die MieterHilfe ist Tag für Tag mit Gesetzesübertretungen konfrontiert, vor denen der Bundesgesetzgeber einfach die Augen verschließt. Und in der Corona-Ausnahmesituation hat man noch einmal deutlicher als sonst gesehen, dass dieser Missstand für viele Wienerinnen und Wiener mit enormen Nachteilen verbunden ist. Es ist absolut notwendig, diesem Ausnützen einer Gesetzeslücke einen Riegel vorzuschieben", unterstreicht auch der MieterHilfe-Chef. 

Vier Forderungen an die Bundesregierung

Als Reaktion auf die Untersuchungsergebnisse stellen Wohnbaustadträtin Gaal und MieterHilfe-Chef Bartok konkrete Forderungen an die Bundesregierung:

1
Einführung eines Generalmietrechts für alle Wohnbereiche

Ein faires System der Mietpreisgestaltung mit klaren Obergrenzen und klar nachvollziehbaren Zu- und Abschlägen für alle Mietwohnungen – unabhängig vom Jahr der Errichtung.

2
Geldstrafen bei Verstößen

Die Einführung von spürbaren Geldstrafen bei Verletzung dieser Obergrenzen: Wenn Vermieter vorsätzlich zu hohe Mieten und/oder Betriebskostenabrechnungen verlangen, soll die Geldstrafe bis zu 300 Prozent der zu viel verlangten Miete/Betriebskosten betragen. Zurzeit ist Mietwucher straffrei.

3
Weniger befristete Mietverträge

Massive Einschränkung der Befristungsmöglichkeiten für Vermieter.

4
Kündigungs- und Delogierungsstopp wegen Corona verlängern

Zusatz-Maßnahmen für die Corona-Ausnahmesituation: Die Regierung müsse den Kündigungs- und Delogierungsstopp verlängern, bis die Krise und ihre Folgen wirklich ausgestanden sind. Die Maßnahme war ja nur auf drei Monate befristet worden und läuft mit Ende Juni ab. Gerade bei befristeten Mietverträgen gebe es einen dringenden Handlungsbedarf seitens des Bundes. 

Die Corona-Zeit habe auch gezeigt, wie sehr die Wiener das Service der MieterHilfe annehmen und zu schätzen wissen, so Bartok. Die Anfragen bei der MieterHilfe-Hotline 01 4000 8000 und per E-Mail unter [email protected] hätten sich im Vergleich zum üblichen Aufkommen mehr als verdoppelt. Insgesamt kam es in der Hochphase der Corona-Zeit zu deutlich mehr als 10.000 Anfragen. Die häufigsten Fragen betrafen dabei auslaufende Mietverträge und Probleme beim pünktlichen Bezahlen der Miete. Ein zentraler Fixpunkt bei Anfragen an die MieterHilfe ist und bleibt aber natürlich das Thema Mieten.

Wer vermutet, zuviel Miete zu zahlen, kann sich auch an die Schlichtungsstelle der Stadt (MA25) wenden oder den Online-Mietzinsrechner verwenden.