Wien

Wiener Bim-Fahrerin (47) wurde von Heinz zu Marie

Den Arbeitsvertrag unterschrieb sie als Heinz, nun ist Marie (47) als FahrerIN im Einsatz. Die Umstellung fiel so manchem Kollegen nicht leicht.

Yvonne Mresch
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Seit 26 Jahren ist Marie (47) als Bim-Fahrerin im Einsatz. Ihren Arbeitsvertrag unterschrieb sie noch als Heinz.
Seit 26 Jahren ist Marie (47) als Bim-Fahrerin im Einsatz. Ihren Arbeitsvertrag unterschrieb sie noch als Heinz.
Denise Auer

"Ich habe schon als Kind gerne Mädchenkleider angezogen und mich dann glücklich gefühlt", erinnert sich Marie zurück. Bevor die Eltern nach Hause kamen, versteckte sie die Kleidungsstücke, wenn auch nicht immer mit Erfolg. "Mama hat mich einmal darauf angesprochen, weil ich ihren BH angezogen habe. Ich konnte das damals nicht zuordnen, wusste nicht, was los ist."

Im Fasching als Mädchen

Als Teenager zog sich die heute 47-Jährige zurück, wurde zum Außenseiter. Die Gedanken blieben, wurden aber bewusst weggeschoben. "Das war psychisch anstrengend", gibt sie zu. Lediglich ein glücklicher Tag aus ihrer Schulzeit bleibt der Wienerin in Erinnerung: "In der vierten Klasse Hauptschule habe ich mich zum Fasching als Mädchen verkleidet. Es war ein toller Tag, weil alles im geschützten Rahmen passiert ist und ich nicht aufgefallen bin. Ich habe viele Komplimente bekommen und mich super gefühlt."

Outing mit 37 Jahren

Die Jahre vergingen mit weiteren verzweifelten Versuchen, das Weibliche in ihr zu verdrängen: "Ich habe mit Maurer einen 'männlichen' Beruf erlernt, geheiratet und zwei wunderbare Kinder bekommen. Ich habe alles probiert, um ein Mann zu sein. Aber auch in meinem Umfeld meinten alle, meine Frau sei der männlichere Part" Als die Ehe in die Brüche ging, kam für Marie ein Stein ins Rollen. "Ich ging an einem High Heels-Geschäft für Frauen und Männer vorbei und kaufte ein Paar. Da hat sich ein Schalter umgelegt. Etwas ist in mir ausgebrochen."

Mit 37 hatte sie ihr Outing, aus Heinz wurde Marie. "Ich war zuvor in psychologischer Behandlung, bei einer Selbsthilfegruppe, hatte unbegründete Wutausbrüche, Depressionen und wusste nicht mehr, wohin mit meinen Gefühlen. Auch wenn ich heute noch mit Hochsensibilität zu kämpfen habe, bin ich jetzt endlich glücklich. Ich fühle mich wohl, mir geht es gut." Marie lebt nun ganz als Frau – hat ihren Namen offiziell geändert, sich einer Operation und einer Hormontherapie unterzogen. Ihr Umfeld hat sie dabei stets unterstützt.

"Papa ist eben glücklicher, wenn er Mama ist"

"Ich habe keinen Hass erlebt, weder im Netz noch in der Familie. Meine Kinder, die heute 15 und 20 Jahre alt sind, haben das immer verstanden. Mit acht Jahren hat mein Sohn seiner Lehrerin erklärt, dass 'Papa eben glücklicher ist, wenn er Mama ist'". Dass sie nun an die Medien geht, hat sie zuvor mit den beiden besprochen. Der für sie schwierige Schritt hat einen Grund: "Es braucht mehr Aufklärung. Trans-Zebrastreifen sind schön und gut, aber wir brauchen noch mehr. Die Leute sollen verstehen, dass der Mensch zählt und die Liebe kein Geschlecht hat. Jeder soll sein Leben führen dürfen, wie er will. Habt den Mut dafür!"

Vom Bim-Fahrer zur Bim-Fahrerin

Mit 21 Jahren bereits kam Marie als Bim-Fahrer zu den Wiener Linien, unterschrieb ihren Arbeitsvertrag damals noch als Heinz. Heute ist sie eine von mehreren Trans-Personen, die Fahrgäste durch die Stadt bringen und schult mittlerweile auch den Nachwuchs ein. "Ich mag die Abwechslung, ein Bürojob wäre nichts für mich. Und als Frau verdiene ich das gleiche wie ein Mann", lacht sie.

Auch wenn sie keine Diskriminierung unter den Kollegen erfahren hat, war die Umstellung nicht für alle leicht: "Manche sagen immer noch den falschen Namen oder das falsche Pronomen, aber sie bemühen sich." Dass der Beruf nach wie vor eine Männerdomäne ist, stört sie nicht. "Wir werden mehr. Und es ist nicht mehr der harte Beruf, der es früher war. In den Pausenräumen wird heute schon anders geredet", lacht sie.

"Ich wurde in der Straßenbahn ausgelacht"

In einer eigens gegründeten LGBTIQ-Gruppe der Wiener Linien erfahren Menschen wie Marie Unterstützung und bekommen den Raum, um über ihre Situation zu sprechen und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Im Arbeitsalltag kommen die meisten Fahrgäste gut mit ihrer Situation klar, erzählt sie.

"Nur einmal wurde ich ausgelacht und ein anderes Mal gefragt, ob ich jetzt Mann oder Frau bin. Auch einer meiner Schüler war ganz erstaunt, als ich meine Geschichte erzählt habe. Aber ich gehe offen mit dem Thema um und bekomme meist Verständnis. – und einmal sogar Lob von einem Fahrgast", lacht sie. "Sie meinte, man sieht, dass ich eine Frau bin. Denn ich fahre sehr gefühlvoll in die Kurven!"

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