Fussball

Wiener gegen Spurs: "Mourinho kennt mich jetzt!"

Kenan Muslimovic erlebt in Bulgarien ein Fußballmärchen. Nach zwei gewonnenen Trophäen trifft er im Europacup auf Tottenham Hotspur.

Sebastian Klein
Teilen
Jose Mourinho hat ÖFB-Legionär Kenan Muslimovic analysiert.
Jose Mourinho hat ÖFB-Legionär Kenan Muslimovic analysiert.
Picturedesk, Instagram

"Gänsehaut!", fiebert Kenan Muslimovic im "Heute"-Talk dem Kracher gegen Tottenham entgegen. Der Wiener empfängt die Spurs mit Bulgariens Pokalsieger Lokomotiv Plovdiv am Donnerstag in der zweiten Runde der Europa-League-Quali.

Auf Mourinhos Radar

"Das Schönste? Jose Mourinho kennt mich jetzt. Die analysieren alles." Teamkollegen spielten in der Nations League mit Bulgarien gegen Wales, trafen dabei auf Spurs-Linksverteidiger Ben Davies. "Er hat ganz locker geplaudert und erzählt, dass sie sich schon genau auf uns vorbereiten." Darum weiß sein Star-Trainer: Ihn erwartet ein "ekeliges Team", wie es Muslimovic formuliert. Die Schuld daran trägt "The Special One" selbst. Muslimovic erinnert sich: "Sei ein Bastard! Dieser Leitsatz von Mourinho hat sich bei mir eingebrannt." 

Kenan Muslimovic stürmt für Lokomotiv Plovdiv.
Kenan Muslimovic stürmt für Lokomotiv Plovdiv.
Instagram

"Wir kriegen Wasser, die Red Bull"

Superstars wie Harry Kane und Son Heung-min gastieren in Plovdiv. Ihnen wird der rote Teppich ausgerollt. "Es ist ein Wahnsinn was hier los ist. Die Gästekabine war schön und neu, halt ein bisschen kleiner. In den letzten Tagen haben sie die Wände eingerissen und sie ausgebaut, damit die mit ihren 20 Physios reinpassen. Wir bekommen Wasser, denen haben sie schon einen Kühlschrank mit Red Bull reingestellt."

"Son hat V8 im Popo"

Vor wem er sich der 23-Jährige am meisten fürchtet? "Ich werde Son auf Deutsch sagen, dass er einen Gang zurückschalten soll. Wenn der im Fünften ist, kann man ihn nicht stoppen. Der muss einen V8-Motor im Popo haben", scherzt Muslimovic. Das Gespräch soll es aber tatsächlich geben. Son kann nach seiner Zeit beim HSV und bei Leverkusen ausgezeichnet Deutsch, verstand sich auch mit Kevin Wimmer blendend, als der ehemalige ÖFB-Teamspieler bei den Spurs unter Vertrag stand. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich kein Trikot von ihnen haben will. Erik Lamela wäre mir am liebsten, aber der wird wohl verletzt fehlen. Son ist ganz weit oben auf der Liste."

Nicht nur die Spurs bereiten sich akribisch vor. "Wir haben uns ihr 0:1 am Samstag gegen Everton angesehen. Ihr Pressing ist ein Wahnsinn. Sie waren voriges Jahr im Champions-League-Finale. Tottenham bewundert man." Schwächen? "Keine, außer, sie haben keinen Bock auf uns. Aber es ist auch für sie die letzte Chance auf Europa. Mourinho nimmt das Spiel sicher ernst."

Der Plan? "Wir wollen Vollgas spielen. Wir sind bekannt für unser Pressing."

Muslimovic mit der Supercup-Trophäe.
Muslimovic mit der Supercup-Trophäe.
Instagram

Kein Platz bei der Austria

Muslimovic ist seit Februar in Bulgarien. "Es ist die letzte Chance. Nach so vielen Transfers will ich endlich geduldig sein." Der ehemalige Jugendkicker der Wiener Austria, Admira und Vienna sammelte in jungen Jahren schon viele Eindrücke in verschiedenen Ländern.

Die Austria holte ihn als Teenager nach trefferreichen Jahren bei der Vienna. Der Sprung in die U18 gelang nicht. "Sie setzten mich in der U16 als Sechser ein, ich war groß und hatte eine gute Technik. Oben waren sie auf dieser Position extrem gut besetzt. Ivan Ljubic (Sturm) und David Cancola (im Sommer von Hartberg zu Slovan Liberec) haben sich zu Bundesliga-Stammspielern entwickelt."

Viele Auslands-Stationen

Es folgte der Wechsel zur Admira, die ihn zum Stürmer umschulte. "In der U18 hieß es am letzten Spieltag der Saison, es würden Scouts auf der Tribüne sitzen. Ich hatte keine Ahnung von welchen Klubs. Es ging um Platz drei. Wir haben Red Bull Salzburg 2:1 geschlagen, ich erzielte das Siegestor. Dann kam das Angebot von Novara."

Muslimovic entschied sich für den Wechsel zum italienischen Serie-B-Klub. Er trainierte mit der ersten Mannschaft, spielte in der Primavera gegen den Elite-Nachwuchs von Juventus Turin und Co. "Das war schon geil dort. Aber aus irgendeinem Grund habe ich mir eingebildet, ich muss in einer ersten Liga spielen."

Der Wiener mit bosnischen Wurzeln schloss sich Mladost Kakanj an. Auch in der bosnischen ersten Liga hielt es den Angreifer nicht lange. Im Sommer 2016 ging es weiter nach Serbien zu Novi Pazar, ein Jahr später zu Kaiserslautern, ein weiteres halbes Jahr später zu Jahn Regensburg.

"Covic wollte mich"

Ein Transfer zu Hertha BSC zerschlug sich nur knapp. Ante Covic sagte zu mir, dass er mich unbedingt holen will, ich einen starken Torriecher habe. Zeitungen haben den Wechsel schon vermeldet. "Ich weiß bis heute nicht, warum es nichts geworden ist."

Im Jänner des Vorjahres wieder zurück zu Mladost nach Bosnien-Herzegowina.

Warum so sprunghaft? "Ich war naiv. Ich wollte immer sofort spielen. Ich hatte keine Geduld. Dann habe ich das Angebot von Pipinsried angenommen. Ein deutscher Fünftligist, der Erstligagehälter zahlte. Wir waren eine starke Truppe, haben die Liga dominiert. Aber viele Spieler wollten nur drei, vier Mal pro Woche trainieren. Ich wollte wieder ein professionelles Umfeld."

Darum der Transfer zu Lokomotiv Plovdiv: "Trainer Bruno Akrapovic ist bekannt dafür, immer wieder vertragslose Spieler aufzunehmen, deren Karrieren ins Stocken geraten sind, sie wieder zu richtigen Spielern zu machen. Ich möchte es ruhiger angehen. Einfach trainieren und die Pappn halten", sagt er auf gut Wienerisch.

Corona und Verlobung

Mit der gewünschten Ruhe wurde es bisher nichts. 2020 hatte andere Pläne. Die Corona-Pandemie schlug gnadenlos zu. Muslimovic saß monatelang ohne seine Familie und ohne Freundin in Bulgarien fest. Dann ging es Schlag auf Schlag.

Die Meisterschaft wurde fortgesetzt. Am 1. Juli erfolgte der unverhoffte Pokalsieg mit Plovdiv. Tausende Fans feierten mit dem Klub den Triumph. Die Party entpuppte sich als Corona-Cluster. Muslimovic infizierte sich mit Covid-19. Es folgten zwei Wochen in Quarantäne, die geplante und ersehnte Rückkehr nach Österreich lag auf Eis.

Tausende feierten mit Plovdiv den Pokalsieg. Viele steckten sich mit dem Virus an.
Tausende feierten mit Plovdiv den Pokalsieg. Viele steckten sich mit dem Virus an.
Privat

"Sobald ich den negativen Bescheid hatte, fuhr ich 21 Stunden mit Bus und Zug nach Österreich zu meiner Freundin. Sie wusste nicht, dass ich auf dem Weg war. Ich wollte den Überraschungseffekt ausnützen. Sie ahnte auch nichts vom Hochzeitsantrag." Drei Tage nach dem "Ja" stand Muslimovic im Supercup in seinem nächsten Endspiel.

"Ich habe 20 Tage lang kein einziges Training absolviert. Bei Corona willst du nichts riskieren. Die wenigen Tage mit meiner Freundin wollte ich ausnützen. Das habe ich dem Trainer gesagt, er wollte mich trotzdem auf der Bank haben. Gespielt habe ich zwar nicht, aber danach den Pokal gestemmt (lacht)."

Jetzt ist der Wiener wieder fit und freut sich auf sein bisheriges Karriere-Highlight gegen Mourinho, Son und die Spurs.

1/44
Gehe zur Galerie
    Die legendärsten ÖFB-Legionäre 
    Die legendärsten ÖFB-Legionäre
    gepa-pictures.com, Imago Images
    1/6
    Gehe zur Galerie
      David Alaba feierte 2009 mit 17 Jahren und 114 Tagen sein Debüt für das österreichische Nationalteam. Er schaffte den Aufstieg zum unumstrittenen Star.
      David Alaba feierte 2009 mit 17 Jahren und 114 Tagen sein Debüt für das österreichische Nationalteam. Er schaffte den Aufstieg zum unumstrittenen Star.
      Gepa Pictures