Wien

Wiener Kellner lebte 25 Jahre lang als "U-Boot"

Als Gäste 1995 im Lokal randalierten, stach Kellner Wolfgang S. zu – und flüchtete danach nach Thailand. Nun holte ihn die Vergangenheit ein.

Heute Redaktion
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Heimkehrer Wolfgang S. mit Anwalt Normann Hofstätter
Heimkehrer Wolfgang S. mit Anwalt Normann Hofstätter
Sabine Hertel

Es war a schware Partie, die das Wiener "Café Romeo" am 9. Februar 1995 zum Tatort "Café Bauchstich" machte. Betrunkene Nachtschwärmer pöbelten damals die neue Barfrau Gina an. Kellner Wolfgang S. wollte die Kollegin beschützen. Allerdings hatte der Aufpasser selbst schon sieben "Mekong" (Brandy mit Zucker) gezwitschert – und beim Zurechtweisen der Rüpel ein Zitronenmesser in der Hand.

Flucht ins frühere Urlaubsziel

Resultat: ein Opfer mit Einstichen an der Brust, ein zweites mit Schnittwunden am Hals. Die Verletzten überlebten. Der bis dahin unbescholtene Gewalttäter tauchte ab. In Thailand, wo er davor mehrmals auf Urlaub war, versteckte sich Wolfgang S. ein Vierteljahrhundert vor der Justiz. Weil aber eine Beziehung mit einer Einheimischen schiefging und dann auch noch sein Vater (91) zum Pflegefall wurde, kam der Flüchtige jetzt in die Heimat zurück.

Mit dem Meldezettel holte ihn die Vergangenheit ein

Und gestern stand Wolfgang S., mittlerweile 65, wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung vor Gericht. Seine Opfer Robert G. (55) und Kurt R. (48) kamen als Zeugen dazu. Vor der Verhandlung erzählte der Angeklagte vom Leben im Versteck: "Ich habe mich als Wirt und als Fischhändler durchgeschlagen. Solange mein Pass gültig war, kein Problem. Dann aber durfte ich 15 Jahre lang nicht einmal eine Verkehrsstrafe riskieren."

"Geben Sie ihm ein mildes Urteil, bitte."

Mustergültig gebrieft von Anwalt Normann Hofstätter ging der Wiener dann auch im Prozess nicht unter: glaubhaft seine Reue, umfassend sein Geständnis, überzeugend die 25 Jahre ohne weitere Straftat. Obwohl arbeitslos (Mindestsicherung 917 Euro), übergab Wolfgang S. seinen Opfern 1.000 Euro: "Das habe ich eigentlich für Zähne gespart." Fast gerührt nahmen beide auch Geld und Entschuldigung an, ersuchten beim Abgang gar den Richter: "Geben Sie ihm ein mildes Urteil, bitte." Tatsächliches Happy End: zwei Jahre bedingt. Der Rückkehrer muss keinen Tag in Haft und ist von alten Schatten befreit.

Wolfgang Höllrigl