Wien

Wiener Lokal kämpft mit Flatrate gegen die Corona-Krise

Mit einem neuem Konzept versucht das Wiener Lokal "Vollpension" auf der Wieden über die Corona-Runden zu kommen. Als "Halbpension" verrechnet es pro Gast und Stunde einen Fixpreis von 9,90 Euro. Dafür gibt es Kaffee und Tee, so viel man will. 

Louis Kraft
Teilen
1/5
Gehe zur Galerie
    Das Lokal "Vollpension" in Wien-Wieden begegnet der Corona-Krise mit einem neuen Konzept.
    Das Lokal "Vollpension" in Wien-Wieden begegnet der Corona-Krise mit einem neuen Konzept.
    Helmut Graf

    Seit Mitte Mai darf die Gastronomie wieder öffnen, von einer Kostendeckung sind viele Lokale aber weit entfernt. Mit zu wenig Gästen rechnet sich der Betrieb einfach nicht, manche Lokale sperrten nach weniger Tagen wieder zu. Auch das beliebte Generationenlokal "Vollpension" in der Schleifmühlgasse 16 (Wieden) hat Corona hart getroffen, wie die Gründer Julia Krenmayr (32), Moriz Piffl (40) und David Haller (33) erzählen.

    "Wir haben seit Pfingstmontag wieder offen. Im Vergleich zum Pfingstmontag 2019 kamen nur ein Drittel der Gäste, der Umsatz lag bei etwa der Hälfte von 2019", erklärt Moriz. Schuld daran ist nicht nur die Sitzplatzbegrenzung, sondern auch, dass viele Gäste einfach wegbleiben. Da mit der derzeitigen Auslastung kein Auskommen zu finden sei, entwickelten die "Vollpension"-Gründer ein neues Konzept und das Lokal wird nun zur "Halbpension".

    Kaffee und Kuchen zum Fixpreis

    Ausgestattet mit den Abrechnungen für Fixkosten wie Miete, Löhne und Steuern stellte das Gründer-Trio die Einnahmen gegenüber. So kamen sie auf eine Flatrate, mit der die "Halbpension" die Kosten decken und die Gäste zufriedenstellen kann. Pro Gast und Stunde werden 9,90 Euro fällig, dafür gibt es soviel Kaffee, Tee oder Hauslimonade soviel man will. Zusätzlich erhält man einen 25 Prozent Nachlass auf die gesamte Karte. Pro Stunde gibt es auch einen Kuchen oder ein Schnittlauchbrot dazu.

    Die Gäste werden vorab online oder direkt im Lokal über das neue System informiert, Ausnahmen gibt es keine. "Wir testen das jetzt einmal in den ersten beiden Juni-Wochen, und da sind wir auch eisern", erklärt Moriz. Gäste, die also nur schnell einen Espresso trinken wollen, zahlen also entweder 9,90 Euro dafür oder suchen sich ein anderes Lokal. Auf Nachfrage von "Heute" zeigen die Gäste der neuen "Halbpension" aber Verständnis. "Ich finde das völlig in Ordnung, irgendwo muss das Geld ja herkommen", erklärt etwa Silja (28), die sich mit ihrer Freundin Susanne (19) ein Frühstück schmecken ließ.

    "Das Stundenmodell der Halbpension machen wir jetzt in einem Beta-Test, danach entscheiden wir, ob unsere Innovation Früchte trägt", erklärt Moriz. Die Kuchen und Torten, die bei den Gästen so beliebt sind, werden auch weiterhin frisch von den 45 Omis und Opis der Vollpension gebacken. Die Senioren sind geringfügig bei dem Generationenlokal angestellt, arbeiten aus Sicherheitsgründen in der Backstube, dem derzeit geschlossenen, zweiten Standort in der Johannesgasse (City). Auch sie freuen sich, wenn die neue Halbpension wieder zur Vollpension werden kann, erzählt "Oma" Susanna (65) via Livestream.

    "Krautfunding" von Gästen und Freunden rettete Vollpension

    Da einige der Omis und Opis von Altersarmut betroffen und von ihrem geringfügigen Einkommen abhängig sind, wurden sie im Gegensatz zu den 34 anderen Mitarbeitern nicht in Kurzarbeit geschickt, sondern blieben angestellt. Und weil sie bereits in Pension sind, ist eine Anmeldung zur Kurzarbeit gar nicht möglich. "Wir haben es geschafft, niemanden kündigen zu müssen, leicht war das aber nicht. Für uns als kleines Unternehmen bedeutete das nicht nur einen enormen bürokratischen, sondern auch finanziellen Aufwand. Wir haben den Antrag auf Kurzarbeit Anfang März gestellt, es jetzt haben wir das Geld bekommen. Das heißt, wir müssten für drei Monate die Gehälter vorschießen, einen Kredit haben wir nicht bekommen", fasst Julia ihre Mühen zusammen. 

    Dass die Vollpension die Coronakrise bisher überhaupt meistern konnte, verdankt sie ihren Stammgästen und Freunden. Im Rahmen eines "Krautfunding" kam eine "knapp sechsstellige Summe" zusammen, wie Moriz erklärt. Ohne diese finanzielle Hilfe hätte das Lokal nicht überlebt. 

    "Wer beschäftigt und Steuern zahlt, soll Gutschrift auf Lohnnebenkosten bekommen"

    Vom Staat fühlt sich das Gründer-Trio der Vollpension hingegen im Stich gelassen. "Wir haben keinen staatlich gesicherten Kredit von unserer Hausbank bekommen, weil die Banken aufgrund der Bilanzkennzahlen entschieden haben. Stattdessen sollte der Staat aber darauf schauen, wer für Beschäftigung sorgt und Steuern zahlt. Eine echte Hilfe wäre es, wenn es diese Steuern als Gutschrift für die Lohnnebenkosten der nächsten 18 Monate geben würde", so Moriz. 

    Mehr zum Thema